"Billiger, als man annehmen könnte"
Die Berenberg Bank glaubt, dass Börsenbetreiberaktien trotz ihrer deutlich gestiegenen Kurse noch günstig sind. Das Institut sieht noch Luft nach oben und hat die Kursziele für vier Titel angehoben.ck Frankfurt – “Billiger, als man annehmen könnte”, überschreibt die Berenberg Bank eine Branchenstudie über notierte Börsenbetreiber. Investoren treibe die Sorge um, dass die Bewertungen von Börsenbetreibern mittlerweile überhöht seien, so das Institut, das gegenteiliger Meinung ist. Zwar seien die Bewertungen absolut gesehen in den zurückliegenden Jahren gestiegen. Allerdings hätten sich auch die Geschäftsmodelle und der ökonomische Hintergrund verändert. Auf Basis einer Analyse mittels eines Kapitalgutpreismodells kommt die Bank zu dem Ergebnis, dass die Kurse der vier von ihr abgedeckten Börsenbetreiber ein überraschend niedriges langfristiges Wachstum einpreisen. Die Berenberg Bank ist der Auffassung, dass die Börsenbetreiberaktien noch Luft nach oben haben, und erhöht ihre Kursziele.Derzeit belaufe sich das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis der Branche auf Basis der Konsensschätzungen für das Jahr 2020 bei einem unterstellten Gewinnwachstum von 8 % auf 22,2, was einem hohen Kurs-Gewinnwachstums-Verhältnis von 2,8 entspreche. Allerdings reflektierten diese nach historischen Maßstäben hohen Bewertungen ein historisch günstiges makroökonomisches Umfeld, so das Institut unter Hinweis auf sinkende Zinsen und die wieder lockerere Geldpolitik. Die Renditen der zehnjährigen Staatsanleihen der USA, Großbritanniens und Deutschlands seien zwischen 150 und 370 Basispunkte niedriger als vor einem Jahrzehnt. Ebenso wichtig sei, dass die Schwankungsanfälligkeit der Börsenaktien seit 2009 um 60 Basispunkte gefallen sei. Dies gleiche den Anstieg der Aktienrisikoprämien mehr als aus. Zusammen mit den gesunkenen Zinsen seien die Eigenkapitalkosten der vier abgedeckten Börsenbetreiber um durchschnittlich 41 % gesunken. Die aktuellen Bewertungen preisten ein langfristiges Ergebniswachstum von lediglich 2,3 % ein, was angesichts der Struktur der Branche und der langfristigen globalen Wachstumstrends nicht anspruchsvoll erscheine.Die Bank empfiehlt unter anderem die London Stock Exchange (LSE), für die sie bei einem aktuellen Kurs von 5,68 das Kursziel von 5,67 auf 6,34 Pfund anhebt. Die Aktie sei in diesem Jahr um rund 40 % gestiegen. Das Hauptrisiko des Titels bestehe aus kurzfristigen Gewinnmitnahmen auf den aktuellen Kurshöhen. Aus fundamentaler Sicht sei die LSE eine Wette auf zwei strukturelle Themen: säkulares Wachstum im Clearing-Geschäft und die zunehmende Verwendung von quantitativen Investmentansätzen. Das wichtigste langfristige Risiko bestehe in einer unerwarteten Verlangsamung des Erlöswachstums in einem der Wachstumsgeschäftsfelder des Unternehmens, d. h. FTSE Russell oder London Clearing House.Ebenfalls zum Kauf empfohlen wird der Terminbörsenbetreiber CME Group mit einem von 205 auf 236 (aktueller Kurs: 205,62) Dollar erhöhten Kursziel. Die CME habe ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt, neue Produkte zu kreieren und Kunden zu überzeugen, sie zu handeln, so die Bank, die glaubt, dass dies das Erlöswachstum der CME Group langfristig stützen wird. Risiko sei eine geringere Marktvolatilität als erwartet, da das Unternehmen 85 % seiner Erlöse mit handelsvolumenbezogenen Aktivitäten generiere. Deutsche Börse nur HoldDie Deutsche Börse wird bei einem von 120 auf 137 (derzeit 127,40) Euro erhöhten Kursziel nur mit “Hold” eingestuft, weil das Institut das Aufwärtspotenzial für begrenzt hält. Kurzfristig seien schwächere Handelsumsätze als erwartet das Hauptrisiko. Chancen könnten sich dem Institut zufolge durch M&A-Transaktionen wie die potenzielle Übernahme der Devisenhandelsplattform FXall ergeben. “Hold” lautet auch das Votum für die Intercontinental Exchange (ICE) bei einem von 87 auf 94,20 (derzeit 91,34) Dollar angehobenen Kursziel. Rund 60 % der Ergebnisse des Unternehmens würden mit transaktionsbasierten Aktivitäten generiert, bei denen die Erlöse unsicher seien. Dieses Risiko werde zu einem Teil durch die Breite des Derivategeschäfts der ICE, das Öl und Gas, kurzfristige Zinsen und Agrarrohstoffe wie Zucker umfasse, abgemildert.