Berenberg Bank favorisiert Linde

Institut sieht gemischte Aussichten in der Industriegasebranche - Hold für Air Liquide und Air Products

Berenberg Bank favorisiert Linde

Vor kurzem ist die Linde-Aktie auf ein Allzeithoch geklettert, und nach Ansicht der Berenberg Bank wird es aufgrund der Synergieeffekte aus dem Zusammenschluss mit Praxair sogar noch weiter aufwärts gehen. Die Ausrichtung des US-Konkurrenten Air Products auf Kohlevergasung hält die Bank hingegen für fragwürdig, Frankreichs Air Liquide hänge zu sehr am zyklischen Geschäft.amb Frankfurt – Nach einer Phase mit vielen Übernahmen und Fusionen sowie Portfoliooptimierungen in der weltweiten Industriegasebranche sollten Anleger nach Ansicht der Berenberg Bank bei der Aktienauswahl nun selektiv vorgehen. Entscheidend ist einer Studie der Bank zufolge jetzt, für was die Unternehmen das üppig zur Verfügung stehende Kapital ausgeben. Die Fehler der Vergangenheit mit den zu hohen Investitionen der Jahre 2012 bis 2017 dürften nicht wiederholt werden. Die Bank, die die Branche erstmals beurteilt, rät nur beim deutsch-amerikanischen Industriegasekonzern Linde zum Einstieg und begründet das mit der vernünftigen Mittelverwendung. Air Products und Air Liquide setzt sie hingegen auf “Hold”.Die ohnehin stark konzentrierte Branche war in den vergangenen Jahren durch Übernahmen und Fusionen geprägt. Etwa hat sich Linde 2018 mit dem US-amerikanischen Konzern Praxair zusammengeschlossen, Air Liquide aus Frankreich hatte den US-Konkurrenten Airgas übernommen. Mittlerweile hat Linde laut Studie einen Marktanteil von 35 %, Air Liquide 26 % und Air Products aus den USA 9 %. Zukunftsprodukt WasserstoffFür die Zukunft ist den Analysten zufolge entscheidend, auf welchen Bereich die drei Großen mit ihren Investitionen setzen. Potenzial sieht die Bank vor allem im Bereich Wasserstoff: Hier rechnet sie mit einer steigenden Nachfrage, vor allem aus der Eisen- und Stahlindustrie und von Raffinerien. Für die Kohlevergasung zeigt sie sich hingegen skeptisch, insbesondere wegen des wahrscheinlich zu hohen CO2-Fußabdrucks. Zumindest kurzfristig pessimistisch ist Berenberg auch bezüglich des zyklischen Merchant-Gas-Geschäfts, das sich im Gegensatz zum Großabnehmergeschäft mit Pipelines direkt zum Unternehmen oder Produktion vor Ort (“on-site”) und Kleinabnehmergeschäft in Zylindern (“cylinder and packaged”) durch mittelgroße Mengen auszeichnet. 2019 seien die Preise in diesem Bereich zwar gestiegen, die Absatzmengen wegen der konjunkturellen Abschwächung aber zurückgegangen. Für 2020 rechnen die Experten mit einer Normalisierung bei den Preisen, sehen aber bei den Absatzmengen wenig Luft nach oben. Betroffen von der Schwäche in diesem Segment ist laut Berenberg vor allem Air Liquide. Vernünftige KapitalallokationFavorit ist Linde, die Aktie, die im November auf ein Allzeithoch von 191,15 Euro geklettert war, wird auf “Buy” gestuft bei einem Kursziel von 210 (aktuell 185,55 Euro). Zwar werde Linde zu einem kleinen Aufschlag zu Air Products gehandelt, das sei aber gerechtfertigt. Die Analysten begründen ihre Kaufempfehlung vor allem mit der vernünftigen Kapitalallokation des Konzerns. Zweifel an den Synergieeffekten durch den Zusammenschluss mit Praxair halten sie für unbegründet, sie gehen vielmehr davon aus, dass die Linde-Aktie aufgrund der Synergieeffekte weiter steigen wird, und halten das Unternehmen für das in dieser Phase in der Branche am besten positionierte. Die Effizienz sei deutlich gestiegen, die Bilanz gesund, die Endabnehmermärkte gut diversifiziert. Außerdem habe das Management angekündigt, nicht benötigtes Kapital an die Aktionäre auszuschütten. Für den Gewinn je Aktie rechnen die Analysten mit 8,39, 8,98 und 9,51 Euro für 2020 bis 2022. Linde hat im November zum dritten Mal in diesem Jahr die Prognose angehoben und einen Gewinn zwischen 7,25 und 7,30 Euro pro Aktie für 2019 in Aussicht gestellt. Die Zahlen zum dritten Quartal fielen gut aus: Linde steigerte den Umsatz währungsbereinigt um 4 % auf 7 Mrd. Dollar, der bereinigte Nettogewinn aus dem fortgeführten Geschäft stieg um nahezu ein Viertel auf gut 1 Mrd. Dollar.Lediglich “Hold” lautet das Votum für Air Products bei einem Kursziel von 241 Dollar, nur etwas oberhalb der aktuellen Notierung von 232,34 Dollar. Zwar sei dem US-Unternehmen seit 2014 einer der erfolgreichsten Turnarounds in der jüngsten Geschichte der Chemieindustrie gelungen mit dem Verkauf margenarmer Geschäftsbereiche und der Konzentration auf Industriegase. Air Products setzte aber zu stark auf Kohlevergasung in Asien und speziell auch China. “Dieser Weg lässt viele Frage offen hinsichtlich der Möglichkeit, damit die CO2-Emissionen zu reduzieren”, erklären die Analysten. Die Investitionen würden zudem auch den Cash-flow belasten. Die Gewinnprognosen je Aktie liegen bei 9,23, 10,46 und 11,98 Dollar für 2020 bis 2022.Ebenfalls nur mit “Hold” stuft Berenberg Air Liquide ein und nennt ein Kursziel von 125 (aktuell 232,34 Euro). Die Aktie sei mit dem Rückgang der Konsensschätzungen nach Veröffentlichung der Zahlen zum dritten Quartal im Branchenvergleich zwar günstig bewertet, das sei wegen des niedrigeren Gewinnwachstums und der geringen Chancen auf steigende Konsensschätzungen aber auch gerechtfertigt. Die Abhängigkeit vom zyklischen Merchant-Gas-Geschäft begrenze das organische Wachstum. Das defensive Geschäft mit der Elektronik- und Gesundheitsindustrie laufe zwar gut, das spiegle sich aber schon im Kurs wider. Für den Gewinn je Aktie prognostiziert die Bank 5,68, 6,15 und 6,87 Euro für 2020 bis 2022.Bezüglich Linde gehen die Meinungen von Analysten auseinander: Es gibt viele Kaufempfehlungen, unter anderem von der Deutschen Bank, Kepler Cheuvreux, Jefferies & Company, UBS und J.P. Morgan, aber auch einige Verkaufs- und Halteempfehlungen. So hat die Deutsche Bank diese Woche die Einstufung für Linde auf “Buy” mit einem Kursziel von 220 Euro belassen, mittelfristig traut die Bank der Aktie wegen des Profitabilitäts- und Wachstumspotenzials sogar einen fairen Wert von mindestens 250 Euro zu. Das Analysehaus Kepler Cheuvreux hat das Kursziel für Linde nach Bekanntgabe der Zahlen von 186 auf 204 Euro angehoben und die Einstufung “Buy” bestätigt, da das starke Gewinnwachstum des Industriegasekonzerns anhalte. Die UBS bekräftigte nach den Zahlen die Kaufempfehlung mit einem Kursziel von 200 Euro. Linde habe im dritten Quartal besser als am Markt erwartet abgeschnitten, das Wachstum aus eigener Kraft stimme zuversichtlich, hieß es.Bernstein votiert hingegen mit “Underperform”, wenn auch das Kursziel von 115 auf 149,85 Euro angehoben wurde. Linde werde den Erwartungen nicht gerecht und sei überbewertet, erklärten die Analysten. Die Baader Bank beließ nach Bekanntgabe der Zahlen die Einstufung bei “Sell” mit einem Kursziel von 150 Euro, das dritte Quartal des Industriegasekonzerns habe ein gemischtes Bild gezeigt.Die Nord/LB hat das Kursziel für Linde nach den Zahlen und der neuerlichen Anhebung des Ergebnisausblicks von 160 auf 171 Euro erhöht und die Einstufung bei “Halten” belassen. Die in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen seit Jahresanfang an die Aktionäre ausgeschütteten Mittel nähmen sich in absoluten Beträgen ausgedrückt eindrucksvoll aus, mit Blick auf die hohe Marktkapitalisierung und das hohe Kursniveau der Aktie relativiere sich das aber.