US-Kommunalanleihen

Bankturbulenzen lösen Unsicherheit um Municipal Bonds aus

Der Billionenmarkt für US-Kommunalanleihen hat sich im ersten Quartal von einer historischen Schwäche erholt. Doch Analysten befürchten neue Rückschläge.

Bankturbulenzen lösen Unsicherheit um Municipal Bonds aus

Unsicherheit um Municipal Bonds

Trotz Performance-Aufschwungs bei US-Kommunalanleihen blicken Investoren nervös auf Bankturbulenzen

Der Markt für US-Kommunalanleihen hat sich im ersten Quartal 2023 von der historischen Schwäche des Vorjahres erholt. Doch hält sich unter Investoren bedeutende Unsicherheit. Denn zahlreiche kleine und mittelgroße Kreditinstitute, die zuletzt unter Druck geraten sind, halten große Positionen an Municipal Bonds.

Von Alex Wehnert, New York

Der Billionenmarkt für US-Kommunalanleihen entwickelt sich im bisherigen Jahresverlauf vergleichsweise robust – doch bei Investoren hält sich dennoch große Verunsicherung bezüglich der Aussichten der Papiere. Nachdem Municipal Bonds 2022 mit einem Minus von 8,3% die schwächste Performance seit 1981 hinlegten, kletterte ein Total-Return-Index von S&P für das Gesamtsegment im ersten Quartal 2023 um 2,8%, ein Barometer des Analysedienstleisters für den Hochzinsbereich stieg um 2,7%.

Im April hat sich die Stimmung aber wieder eingetrübt. Denn Investoren richten das Augenmerk verstärkt auf anhaltende Negativeffekte der jüngsten Turbulenzen im Bankensektor. Regionale Geldhäuser wie First Republic Bank, die infolge der fiskalischen und geldpolitischen Stimuli während der Corona-Pandemie einen starken Einlagenzustrom verzeichneten, investierten die überschüssigen Mittel in großem Stil in vermeintlich sichere Assets – darunter waren neben langlaufenden Treasuries und hypothekenbesicherten Wertpapieren staatlich geförderter Emittenten eben auch Kommunalanleihen. Zuletzt hielten US-Finanzinstitute gemäß der Federal Reserve 580 Mrd. Dollar an ausstehenden Municipal Bonds, insgesamt ist der Markt 4 Bill. Dollar schwer.

Analysten dürften die am Montag nach US-Börsenschluss zu veröffentlichenden Quartalszahlen der First Republic Bank über die kommenden Tage daher äußerst genau prüfen. Sie fürchten, dass das zuletzt durch Hilfen von Großbanken wie J.P. Morgan gestützte Geldhaus und weitere mittelgroße Kreditinstitute bei einem fortgesetzten Einlagenschwund gezwungen sein werden, großvolumig Positionen abzuverkaufen, um ihre Liquidität zu sichern. Mit dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank im März haben die Investoren ein Beispiel für eine solche Entwicklung schließlich noch frisch im Gedächtnis. Sollte der Markt kurzfristig mit Municipal Bonds geflutet werden, sind laut Analysten neue scharfe Wertverluste zu erwarten.

Dies könne sich umso schwerer auswirken, als das Angebot im Segment zuletzt ohnehin wieder angezogen hat. Laut dem Branchenverband Securities Industry and Financial Markets Association belief sich das Volumen der Neuemissionen nach einem Rückgang im Verlauf des vergangenen und zu Beginn des laufenden Jahres im März wieder auf 28,6 Mrd. Dollar. Gegenüber dem Vormonatswert stellt dies einen Zuwachs um fast 75% dar.

Kreditwürdigkeit herabgestuft

Dass sich die Stimmung bei den Banken und ihren Einlagenkunden schnell wieder bedeutend aufhellt, steht laut Moody’s jedenfalls nicht zu erwarten. Entsprechend stufte die Ratingagentur zum Abschluss der vergangenen Woche die Kreditwürdigkeit von US Bancorp und zehn Regionalbanken herunter – unter anderem mit Verweis auf gestiegene Risiken in den Gewerbeimmobilienportfolios.

Zuletzt kam es bereits zu einigen schweren Defaults im Segment, unter anderem die Allianz-Tochter Pimco leistete den Zinsdienst auf Kredite im Volumen von 1,7 Mrd. Dollar nicht mehr. J.P.-Morgan-CEO Jamie Dimon räumte im Rahmen der Zahlenvorlage zum Auftaktquartal bereits ein, dass es noch zu weiteren Liquiditätsverknappungen im Geschäft mit Gewerbeimmobiliendarlehen kommen könne. Bereits die bisherigen Ausfälle fördern das Misstrauen in den Finanzsektor allgemein – wirken sich aber auch auf den Markt für Municipal Bonds aus, weil Wertverluste von Bürogebäuden letztlich auch die Steuereinnahmen der Städte und Gemeinden belasten.

Auch am Markt für Municipal Bonds, an dem ungefähr 35.000 bundesstaatliche und lokale Regierungen als Emittenten auftreten, liegt den negativen Entwicklungen dabei vor allem der unsichere geldpolitische Ausblick der Federal Reserve zugrunde. Im März hob die US-Notenbank ihren Leitzins trotz der Verwerfungen im Bankensektor um weitere 25 Basispunkte in die Spanne von 4,75 bis 5% an, für die nächste Sitzung des Offenmarktausschusses in der kommenden Woche rechnen Ökonomen mit einer weiteren Erhöhung in dieser Größenordnung.

Steigende Kapitalmarktzinsen lasten vor allem auf der Stimmung von Bestandsinvestoren, die aufgrund der höheren Stabilität über Jahre auf Municipal Bonds setzten und dafür niedrigere Erträge als in anderen Assetklassen in Kauf nahmen. Immerhin, so hoffen Marktteilnehmer, könnte infolge der restriktiven Geldpolitik ein Vorteil wieder in den Fokus rücken, der historisch für Investitionen in Kommunalanleihen sprach. Denn Zinserträge auf die Papiere sind üblicherweise steuerfrei.

Ein Municipal Bond mit einer Rendite von 5% ist damit für Haushalte in der obersten Steuerklasse theoretisch genauso attraktiv wie ein zu versteuernder Titel – darunter fallen beispielsweise alle Unternehmensanleihen – mit einer laufenden Verzinsung von 8%. Dieser Faktor fiel in Jahren der Niedrig- und Nullzinspolitik logischerweise weg.

Abflüsse aus Fonds

Doch auch nach der geldpolitischen Wende seit dem vergangenen Frühjahr fällt das Investoreninteresse gedrückt aus. So zogen Marktteilnehmer laut dem Datendienstleister Refinitiv Lipper zuletzt wiederholt Mittel aus Anlagevehikeln auf Kommunalanleihen ab, Investmentfonds mussten beispielsweise neun aufeinanderfolgende Wochen mit Abflüssen ver­kraften.

Auch die Nachfrage nach Bonds selbst großer Metropolen fällt gedrückt aus. Chicago, nach mehreren aufeinanderfolgenden Rating-Upgrades von S&P in den Investment-Grade-Bereich aufgerückt, verzeichnete in den vergangenen Monaten zwar wieder eine Kurserholung bei seinen zwölfjährigen Generalobligationen, seit Ende 2021 haben diese aber immer noch nahezu 18% an Wert eingebüßt. Damit steht die drittgrößte US-Metropole noch wesentlich besser da als kleinere Emittenten wie North Carolinas Hauptstadt Raleigh oder das texanische Corpus Christi, deren vergleichbare Titel in diesem Zeitraum Kursrücksetzer von über 30 bzw. nahezu 40% hinlegten.

Geschichte als Hoffnung

Fondsmanager, die auf Kommunalanleihen setzen, verweisen unterdessen auf die Historie, in der sich einem Jahr schwacher Performance stets kräftige Aufschwünge anschlossen. Nach einem Einbruch um 10,2% im Jahr 1981 kam es innerhalb der darauffolgenden zwölf Monate beispielsweise zu einem Sprung von fast 41%. Dem Rückgang von 2,6% im Jahr 2013 folgte immerhin ein Plus von über 9%. Doch in der aktuellen Situation stehen die kommunalen Etats unter besonderem Druck – und Investoren fürchten, dass dieser nach den jüngsten Zusammenbrüchen mittelgroßer US-Geldhäuser sowie allgemein engerer Kreditvergabestandards noch steigen dürfte.

Zudem sind seit Beginn der Coronakrise auch Säumigkeiten kommunaler Schuldner zunehmend ins Blickfeld der Investoren gerückt. Laut einer Studie der Universität von Illinois brauchten US-Städte und Gemeinden 2020 im Median 164 Tage, um ihre geprüften Finanzberichte vorzulegen. Gegenüber 2009 stieg die Dauer damit um 10%. Börsennotierte US-Firmen haben dagegen je nach Größe nur 60 bis 90 Tage Zeit, um nach Abschluss des Berichtszeitraums die Bücher zu öffnen. Die mangelnde Transparenz, so Analysten, dürfte angesichts der hohen Risikoaversion der Marktteilnehmer weitere Dämpfer für das Interesse nach sich ziehen.