LEITARTIKEL

Bedeutungsverlust des Dax

Der Deutsche Aktienindex Dax hat an Bedeutung verloren. Der Grund liegt nicht im Abstieg des Gründungsmitglieds Thyssenkrupp, für das laut Berechnung der LBBW MTU Aero Einzug hält. Es ergibt sich daraus, dass sich das Umfeld des Index seit seiner...

Bedeutungsverlust des Dax

Der Deutsche Aktienindex Dax hat an Bedeutung verloren. Der Grund liegt nicht im Abstieg des Gründungsmitglieds Thyssenkrupp, für das laut Berechnung der LBBW MTU Aero Einzug hält. Es ergibt sich daraus, dass sich das Umfeld des Index seit seiner Auflage 1988 dramatisch verändert hat. Als exportlastiger Index leiden viele seiner Mitglieder unter dem schwierigen Umfeld, das die sich immer länger hinziehenden verschiedenen Handelskonflikte weltweit verursachen. Auch fordert der technologische Wandel “Made in Germany” heraus.Doch auch als Indexprodukt steht der Dax unter Druck: Er hat als regionaler Aktienindex mit einer kleinen Anzahl an Mitgliedern einfach an Stellenwert verloren. Die Investmentlandschaft hat sich seit 1988 stark verändert. So gibt es heute dank der viel einfacheren Auswertung riesiger Datensätze und gesunkener Handelskosten viele spezifisch zusammengesetzte Indizes und eine viel größere Auswahl an Alternativen. Der Dax hat spürbar Konkurrenz erhalten, er ist nur einer von inzwischen Millionen Indizes. Laut Deutscher Börse waren auf den Dax im Juli 2019 17 börsengehandelte Fonds (ETFs) mit 15 Mrd. Euro Assets under Management aufgelegt, eine überschaubare Summe. Und während auf die Eurozonen-Benchmark Euro Stoxx 50 im laufenden Jahr bisher 336 Millionen Derivatekontrakte gehandelt wurden, waren es beim Dax rund 41 Millionen.Trotz seines internationalen Anlegerpublikums findet der Dax auch als Vergleichsindex selten Anwendung. Denn anders als die weltweiten Indizes des Anbieters MSCI ist der Dax nicht in eine globale Indexfamilie mit einheitlicher Methodik integriert. Dabei ist die Investorenbasis des Dax sehr international. Allen voran Fondsanbieter wie BlackRock oder Vanguard oder Norges Bank, die den norwegischen Staatsfonds managt, zählen zu den größten Investoren. Deutsche Anleger dürften auch über ausländische Anbieter wie BlackRock beteiligt sein, bloß fehlen hierzu Daten. Nur ein Sechstel des Dax wird nach einschlägigen Daten von heimischen Institutionellen gehalten.Es gibt noch ein Thema: Die Dax-Zusammensetzung orientiert sich an der Marktkapitalisierung. Das heißt, Unternehmen mit hohem Marktwert des Streubesitzes beeinflussen den Index stärker als solche mit geringerem Marktwert. Zwar wird das Maximalgewicht jedes Dax-Mitglieds am Indexüberprüfungstermin auf 10 % begrenzt. Durch den Fokus auf die Marktkapitalisierung erhalten Unternehmen, deren Aktienkurs kräftig steigt, zwangsläufig mehr Einfluss auf die Indexentwicklung. Das zeigt sich sehr ausgeprägt, hat doch SAP als erfolgreichstes und schwerstes Unternehmen vor dem turnusgemäßen Rebalancing mit rund 116 Mrd. Euro Streubesitzwert rund 11,4 % Anteil am Dax, während Lufthansa mit gut 7 Mrd. Euro Marktkapitalisierung auf 0,7 % kommt. Die Top 5 im Dax gemessen an der Marktkapitalisierung machen heute rund 45 % des Streubesitzgewichts aus, ein eklatant hoher Anteil. Anders sieht dies bei der US-Aktienbenchmark S&P 500 aus, wo die Top 5 auf knapp 15 % kommen.Der Dax ist also eine ziemlich unausgewogene Benchmark. Das ist für Anleger gut, solange die Top-Indexmitglieder an der Börse gut abschneiden – und wird zum Nachteil, wenn sich dies ändert, wie in den letzten Jahren in einigen Fällen passiert. Hier wäre eine striktere Begrenzung der Gewichtung sowie eine größere Anzahl Mitglieder für den Dax angezeigt. Und angesichts des Booms mit Indexfonds behaupten einige Vermögensverwalter, dass aus Risikoüberlegungen heraus die Zukunft eher den gleichgewichteten statt den kapitalisierungsgewichteten Indizes gehören dürfte, weil in den bekannten, marktgewichteten Indizes, auf denen große Indexfonds basieren, bereits erfolgreiche Unternehmen bevorzugt sind, was zu einer Überbewertung beitrage. Hier könnte, nur nebenbei, für den Dax eine Chance liegen, da sich viele seiner Mitglieder ja nicht so gut entwickelt haben wie Tech-Highflyer an Wall Street oder in Schanghai.——Von Dietegen MüllerDie fünf gewichtigsten Dax-Mitglieder machen fast die Hälfte des Index aus – das ist unausgewogen und für eine Benchmark nicht zeitgemäß.——