GASTBEITRAG

Balkan-Anleihen zur Beimischung geeignet

Börsen-Zeitung, 24.9.2016 Die Weide am Anleihenmarkt der Eurozone ist abgegrast. Wer heutzutage mehr als 1,0 % Rendite pro Jahr auf Endfälligkeit erzielen möchte, hat die Wahl zwischen langlaufenden, illiquiden Unternehmensanleihen oder teuren...

Balkan-Anleihen zur Beimischung geeignet

Die Weide am Anleihenmarkt der Eurozone ist abgegrast. Wer heutzutage mehr als 1,0 % Rendite pro Jahr auf Endfälligkeit erzielen möchte, hat die Wahl zwischen langlaufenden, illiquiden Unternehmensanleihen oder teuren Peripheriestaatsanleihen aus Spanien und Italien. Ansonsten muss der Investor sein Heil in Ramschanleihen (Non Investment Grade) oder Fremdwährungsrisiken suchen. Eine häufig übersehene Alternative bieten indes Staatsanleihen in Euro, die außerhalb der Währungsunion emittiert werden. Kräftige KursgewinneVor allem Schwellenländer aus Osteuropa, Asien und Südamerika nutzen diese Finanzierungsquelle. Wer zu Jahresbeginn in das Segment der Euro-Staatsanleihen von Emerging Markets eingestiegen ist, konnte sich – neben den Kuponerträgen – bereits an kräftigen Kursgewinnen erfreuen. Gemessen am Merrill Lynch BBB EUR External Debt Index betrug der Gesamtertrag (Year-to-Date) 9,3 %. Mit vergleichbaren “BBB”-Euro-Unternehmensanleihen (Non Financials) konnten hingegen nur 7,6 %, mit italienischen Staatsanleihen sogar lediglich 4,3 % erwirtschaftet werden. Für europäische Investoren dürften vor allem Euro-Staatsanleihen aus Osteuropa interessant sein. Länder mit einem “A”-Rating, zum Beispiel Polen und Tschechien, bieten dabei kaum noch einen Mehrertrag gegenüber Bundesanleihen. Für den Renditejäger verbleiben im Grunde lediglich Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Kroatien. Letzteres verfügt indes über kein Investment-Grade-Rating (“BBB”), und Ungarn hat nur kurzlaufende Euro-Staatsanleihen ausstehen, die kaum Rendite abwerfen.Es verbleiben somit Rumänien und Bulgarien. Euro-Staatsanleihen dieser Länder werfen im mittleren bis langen Laufzeitbereich (sieben bis acht Jahre) immerhin noch eine Rendite von gut 1,50 % p. a. auf Endfälligkeit ab, was in etwa dem Niveau von Euro-Unternehmensanleihen (“BBB”, Non Financials) entspricht, aber mit 50 bis 70 Basispunkten deutlich über den italienischen und spanischen Pendants liegt. Aus fundamentaler Sicht haben die beiden Balkanländer vor allem einen besonderen Charme: Bei der Staatsverschuldung schneiden sie besser ab als viele Euro-Staaten. Sie würden derzeit das 3 %- und das 60 %-Maastricht-Kriterium erfüllen. In Rumänien lag die gesamtstaatliche Defizitquote 2015 bei 38 % des BIP, in Bulgarien sogar nur bei 27 %. Das ist die drittniedrigste Quote in der EU. Beim Wachstum ist wiederum Rumänien der Überflieger. So betrug dort der BIP-Zuwachs im zweiten Quartal 2016 stattliche 5,9 % im Vergleich zum Vorjahr – mehr als in allen anderen europäischen Ländern. Sonderkonjunktur lässt nachDazu haben auch Maßnahmen der rumänischen Übergangsregierung unter Ministerpräsident Dacian Ciolos beigetragen, welche die restriktive Fiskalpolitik der vergangenen Jahre beendet hat. Unter anderem wurde Anfang 2016 die Mehrwertsteuer um 4 Prozentpunkte gesenkt, gleichzeitig wurden die Mindestlöhne und Staatsgehälter kräftig erhöht. Alles zusammen löste dieses Jahr eine Sonderkonjunktur aus. 2017 dürfte der zyklische Schwung in Rumänien daher wieder abnehmen. Ein Einbruch ist derzeit aber nicht zu befürchten, weil das wirtschaftliche Fundament solide zu sein scheint. Etwas gemächlicher geht es in Bulgarien zu. Immerhin hat aber auch die bulgarische Wirtschaft nach einer langjährigen Wirtschaftskrise wieder Tritt gefasst und befindet sich seit Anfang 2014 im Aufwind. Im zweiten Quartal lag das Wachstum bei 3,0 %. Krisen und KorruptionDiese positiven Zahlen sollten Investoren aber nicht leichtsinnig werden lassen. Kritisch ist in beiden Ländern nach wie vor die politische Lage: Regelmäßige Regierungskrisen und Korruptionsskandale sind an der Tagesordnung. Zuletzt traf es in Rumänien die Regierung von Victor Ponta, die nach Massenprotesten der Bevölkerung im November 2015 zurücktreten musste. Ähnlich war es ein Jahr zuvor der bulgarischen Regierung ergangen, die überdies mit einem Bank Run zu kämpfen hatte.Inzwischen hat sich zwar die Lage in den jüngsten EU-Mitgliedstaaten stabilisiert. Dennoch ist das politische Umfeld ein latenter Risikofaktor. Dies und die bereits deutlich gesunkenen Risikoprämien sprechen dafür, Vorsicht walten zu lassen und beide Länder nur als attraktive Portfoliobeimischung zu betrachten.—-Daniel Hartmann, Senior Analyst Economics beim Anleihemanager Bantleon