Bankanleihen im Sog der Sorgen
Von Jörg Birkmeyer *)An Krisensemantik herrscht derzeit kein Mangel. Von Vertrauensentzug, Sorge und Angst war in den zurückliegenden Wochen in den Medien vielfach die Rede. Damit wurde das Marktsentiment, die den Investoren zugeschriebene Gemütslage angesichts der Markturbulenzen, zu beschreiben versucht, welche die gesamte Passivseite von Banken erfasste. Die seit Jahresanfang bereits unter Druck stehenden Bankaktien gingen in der zweiten Februarwoche – überspitzt formuliert – in den freien Fall über. Die Risikoprämien insbesondere von nachrangigen Anleihen, aber auch von Senior-Bonds und selbst von Covered Bonds weiteten sich in einem hypernervösen und von geringer Liquidität gekennzeichneten Marktumfeld schnell aus. Die Turbulenzen waren beileibe nicht nur auf den europäischen Bankensektor beschränkt, hier allerdings am stärksten und je nach Sitzland und Assetklasse in unterschiedlichem Ausmaß ausgeprägt. Gleichzeitig waren “Krisenwährungen” wie Gold oder “sichere Häfen” wie Bundesanleihen stark gefragt. Breites DeutungsspektrumDas Deutungsspektrum dieser Entwicklungen ist relativ breit. Für die einen handelt es sich um den Auftakt einer neuen Finanzkrise oder um die Rückkehr der alten. Andere halten den Kursverfall für eine marktseitige Übertreibung, die, nicht selten unter Verweis auf die inzwischen stärkere Kapitalisierung der Banken, keinen Anlass böte, sich grundsätzliche Sorgen zu machen, sondern eine mahnende Erinnerung für Investoren sei, sich mit den Fundamentaldaten von Banken zu beschäftigen. Beide Deutungsvarianten, die alarmistisch anmutende wie auch die unbekümmert erscheinende, könnten sich als unzureichend und unzutreffend erweisen.Neben Kurseinbrüchen bei Bankaktien manifestierten sich die Turbulenzen auch in emporschnellenden Preisen für Kreditausfallversicherungen (CDS) für Banken und Risikoprämien für hybride Kapitalinstrumente, die eine hohe Korrelation mit Aktienkursen aufweisen. Sorgen über die Fähigkeit von Banken, Kuponzahlungen auf ihre Tier-1-Anleihen vornehmen zu können, – im Fokus stand vor allem die Deutsche Bank – wie auch eine grundsätzliche Skepsis in Bezug auf die Stabilität des Banken- und Finanzsystems haben rasant zugenommen.Während die durchschnittlichen CDS-Preise, die sehr viel dynamischer und stärker zulegten als die Risikoprämien erstrangiger Bankanleihen, sich ebenso wie die durchschnittlichen Spreads hybrider Kapitalinstrumente in den zurückliegenden Tagen wieder ein Stück weit einengten, liegen die durchschnittlichen Risikoprämien für unbesicherte Bankanleihen nahezu unverändert auf einem um etwa 25 Basispunkte höheren Niveau als zu Jahresanfang. Ungutes GebräuMehrere Belastungs- und Risikofaktoren gleichzeitig trübten die Stimmung der Akteure an den Finanzmärkten. Dass es sich hierbei um ein ungutes Gebräu handelt, wird anhand der nur schlaglichtartig und exemplarisch genannten Aspekte deutlich, die eines gemeinsam haben: potenzielle direkt oder indirekt negativ wirkende Implikationen auf Bankbilanzen unbekannten Ausmaßes. Zu den imaginierten Bedrohungen gehört ein Wachstumseinbruch oder eine deutliche Abschwächung der Weltwirt-schaft, befördert durch eine stärkere Konjunkturabkühlung in China, wo die Schuldenakkumulation des Unternehmenssektors stark gestiegen ist, und anderen Schwellenländern. Auch in Bezug auf die Konjunkturentwicklung in den USA sind ein Anstieg der Unsicherheit und eine stärkere Betonung der Abwärtsrisiken festzustellen.Zum anderen, und damit zusammenhängend, sorgt man sich vor den Auswirkungen des Verfalls der Rohstoffpreise, allen voran des Ölpreises, auf die wirtschaftliche und fiskalische Lage der rohstoffexportierenden Länder sowie der in diesem Segment aktiven Unternehmen und damit auf das ölsensitive Exposure von Banken. Und die Eurozone im Ganzen ist weiterhin von einer nur schwachen Wirtschaftsentwicklung und Investitionstätigkeit, anhaltenden Deflationsgefahren und der Krise des “europäischen Projekts” (“Flüchtlingskrise”, “Brexit”) geprägt.Zu den ökonomischen Risikofaktoren gesellen sich schließlich geopolitische Risiken. Auch die Lösungsfähigkeit der Notenbanken wird zunehmend in Frage gestellt, wie man an der zunehmenden Diskussion über das Für und insbesondere das Wider der quantitativen Lockerung (QE) und der Einführung oder Erhöhung negativer Zinsen ablesen kann. Zunehmend scheint sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass sich die geldpolitischen Möglichkeiten von Notenbanken erschöpft haben, sie nicht alle Probleme lösen können, beziehungsweise neue schaffen (Preis-blasen, Erhöhung der wachstumshemmenden Ungleichheit). Vor diesem Hintergrund hat die EZB jüngst auch ihre Forderung an die Finanzpolitik erneuert, mehr Anstrengungen im Bereich öffentlicher Investitionen zu unternehmen. Schwächstes GliedWarum haben die Kurse von Bankpapieren stark nachgegeben? Die kurze Antwort lautet: weil Banken das schwächste Glied in der Wirtschaftskette sind, wie unlängst der Kolumnist der “Financial Times” Martin Wolf bemerkte: Erstens sind die Ertragsaussichten der Banken vor dem Hintergrund schwacher Wachstumsperspektiven, niedriger und negativer Zinsen sowie der flachen Zinskurve getrübt. Zweitens ist trotz der gestiegenen Kapitalisierung die Verschuldungsquote der Banken immer noch relativ hoch. Und drittens besitzen Großbanken Exposure gegenüber alles und jedem.Zudem gleichen Bankbilanzen einer Black Box, was nicht nur an dem undurchsichtigen Derivate-Exposure und an mangelnden Informationen zu den kontextabhängigen Risiken der Kreditbücher liegt, sondern auch mit spezifischen Bilanzierungsmethoden (“Fair Value”) und potenziellen Verlusten aus negativen Marktbewegungen in Verbindung steht.Zu den Kurseinbrüchen dürften darüber hinaus auch erschöpfte Risikobudgets von Fonds, aus fiskalischen Gründen vorgenommene Veräußerungen von Staatsfonds und Leerverkäufe verschiedener Akteure, entweder aus Gründen der Spekulation oder der Absicherung nachrangiger Bankanleihen, beigetragen haben. Auch das neue, seit Anfang 2016 geltende Bail-in-Regime, dürfte die Marktturbulenzen in nicht unerheblichem Ausmaß befördert haben.Auch wenn wir keine neue Finanz- und Wirtschaftskrise erwarten und die Preisbewegung bei Kapitalinstrumenten zudem kein zuverlässiges Prognoseinstrument ist, dürfte eine sich abflauende Weltkonjunktur in Verbindung mit der Wahrnehmung multipler Risiken dazu beitragen, dass die hohe Volatilität der Risikoprämien und Kurse kein vorübergehendes Phänomen sind. Vielmehr dürften sie zur Signatur der aktuellen Marktphase zählen, die man als stabile Instabilität bezeichnen kann.—-*) Jörg Birkmeyer ist Bankenanalyst bei der DZ Bank