GASTBEITRAG

Bank of Japan sorgt für Risiken an den Märkten

Börsen-Zeitung, 10.4.2018 Bei der japanischen Zentralbank, der Bank of Japan (BoJ), arbeiten insgesamt rund 4 600 Menschen. Darunter sind sehr viele sehr gut ausgebildete Ökonomen. Betrachtet man allerdings die öffentlichen Statements der BoJ,...

Bank of Japan sorgt für Risiken an den Märkten

Bei der japanischen Zentralbank, der Bank of Japan (BoJ), arbeiten insgesamt rund 4 600 Menschen. Darunter sind sehr viele sehr gut ausgebildete Ökonomen. Betrachtet man allerdings die öffentlichen Statements der BoJ, könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Bank ganz grundsätzliche mikroökonomische Regeln schlicht missachtet. Die Wächter der japanischen Währungsstabilität scheinen bemüht, insbesondere den Teil ihrer Ausbildung zu vergessen, der sich mit den Gesetzmäßigkeiten eines Monopolisten beschäftigt. Denn ein Monopolist kann entweder den Preis oder aber die Menge des Gutes festschreiben, das er bereitstellt – nicht aber beides gleichzeitig. Legt der Monopolist den Preis der Ware fest, werden die Verkaufszahlen entsprechend den Veränderungen in der Nachfrage schwanken. Legt er die angebotene Menge fest, schwankt hingegen der Preis mit der Nachfrage. Die Ambition, sowohl die Menge als auch den Preis festschreiben zu wollen, ist zum Scheitern verurteilt. Gleicher Preis, gleiche MengeDieser Grundsatz ist für die BoJ insofern relevant, als sie seit September eine Politik des “quantitativen und qualitativen Easing mit Zinskurvensteuerung” verfolgt. Dieser geldpolitische Rahmen führte die Zentralbank zu der beunruhigenden doppelten Verpflichtung, sowohl die Preise als auch die Menge konstant zu halten. Die BoJ kauft japanische Staatsanleihen in dem Maße, dass die Renditen auf 10-jährige Anleihen bei etwa null Prozent bleiben. In Bezug auf die Kaufmenge will die BoJ das Tempo der Ankäufe mehr oder weniger beibehalten. Das wäre gleichbedeutend mit jährlichen Käufen in einem Umfang von etwa 80 Billionen Yen. In der Praxis hat diese Politik seither die zehnjährigen Renditen in Japan erfolgreich auf nahe null gehalten. Doch das zweite Versprechen bricht die Bank of Japan. Das Ankaufvolumen ändert sich. Die BoJ bekräftigt zwar nach jeder Sitzung, das Tempo mehr oder weniger gleichmäßig zu halten. In der Realität aber dehnt die Zentralbank die Ausmaße des “mehr oder weniger” bis an den Rande einer Lüge aus: Denn die jährliche Ankaufrate ist um 25 % auf lediglich 60 Bill. Yen gesunken. Die Nachfrage hatte sich verändert und mit ihr die angebotene Menge, die nötig ist, um einen fixierten Preis zu erhalten. Der empirische Beweis für die mikroökonomische Monopoltheorie: Nicht beide Variablen lassen sich festlegen. Welche Auswirkungen hat das? Bedenken hinsichtlich einer unwillkommenen Aufwertung des Yen sind vermutlich der Grund dafür, dass die BoJ öffentlich eine Abschwächung des Anleihekaufprogramms bestreitet. Allerdings wird die Bank in nicht allzu ferner Zukunft die sprachliche Elastizität von “mehr oder weniger” ausgereizt haben. Eine Aufwertung des Yen in diesem Jahr wird also eine zunehmend reelle Sorge, je weniger die japanische Währung mit den Renditen von US-Staatsanleihen korreliert.Denn in der Vergangenheit bewegte sich der Dollar-Yen-Wechselkurs im Einklang mit den Renditen auf zehnjährige US-Staatsanleihen nach oben (schwächerer Yen) wie nach unten (stärkerer Yen). Mit ihrer Verpflichtung, die Renditen auf japanische Staatsanleihen etwa bei null Prozent zu halten, hat die Bank of Japan ihre Geldpolitik quasi an die US-amerikanische Zentralbank Fed ausgelagert. Fallen also die globalen Renditen, kauft die BoJ weniger Anleihen, strafft so die Geldpolitik und stärkt den Yen. Steigen die Renditen hingegen, kauft die Zentralbank mehr Anleihen, um den Aufwärtsdruck auf die japanischen Renditen auszugleichen. Diese expansive Geldpolitik schwächt den Yen, der Wechselkurs mit dem Dollar folgt der Renditeentwicklung. Verharrten die Renditen weltweit lange auf historischen Tiefstständen, kam zuletzt wieder Bewegung in die Entwicklung. Entsprechend der Gesetzmäßigkeit, die die Bank of Japan sich selbst gegeben hat, müsste sie also verstärkt Anleihen kaufen. Stattdessen strafft sie de facto die eigene Geldpolitik. Der Rückgang der japanischen Wertpapierkäufe ist jedoch auch Teil des globalen Trends zur “quantitativen Straffung”. Eine globale Einschränkung der Geldpolitik dürfte in diesem Jahr verstärkt zum Thema werden. Dieser Trend steht im Einklang mit der Reduzierung der Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank (EZB). Die Fed senkt zudem den Bestand an gehaltenen Anleihen insgesamt. Es stellt sich also die Frage, ob Anleger besorgt sein sollten bezüglich einer möglichen globalen Disruption, ausgelöst durch die bedeutend geringeren Anleihekäufe der BoJ. Einiges spricht dafür, dass die Anleihekäufe der Bank of Japan japanische Investoren in zunehmend risikoreichere Anlagen in Übersee gezwungen haben. Doch die Daten deuten tatsächlich eher auf eine andere Entwicklung hin. In Europa haben die Negativzinsen sowie die massiven Anleihekäufe der EZB dazu geführt, dass Investoren deutlich verstärkt im Ausland Geld anlegten. Auf Nettobasis haben die Europäer in den vergangenen zwölf Monaten Auslandsanleihen in Höhe von rund 600 Mrd. Euro gekauft. Dynamik löst sich aufIn Japan hingegen hat die gleiche Politik zwar kurzfristig ebenfalls verstärkte Anleihekäufe ausgelöst, diese Dynamik hat sich seitdem aber vollständig aufgelöst. Angesichts der Tatsache, dass die Investitionsströme von Japan aus in den Rest der Welt von der Geldpolitik der BoJ nicht nachhaltig verstärkt wurden, ist unklar, warum eine Änderung der Politik große Auswirkungen in die entgegengesetzte Richtung haben sollte.Die Bank of Japan versucht also den Markt davon zu überzeugen, dass sie ihre bewährte Politik fortsetzt, obwohl sie tatsächlich die Anleihekäufe um ein Viertel reduziert hat. Das ist ein weiterer Grund, sich Sorgen um eine mögliche Yen-Aufwertung zu machen. Ob dies ein ernst zu nehmendes Risiko für globale Risikoanlagen darstellt, wird sich jedoch zeigen. Die Risikoszenarien sind derzeit vielfältig.—-Christopher Jeffery, Fixed Income Strategist, Legal & General Investment Management—– Personen Seite 16