DEVISENWOCHE

Band des Rubel zum Rohölpreis lockert sich

Von Thomas Meißner *) Börsen-Zeitung, 10.9.2019 Vor dem Hintergrund einer mauen, kraftlosen realwirtschaftlichen Entwicklung in Russland überraschte vielleicht die Entwicklung des Rubel am Devisenmarkt in der ersten Hälfte dieses Jahres. Bei der...

Band des Rubel zum Rohölpreis lockert sich

Von Thomas Meißner *)Vor dem Hintergrund einer mauen, kraftlosen realwirtschaftlichen Entwicklung in Russland überraschte vielleicht die Entwicklung des Rubel am Devisenmarkt in der ersten Hälfte dieses Jahres. Bei der russischen Landeswährung war zwischen dem Jahresbeginn und Ende Juli ein stabiler Aufwertungstrend zu beobachten. Hierbei ging es von Werten um die 80 Rubel je Euro hinab in die Regionen um die 70 Rubel. Eine Schwächeperiode bis in den Mai hinein, wie sie viele andere Devisen der aufstrebenden Volkswirtschaften 2019 erlebten, gab es bei der russischen Landeswährung nicht. Nun, seit Anfang August, hat der Rubel eine gewisse Trendwende vollzogen. Aktuell gibt er der Tendenz nach etwas ab, ähnlich wie die Währungen aus Brasilien, Südafrika, Mexiko oder Polen. Globale und interne KräfteAm Rubel zerren zum einen internationale, zum anderen interne Kräfte. Im Verlaufsbild am Devisenmarkt schlagen sich dabei gar nicht mal so sehr geopolitische Tendenzen wie die Sanktionen vieler westlicher Staaten gegenüber Moskau oder die Antworten des Kreml in Form von Gegensanktionen nieder. Vielmehr wirken auf den Rubel fundamentalökonomische Einflussfaktoren nennenswert ein, jenseits der Weltpolitik.Schreiben wir diese Faktoren fort, ergibt sich ein leicht geändertes Muster, als wir es aus der Vergangenheit gewohnt sind. Wichtige EnergieexporteUnverändert notwendig zur Rubelanalyse ist zweifelsohne eine Betrachtung des Ölpreises. Steigt der Preis für ein Fass Rohöl, geht es mit dem Rubel aufwärts, fällt der Rohölpreis, gerät auch der Rubel schnell ins Hintertreffen – keine Überraschung im Falle eines Landes, das mehr als Hälfte seiner Exporteinnahmen aus dem Verkauf von Energie zieht. Auffällig an dieser Stelle: Während der Rohölpreis dieses Jahr sein zyklisches Hoch Mitte Mai sah, begann der Rubel erst Anfang August abzuwerten.Der Gleichlauf zwischen Rohölpreis und Rubel ist lockerer geworden, und dies nicht von ungefähr. Russland hat sich ein Stück weit unabhängiger gemacht von der Entwicklung am Ölmarkt. Zentrales Element hierbei: die Vorgabe, alle Zusatzeinnahmen im öffentlichen Budget oberhalb einer Schwelle von 40 US-Dollar je Fass Rohöl beiseitezulegen für schlechte Zeiten. Garniert wurde diese Fiskalregel Mitte des laufenden Jahrzehnts mit der Maßgabe, dass der Rubel an den Devisenmärkten freier schwanken darf als zuvor. Im Ergebnis hat die Zentralbank ihre Hände nunmehr frei, um sich nahezu vollständig auf die Gewährleistung von Preisniveaustabilität zu konzentrieren.Das Mandat, für makroökonomische Stabilität zu sorgen, nimmt die Bank Rossii ernst. So erhöhten die Währungshüter 2018 ihren Leitzins zweimal um jeweils 25 Basispunkte, um einem vorübergehenden Inflationsschub zu begegnen. Die Kritik an diesem Kurs der Notenbank fiel scharf aus. Kritik an GeldpolitikNicht nur in den Vereinigten Staaten oder im Euroraum wird das Handeln der Zentralbank kommentiert. In Russland übernahm zuletzt Wirtschaftsminister Maxim Oreschkin die Rolle eines Sprachrohrs der Kritiker. Er verwies darauf, dass ein makroökonomisches Kennzeichen Russlands 2018 und 2019 in einer restriktiven Fiskalpolitik bestand.Erstmals nach fünf langen Jahren mit Haushaltsdefiziten erwirtschaftete der Staat 2018 wieder einen Haushaltsüberschuss. Zudem war für den Jahresbeginn 2019 eine Erhöhung der Umsatzsteuersätze beschlossen worden. Der Staat sparte – nach Oreschkin kein Zeitpunkt, auch noch eine restriktive Geldpolitik zu fahren. Die Rubelaufwertung in der ersten Jahreshälfte erklärt sich so gesehen aus einer vorsichtigen Geldpolitik im Inland, während im Ausland, so in den Vereinigten Staaten oder im Euroraum, die Geldpolitik auf eine Lockerung zusteuerte. Zwischenzeitlich haben Zentralbankchefin Nabiullina und ihre Kollegen dreimal den Leitzins gesenkt auf nunmehr 7 %.Russlands Fiskalpolitik dürfte in überschaubarer Zeit in Richtung Expansion drehen. Präsident Wladimir Putin hat seine Administration angewiesen, im Rahmen einer Vielzahl “Nationaler Projekte” eine Art “Seidenstraße im Kleinen” umzusetzen: Einen Ausbau des Hochgeschwindigkeitsbahn- sowie des Autobahnnetzes, einen neuen Wolgaübergang und anderes mehr sollen die öffentlichen Haushalte in den verbleibenden Jahren der Putin-Ära stemmen. Die Finanzierung ist nicht in jedem Falle bereits jetzt gesichert, aber Investitionen in einer Größenordnung eines umgerechnet dreistelligen Milliarden-Euro-Betrages könnten zusammenkommen. Wird die russische Zentralbank auch zukünftig eine vergleichsweise restriktive Geldpolitik verfolgen und trifft dies in den kommenden Jahren auf eine expansive Fiskalpolitik, so lautet die Wirkung laut volkswirtschaftlichem Lehrbuch: Rubel-Aufwertung. Weniger abhängigBei alledem wird der Rohölpreis weiterhin eine nennenswerte Rolle für den Rubel-Außenwert spielen. Auch die “Nationalen Projekte” werden die russische Volkswirtschaft nicht so weit diversifizieren, dass diese nicht mehr als Rohstoffwirtschaft fungiert.Dennoch: Sollte die Weltwirtschaft in den kommenden Monaten weiter auf eine Rezession zusteuern, mag der Rohölpreis zwar nachgeben. Den Rubel wird dies aber wohl weniger tangieren als in vergleichbaren Phasen der Vergangenheit. *) Thomas Meißner leitet die Abteilung Strategy-Research bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW).