Bank of America erwartet Goldpreis von 3.000 Dollar
Bank of America erwartet Goldpreis von 3.000 Dollar
Notierung des Edelmetalls klettert erstmals deutlich über Marke von 2.400 Dollar – Geopolitik, Angst vor Sanktionen und algorithmischer Handel am Werk
Die Rally des Goldpreises hat sich am Freitag noch einmal deutlich beschleunigt. Erstmals wurde ein Niveau deutlich oberhalb von 2.400 Dollar erreicht. Das muss noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Die Analysten der Bank of America rechnen bereits mit einem Goldpreis von 3.000 Dollar im kommenden Jahr.
Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt
Die Rally des Goldpreises hat sich am Freitag noch einmal stark beschleunigt. Das gelbe Metall hat im Spothandel erstmals ein Niveau von 2.431,29 Dollar je Feinunze erreicht. Am Abend notierte Gold dann mit 2.429,71 Dollar, ein ungewöhnlich hoher Tagesgewinn von 2,4%. Im bisherigen Jahresverlauf hat sich damit das Edelmetall um mehr als 20% verteuert, gegenüber dem Tief von Anfang Oktober vergangenen Jahres ergibt sich ein Aufschlag von 33%. Der Goldpreis in Euro markierte am Freitag ebenfalls ein Rekordhoch von 2.285,22 Euro.
Nach Einschätzung vieler Analysten dürfte sich die Hausse fortsetzen. Mit Michael Widmer von der Bank of America rechnet ein prominenter amerikanischer Rohstoffanalyst damit, dass der Goldpreis im kommenden Jahr auf 3.000 Dollar steigen wird.
Ungewöhnliches Verhalten seit 2022
Gold zeigt seit ungefähr 2022 ein im langfristigen historischen Vergleich ungewöhnliches Verhalten. So ist seitdem die zuvor enge umgekehrte Korrelation zu den realen Zinsen in den USA gemessen an der um die Inflationsrate bereinigten Rendite zehnjähriger US-Treasuries nicht mehr zu beobachten (vgl. Grafik). Der Goldpreis hat auf den Wiederanstieg des Zinsniveaus als Folge der Leitzinsanhebungen der US-Notenbank Federal Reserve und der Europäischen Zentralbank nicht mit einer Baisse reagiert, obwohl die Opportunitätskosten der Goldhaltung deutlich gestiegen sind. Mit dem starken Ausbruch nach oben im laufenden Jahr scheint die Korrelation bis auf Weiteres gar nicht mehr zu existieren. „Der Goldpreis hat sich in den vergangenen Monaten als erstaunlich robust erwiesen, wenn man berücksichtigt, dass die Notenbanken rund um die Welt ihre Geldpolitik verschärften“, erläutert Widmer.
Widmer führt die jüngsten Preisanstiege vor allem auf ausgeprägte Investment-Käufe in China sowie auf die sehr starken Käufe der Notenbanken zurück, die im vergangenen Jahr rund 20% der gesamten Goldnachfrage ausmachten. Er weist darauf hin, dass aber diejenigen Nachfragergruppen, die erforderlich seien, um eine Rally am Laufen zu halten, bisher eher durch Abwesenheit glänzten. So seien die von den Exchange-Traded Funds (ETFs) verwalteten Mittel bisher rückläufig, und an den Terminmärkten seien die von branchenfernen Adressen gehaltenen Netto-Long-Positionen in einer Spanne gefangen. „Wir glauben, dass diese Investoren auf die Zinssenkungen warten. Sobald diese erfolgen, sollte es am Markt auf einer breiteren Basis zu Goldkäufen kommen, was den Goldpreis weiter nach oben treiben sollte.“ Zudem seien Goldkäufe im Westen erforderlich, um den Goldpreis zu stützen, falls sich das Investment-Sentiment in China verbessere, sodass dort weniger Mittel in Gold fließen. Bislang aber seien in China andere Assets wie Aktien und Immobilien keine attraktive Alternative zu Gold.
Andere Analysten verweisen auf die weiter zunehmenden geopolitischen Spannungen vor allem im Nahen Osten, aber auch auf die verstärkten Aktivitäten aus dem Bereich des algorithmischen Handels, der in der Regel von der Marktdynamik getrieben ist. Kurzfristig wird zudem auf die Erzeugerpreise in den USA verwiesen, die zuletzt schwächer als gemäß der Konsensschätzung erwartet hereingekommen waren.
Sanktionsfolgen
Es gibt nach Ansicht einiger Marktteilnehmer aber noch einen weiteren Faktor, der den Goldpreis nach oben drückt. Sie verweisen darauf, dass sich die Rally gegen Ende Februar deutlich beschleunigt (vgl. Chart) und dieses Tempo seither beibehalten hat. Dies korreliere auffällig damit, dass die USA, Großbritannien und die EU zu dieser Zeit ihre Bestrebungen, die eingefrorenen russischen Zentralbankgelder und sonstigen Finanz-Assets zu enteignen und der Ukraine zur Verfügung zu stellen, deutlich verstärkt haben. So hatte sich die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 28. Februar öffentlich dafür ausgesprochen, zumindest die Anlagegewinne der eingefrorenen Assets zu enteignen und für Militärhilfe für die Ukraine zu verwenden. Diesem Vorgehen stimmten dann am 22. März die Regierungschefs der EU zu. Zeitgleich dazu vollführte der Goldpreis einen weiteren Sprung nach oben.
Ein solches Vorgehen der Enteignung von Mitteln eines anderen Staates hat es bislang noch nicht gegeben, da derartige Zentralbankmittel wegen des Vorbehalts staatlicher Souveränität als unantastbar galten. Dass ein solcher Schritt Schockwellen im internationalen Finanzsystem auslösen könnte, scheint auch den EU-Politikern klar zu sein. So hatte der belgische Premierminister Alexander De Croo laut Politico eingeräumt: „Was wir brauchen, ist ein rechtlicher Rahmen und eine Möglichkeit, dies zu tun, ohne die internationalen Finanzströme zu destabilisieren. Die makroökonomischen Implikationen sind ziemlich groß.“ Nach Einschätzung von Marktteilnehmern könnte ein solcher Schritt und vor allem bereits angekündigte Gegenmaßnahmen Russlands zu Verwerfungen im internationalen Finanzsystem führen, was eine Flucht in Sicherheit auslösen würde – wofür der starke Anstieg des Goldpreises bereits ein Indiz ist. Zudem könnten Institutionen und Individuen, die damit rechnen, sie könnten auch einmal Ziel von Sanktionen werden, verstärkt in das fungible und außerhalb des Finanzsystems transportable Gold investieren, um ihre Mittel vor den Zugriffen zu schützen.
Silber wird mit nach oben gezogen
Vom Anstieg des Goldpreises profitiert auch die Notierung von Silber – der Preis dieses Metalls folgt dem Goldpreis normalerweise eng. Am Freitag verteuerte sich Silber um 4% auf 29,62 Dollar je Feinunze. In der Spitze wurden 29,89 Dollar erreicht, was den höchsten Stand seit 2013 darstellt. Das Allzeithoch von Silber wurde allerdings im Jahr 2011 mit in der Spitze fast 50 Dollar markiert. Michael Widmer von der Bank of America rechnet auch bei Silber mit einer Fortsetzung des Anstiegs. Für die kommenden zwölf Monate geht er von Preisniveaus oberhalb der Marke von 30 Dollar je Unze aus.