GELD ODER BRIEF

Axel Springer mutiert von Print zu Digital

Von Ulli Gericke, Berlin Börsen-Zeitung, 28.8.2015 Beim Medienkonzern Axel Springer gab es in jüngster Zeit mehr gescheiterte Vorhaben als Erfolge. Erst musste sich der einst mächtige, weil meinungsmachende Herausgeber der "Bild"-Zeitung und der...

Axel Springer mutiert von Print zu Digital

Von Ulli Gericke, BerlinBeim Medienkonzern Axel Springer gab es in jüngster Zeit mehr gescheiterte Vorhaben als Erfolge. Erst musste sich der einst mächtige, weil meinungsmachende Herausgeber der “Bild”-Zeitung und der nicht ansatzweise so tonangebenden “Welt” in letzter Sekunde beim beabsichtigten Erwerb der “Financial Times” geschlagen geben, die an die japanische Finanzgruppe Nikkei ging. Dann wurden alle Überlegungen eines Zusammengehens von Springer und ProSiebenSat.1 sang- und klaglos begraben. Stattdessen wollen beide Konzerne, die gemeinsam auf eine Marktkapitalisierung von rund 15 Mrd. Euro gekommen wären, bei der Förderung digitaler Start-ups zusammenarbeiten – “um den Digitalstandort Deutschland auch international besser zu positionieren”. Gut gebrüllt, Löwe.Ausgehend von diesem wenig erfreulichen “news flow” sind die Urteile von Analysten im Großen und Ganzen deutlich optimistischer – weil das Alltagsgeschäft der Berliner rund läuft, wenn nicht sogar besser als erwartet. Von den zwölf Bewertungen, die in den vergangenen drei Wochen nach Vorlage der Halbjahreszahlen abgegeben wurden, plädieren acht auf “Neutral” mit (teils angehobenen) Kurszielen zwischen 52 und 62 Euro. Drei Empfehlungen lauten auf “Buy”, nur eine rät “Sell”. Aktuell notiert der MDax-Wert mit 53,36 Euro am unteren Rand dieser Spanne.Das zweite Quartal habe die Erwartungen in allen Belangen übertroffen, schreibt etwa HSBC-Analyst Christopher Johnen, dessen Urteil unverändert auf “Kaufen” lautet. Dagegen beließ Kepler Cheuvreux ihre Empfehlung bei “Reduce” mit einem Kursziel von 50 Euro. Das Online-Anzeigengeschäft verlaufe zwar solide, meint Analystin Andrea Beneventi. Es bestehe aber das Risiko, dass der Medienkonzern bei seiner Suche nach Online-Nachrichtenplattformen für Zukäufe zu viel Geld ausgebe.Während hinter Beneventis Befürchtung durchaus Fragezeichen gesetzt werden können, ist Johnens Urteil, die Erwartungen seien in allen Belangen übertroffen worden, ohne Abstriche zuzustimmen – in jeder Richtung! Zwar expandiert das digitale Geschäft ohne Ende. Umgekehrt verlieren Zeitungen jedoch ungebremst an Auflage. Hier zeichnet der Zwischenbericht von Deutschlands größtem Zeitungsverlag eine durchaus dramatische Entwicklung. Binnen Jahresfrist verloren das Flaggschiff “Bild” und das Berliner Schwesterblatt “BZ” jeweils fast 7 % der Leser. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) der Sparte Bezahlangebote brach um nahezu ein Drittel ein. Mit einer operativen Marge von immer noch knapp 13 % steht Springer freilich im Branchenvergleich immer noch glänzend da – dank der Cashcow “Bild”.Dieser landesweit schon seit längerem zu beobachtende Auflagenschwund bei nahezu allen Druckerzeugnissen war auch der Grund, weshalb Springer vor zwei Jahren diverse Zeitungs- und Zeitschriftentitel an die Funke Mediengruppe (um die “Westdeutsche Allgemeine Zeitung”, WAZ) verkauft hat – darunter auch Traditionsblätter wie das “Hamburger Abendblatt” oder die “Hörzu”, mit denen Axel Springer einst seinen Verlag begründete. Dennoch jubelte das Berliner Management, erlöste es doch mit der Abgabe dieses Printgeschäfts noch satte 920 Mill. Euro. Seitdem ist die Springer-Aktie von 32 auf rund 52 Euro geklettert.Dieser Verkauf veränderte auch das Verhältnis zwischen Print und Digital grundlegend. Steuerten die Digitalaktivitäten 2012 erst gut ein Drittel zum Ebitda bei, verdoppelte sich der Anteil binnen Jahresfrist. Heute, Mitte 2015, werden gut drei Viertel der operativen Gewinne im Internet erwirtschaftet. Nur noch 23 % des Ebitda kommen – trotz “Bild”-Zeitung – aus dem angestammten Printgeschäft, das immerhin noch für 38 % der Erlöse steht.Diesen veränderten Realitäten folgend hat Springer in seiner Segmentberichterstattung die althergebrachte Zeitung aufgeteilt in Rubriken- und Bezahlangebote, die (zu bezahlende) journalistische Angebote bündelt – egal ob in der gedruckten “Bild” oder der digitalen “Bild.de”. Die (Online-)Rubriken, die die früheren Werbeanzeigen in den Zeitungen abgelöst haben, sind inzwischen die Treiber des Springer-Geschäfts – auch dank geschickter Zukäufe. Allein die Stellenanzeigen, Wohnungsangebote oder Autoinserate erlösen – bei einer Wachstumsrate von gut 50 % – mittlerweile etwa halb so viel Umsatz wie die Zeitungen – und erzielen eine Ebitda-Rendite von satten 41,5 %.Die dritte und mit “nur” 11 % die margenschwächste Sparte sind Vermarktungsangebote, deren Erlöse durch reichweiten- oder erfolgsorientierte Werbekunden erzielt werden. Alle großen Firmen in diesem Segment wurden in den vergangenen Jahren akquiriert – ohne dass dem Management um Mathias Döpfner jemals ernsthaft vorgeworfen wurde, zu teuer eingekauft zu haben. Erbin sichert ihre MachtVielfältig sind dagegen die Beispiele, bei denen Springer klein beigab, weil der Preis in unrealistische Höhen schoss. “Wir hätten die ,Financial Times` sehr gerne erworben”, räumte der Vorstandschef vor Wochen ein, – “aber am Ende war der Preis für uns zu teuer.” Ähnlich war es, als die Telekom die Scout-Gruppe ins Schaufenster gestellt hatte. Auch hier zog sich Springer irgendwann zurück, verbunden mit dem trockenen Kommentar, bei den aufgerufenen Preisen und den Wachstumsprognosen rechne sich ein Kauf von ImmoScout 24 oder AutoScout 24 nicht mehr.Um dennoch weithin akquirieren zu können, ohne dass Verlagserbin Friede Springer ihre Durchgriffsrechte verliert, wandelt sich Springer derzeit von einer europäischen Aktiengesellschaft SE in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), so wie es auch die Dax-Werte Henkel oder Merck praktizieren. Dieser fortbestehende Machtanspruch von Axel Springers letzter Frau dürfte auch der Grund gewesen sein, weshalb das jüngst sondierte Zusammengehen von ProSiebenSat.1 und Springer scheiterte – denn im Gegensatz zum ersten Versuch vor neun Jahren ist ProSieben heute größer als die Berliner, ohne dass Friede Springer jedoch zurückstecken will.