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Australischem Dollar drohen schwierige Zeiten

Von Stefanie Holtze-Jen *) Börsen-Zeitung, 12.2.2019 Es ist immer wieder die gleiche Geschichte. Oder zumindest eine recht ähnliche. Ein Land macht so manche an sich recht vernünftige Reformen in der Wirtschaftspolitik. Die Unternehmen des Landes...

Australischem Dollar drohen schwierige Zeiten

Von Stefanie Holtze-Jen *)Es ist immer wieder die gleiche Geschichte. Oder zumindest eine recht ähnliche. Ein Land macht so manche an sich recht vernünftige Reformen in der Wirtschaftspolitik. Die Unternehmen des Landes überzeugen an den Märkten – ob durch Glück, Geschick oder tatsächlichen Erfindungsgeist stellt sich oft erst Jahre später heraus. Auf Anzeichen von Schwäche reagiert die Notenbank verlässlich mit einer lockeren Geldpolitik. Und der Zyklus läuft und läuft. Die Lobeshymnen häufen sich.Spätestens ab diesem Zeitpunkt sollte man skeptisch werden. Als kleine Faustregel gilt: Je mehr Fans aus aller Welt ein Land hat, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass in nicht allzu ferner Zukunft einiges an Ungemach drohen könnte. Insofern war es eher besorgniserregend, als “The Economist” Australien letzten Oktober aufs Titelblatt hob und “als die vielleicht erfolgreichste entwickelte Volkswirtschaft der Welt” lobte. Der Fairness halber sei dazu gesagt, dass die Berichte sich kritisch und detailliert mit möglichen Schwächen des Landes auseinandersetzten.Bei so manchem Leser dürfte diese differenzierte Sicht wohl nicht angekommen sein. Jedenfalls häufen sich in den letzten Monaten die Stimmen, die von Australiens langem Aufschwung schwärmen, seit 2018 besonders in den USA. Auch ansonsten gut informierte Bankenkreise sehen in Australien inzwischen ein gutes Beispiel dafür, warum in modernen Volkswirtschaften Aufschwünge inzwischen länger sein könnten als in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Aufschwung seit 1991Nun möchte man amerikanischen Kollegen ja nicht übel nehmen, wenn sie nach Gründen suchen, wieso die guten Zeiten noch lange andauern könnten, angesichts von Präsident Donald Trumps Handelspolitik, des amerikanischen Government Shutdown und der gestiegenen politischen Unsicherheit diesseits und jenseits des Atlantiks. Und generell mag ja etwas dran sein an der These, dass Volkswirtschaften mit der Zeit weniger krisenfällig werden, wenn sich die Gewichte vom verarbeitenden Gewerbe in Richtung Dienstleistungen verlagern. Als möglicher Beleg dafür kann die jüngere Wirtschaftsgeschichte Australiens aber definitiv nicht dienen.Australiens letzte Rezession ist inzwischen fast drei Jahrzehnte her, sie ging im dritten Quartal 1991 zu Ende. Reformen in der Altersvorsorge, dem Gesundheitswesen und am Arbeitsmarkt gaben dem Aufschwung eine solide Basis. Für die lange Dauer war aber vor allem Glück verantwortlich. Australien verfügt über zahlreiche Rohstoffe. Deren Gewicht an der Wertschöpfung hat in den vergangenen Jahrzehnten sogar noch zugenommen. Bis 2014 half der scheinbar unstillbare Hunger Chinas nach Eisenerz, Erdgas und ähnlichem Australiens Exporten auf die Sprünge. Ein weiterer Glücksfall während der Krisen 2000 und 2008 war die vergleichsweise geringe wirtschaftliche Verflechtung mit den USA.Heute dagegen gibt es jede Menge Gründe zur Sorge, und zwar nicht nur wegen China und der Weltwirtschaft. Australiens Immobilienmarkt erinnert längst an frühere Krisenherde. Die Wohnimmobilienpreise fallen zwar schon seit gut einem Jahr, teilweise deutlich. Nach den meisten Kennzahlen sind sie aber nach wie vor deutlich überteuert. Die Schulden der privaten Haushalte liegen inzwischen bei 200 % der verfügbaren Einkommen; in den USA lag der Gipfel 2007 bei 125 %. Immobilienpreise fallenDa ist es ein geringer Trost, dass die bisherige Schwäche der Häuserpreise (noch) nicht deutlicher auf Konsumentenvertrauen und Einzelhandelsumsätze durchschlägt. Die Sparquote ist chronisch niedrig, die Leistungsbilanz seit Jahrzehnten fast immer im Defizit.Nicht nur diesbezüglich fühlt man sich stark an die USA um 2007 herum erinnert. Während der vergangenen zwölf Monate untersuchte eine Kommission den australischen Finanzsektor. Dabei kamen zahlreiche systematische Verstöße zutage, von überhöhten Gebühren bis zum Versagen bei der Vergabe von Hypotheken. Die Aufsichtsbehörden scheinen dabei des Öfteren beide Augen zugedrückt zu haben und müssen sich nun den Vorwurf einer zu großen Nähe zu den von ihnen kontrollierten Unternehmen gefallen lassen. Der Markt wird von einem Bankenkartell beherrscht, das noch hochprofitabel ist. Zu einer Zerschlagung großer Banken konnte sich die Kommission aber dann doch nicht durchringen – trotz eklatanter Interessenkonflikte etwa zwischen Vermögensverwaltung und Filialbankengeschäft.Derweil bleibt Australiens Notenbank – wie in solchen Fällen üblich – selbstsicher und gelassen. Vergangene Woche räumte sie ein, die Chancen auf eine Zinssenkung statt einer seit langem aufgeschobenen Zinserhöhung seien inzwischen ausgeglichen. Und vielleicht gelingt in Australien ja wirklich, was anderswo kaum je geklappt hat: die sanfte Entwöhnung von einer Immobilienblase ohne wirtschaftliche Kollateralschäden.Wir sind bereits seit einigen Monaten eher skeptisch, am Markt sieht man das mit Blick auf die unmittelbare Zukunft inzwischen ähnlich. Noch aber scheinen die wenigsten bemerkt zu haben, wie schlimm es im Land der Kängurus am Ende kommen könnte. Die Regierungsfinanzen scheinen solide, das Wachstum ungebrochen. Die Menschen sind in Sachen legale Zuwanderung tolerant. Die beiden Großparteien sind zumindest in der Wirtschaftspolitik nur wenig unterscheidbar: tendenziell marktfreundlich und pragmatisch. Man fühlt sich ein wenig an das ehemalige Mutterland erinnert – das Vereinigte Königreich, wie man es noch vor einigen Jahren kannte.—- *) Stefanie Holtze-Jen ist Chief Currency Strategist bei der DWS.