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Bankanleihen auf der Achterbahn

Von Günther Scheppler *) Börsen-Zeitung, 9.7.2020 Beim Blick auf die Renditeentwicklungen im laufenden Jahr kann einem schwindelig werden - zum Beispiel bei den Bankanleihen: Laut iBoxx-Index handelten diese zu Jahresbeginn bei einer...

Bankanleihen auf der Achterbahn

Von Günther Scheppler *)Beim Blick auf die Renditeentwicklungen im laufenden Jahr kann einem schwindelig werden – zum Beispiel bei den Bankanleihen: Laut iBoxx-Index handelten diese zu Jahresbeginn bei einer durchschnittlichen Rendite von 0,44 % (aktuelle Duration: 4,3 Jahre). Dann nahm die Corona-Pandemie in Europa ihren Lauf, und die Bankanleihen wurden Ende April in der Spitze mit einer Durchschnittsrendite von 2,35 % taxiert. Geldpolitische und fiskalpolitische Maßnahmen in völlig neuen Dimensionen haben danach zu einer immensen Rally der Anleihen geführt und die Rendite auf ein Zwischentief bei 0,60 % sinken lassen. Aktuell handeln die Anleihen im Schnitt wie-der auf einem Renditeniveau von 0,64 %. Risiken sind nicht vom TischNach der starken Rally in den vergangenen Wochen könnte man meinen, alles sei wieder im grünen Bereich – doch Vorsicht ist weiterhin geboten. Gerade in Bezug auf die Corona-Pandemie kann es aktuell keine Entwarnung geben. Noch immer steigen weltweit die Infektionszahlen. Das gilt insbesondere für Indien, Brasilien und die Vereinigten Staaten. In den USA sind in Texas, Florida, Kalifornien und Arizona die lokalen Regierungen dabei, dem erneuten Anstieg der Infektionszahlen entgegenzusteuern. Lockerungen von Corona-Auflagen könnten pausieren oder wieder ad acta gelegt werden. An diesem Beispiel zeigt sich, dass die Gefahr einer zweiten globalen Pandemiewelle nicht dem Reich der Fantasie entstammt. Sie ist real und kann weitere negative Folgen für die Ökonomie nach sich ziehen.Daneben gibt es noch zusätzliche Risikofaktoren. Die anhaltenden militärischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten, innenpolitische Probleme in den USA inklusive eines mittlerweile völlig offenen Rennens um die Präsidentschaftswahl im Herbst und ein möglicher “harter” Brexit zum Jahresende sind nur einige davon. Noch Chancen am MarktAngesichts des Potpourris an drohenden Risiken ist der Wunsch, den Kopf in den Sand zu stecken, zwar durchaus verständlich, bei der Generierung von finanziellen Erträgen allerdings wenig zielführend. Die glücklichen Investoren, denen es vergönnt war, auf dem diesjährigen Renditehoch in Bankanleihen einzusteigen, haben bis dato einen Total Return von satten 7,8 % erzielt, gemessen an der Entwicklung des Indexstandes.Doch selbst auf dem aktuellen Renditeniveau besteht noch immer die Chance, Zusatzprämien zu vereinnahmen, die angesichts einer noch vergleichsweise lange anhaltenden Niedrigzinsphase attraktiv sind. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat zu Protokoll gegeben, dass der Leitzins frühestens angehoben werden soll, wenn sich die Inflationsrate dem von der EZB gesetzten Zielwert von knapp 2 % nähert. Betrug die Preissteigerungsrate in der Eurozone zu Beginn des aktuellen Jahres noch 1,4 % im Jahresvergleich, beläuft sich der Wert im Juni nur noch auf 0,3 %. Dies ist immerhin eine kleine Steigerung gegenüber Mai, hier notierte die Inflationsrate mit 0,1 % sehr nahe am Nullpunkt.Das Erreichen des EZB-Inflationsziels erscheint in naher Zukunft, auch vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise, sehr unwahrscheinlich. Auf das Gesamtjahr bezogen dürfte die Preissteigerungsrate im aktuellen Jahr nur knapp über dem Nullpunkt liegen. Im kommenden Jahr ist ein Wert von etwas mehr als 1 % denkbar. Das Zinsumfeld wird sich somit zunächst kaum ändern und auf niedrigem Niveau verharren. Aktuell wird die Bundesanleihe mit einer Laufzeit von vier Jahren mit einer Rendite von minus 0,68 % gehandelt. Somit weisen Bankanleihen im Durchschnitt derzeit eine Risikoprämie gegenüber Bunds von 132 Basispunkten auf. Angesichts einer anhaltenden Niedrigzinsphase sind Zusatzrenditen in dieser Größenordnung durchaus attraktiv. Retter in der NotInvestoren, die zum aktuellen Zeitpunkt in riskantere Anleiheklassen einsteigen, können allerdings nicht mehr mit einer Total-Return-Performance in der Größenordnung rechnen, wie sie in den letzten Wochen erzielt werden konnte. Der Großteil der Spread-Einengungen ist bereits erfolgt. Im Gegenzug dürften sich die Spread-Ausweitungen, wenn sich negative Effekte aus den noch immer existierenden Risikofaktoren materialisieren, in Grenzen halten.Die Zentralbanken weltweit und allen voran Fed und EZB betonen seit Monaten gebetsmühlenartig, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um Turbulenzen an den Finanzmärkten zu minimieren. Und den Worten sind Taten gefolgt. Die Zentralbanker haben zuletzt mit Maßnahmenpaketen aufgewartet, die historisch ihresgleichen suchen. Insbesondere die diversen Anleihekaufprogramme haben zur Marktberuhigung beigetragen.Der Erfolg des beherzten Eingreifens der Währungshüter lässt sich auch in Zahlen ausdrücken. Zu Zeiten der Finanzkrise und Staatsschuldenkrise haben die Bankanleihen in der Spitze mit Risikoaufschlägen von 286 respektive 294 Basispunkten im Asset-Swap-Spread gehandelt, gemessen an den entsprechenden iBoxx-Notierungen. In der aktuellen Krise waren es “nur” 230 Basispunkte. Dabei darf nicht vergessen werden, dass mittlerweile spezielle Abwicklungsregelungen geschaffen wurden, die im Zweifelsfall sogar Verlustbeteiligungen unbesicherter vorrangiger Gläubiger vorsehen. Heutige Bankanleihen sind somit im Vergleich zu jenen in den letzten Krisen zumindest auf dem Papier riskanter geworden.Dennoch ist mit einer erhöhten Volatilität in der Entwicklung der Risikoaufschläge in den kommenden Monaten zu rechnen. Die Unberechenbarkeit der Pandemie kann immer wieder zu Spread-Ausweitungen führen, die sich mit neuen Lichtblicken aber wieder zurückbilden dürften. Sollte eine globale zweite Infektionswelle ausbleiben und die Pharmaindustrie ein wirksames Medikament oder einen Impfstoff in nicht allzu ferner Zukunft auf den Markt bringen können, dürfte sich die Wirtschaft Ende des aktuellen Jahres und über das kommende Jahr hinweg erholen. Davon zeugen bereits ansteigende Stimmungsindikatoren und vereinzelte Wirtschaftsdaten. Im Zuge dieser Entwicklung dürften die Risikoaufschläge weiter abnehmen. Große Profiteure vom wirtschaftlichen Aufschwung werden die Bankanleihen zunächst allerdings nicht sein.Just zu dem Zeitpunkt einer konjunkturellen Erholung laufen voraussichtlich auch die staatlichen Hilfsprogramme für Unternehmer aus. Ohne die staatliche Hilfe ist ein Anstieg der Insolvenzen, und damit verbundene Kreditausfälle, nicht auszuschließen. Den Banken drohen somit in einer Aufschwungphase zunächst Ergebnisbelastungen, die einer stärkeren Spread-Einengung entgegenwirken sollten. Die Total-Return-Entwicklung der Bankanleihen in den kommenden zwölf Monaten dürfte somit geringer ausfallen als bei vergleichbaren Unternehmensanleihen außerhalb der Finanzbranche, aber dennoch oberhalb der Marke von 1 % liegen. *) Günther Scheppler (CEFA) ist Analyst bei der DZ Bank.