Billigflieger statt traditionelle Airlines
Bislang hat Morgan Stanley unter den europäischen Fluggesellschaften eher zu etablierten Airlines wie Air France-KLM geraten, jetzt empfiehlt die US-Bank in einer Studie aber die Low-Cost-Carrier. Für die wird eine bessere Umsatzentwicklung erwartet.amb Frankfurt – Wegen des höheren Ölpreises, der Dollarschwäche und unterschiedlicher Entwicklungen im Kurz- und Langstreckengeschäft hat Morgan Stanley die Voten zu den europäischen Fluggesellschaften überarbeitet. Die US-Bank rät in einer Studie jetzt vor allem zu Billigfliegern, konkret Ryanair sowie neuerdings auch Easyjet. Unverändert auf “Equal-weight” gestuft werden IAG, Air France-KLM (zuvor “Overweight”) und Lufthansa. Abgeraten wird lediglich vom norwegischen Billigflieger Norwegian.Die Aktien europäischer Fluggesellschaften haben sich – vor allem wegen des billigen Kerosins – in den vergangenen anderthalb Jahren sehr gut entwickelt. Der Stoxx Europe TMI Airlines, der die traditionellen Fluglinien Lufthansa, Air France-KLM, IAG und Finnair sowie die Billigflieger Ryanair, Easyjet, Wizzair und Norwegian abbildet, ist seit Oktober 2016 von 249 auf 459 Punkte gestiegen. Auf besonders hohe Kursgewinne kommen Air France-KLM und Lufthansa, die Kurse haben sich in den vergangenen zwölf Monaten mehr als verdoppelt. Bescheidener war die Kursentwicklung der Billigflieger Easyjet und Ryanair. Legacy-Carrier im VorteilDas hat durchaus einen Grund: Das Umfeld war laut Morgan Stanley speziell für die etablierten Fluggesellschaften, die Legacy-Carrier, 2017 sehr günstig: Eine robuste Entwicklung der Nachfrage und der Preise, vor allem für Langstreckenflüge, das billige Kerosin und der lange starke Dollar hätten dazu beigetragen. Zudem habe es Fortschritte bei den Tarifstreitigkeiten bei Air France-KLM und Lufthansa gegeben. Die Billigfliegerbranche sei hingegen durch einen hohen Wettbewerbsdruck und eine für sie ungünstige Wechselkursentwicklung geprägt gewesen.2018 hat sich das Bild der Studie zufolge aber gedreht: Die Analysten verweisen auf den für die traditionellen Airlines seit dem Sommer 2017 rückläufigen Umsatz je angebotenem Sitzkilometer (RASK/Revenue per Available Seat Kilometer). Bei Easyjet und Ryanair sei der RASK hingegen zum Winter 2017/2018 gestiegen und werde wohl noch weiter steigen. Für die Billigflieger sprächen darüber hinaus höhere Absicherungen gegen den Kerosinpreisanstieg und der geringere Umsatz in US-Dollar. Die Experten erwarten zudem eine auseinanderlaufende Entwicklung von Kurz- und Langstreckengeschäft: Nach den Kapazitätsstreichungen im Kurzstreckenbereich habe sich das Umfeld verbessert, Preiserhöhungen seien wieder möglich. Im Langstreckengeschäft stiegen hingegen die Kapazitäten wegen zusätzlicher Angebote von neuen Wettbewerbern wie Norwegian, Eurowings und Westjet.Generell erwarten die Analysten für die Branche 2018 höhere Kerosinkosten, sinkende sonstige Kosten und daher unter dem Strich mehr oder weniger unveränderte Gewinne (Ebit) bei steigenden Umsätzen. Grundlage der neuen Kalkulationen ist ein Brent-Preis von 64 bis 68 Dollar je Barrel ab 2018 und ein “Crack Spread”, also ein Preisaufschlag für das raffinierte Öl, von 12 Dollar. Was die Wechselkurse angeht, rechnen sie nun mit 1,22 Dollar nach bislang 1,17 Dollar für einen Euro sowie 1,37 statt 1,32 Dollar für ein Pfund. Jahr der BilligfliegerAm attraktivsten sind laut Studie Ryanair und neuerdings auch Easyjet (zuvor “Equal-weight”), beide Aktien werden auf “Overweight” gestuft. Für die Unternehmen sprächen unter anderem die Konsolidierung auf dem Kurzstreckenmarkt, die negativen Auswirkungen durch den höheren Ölpreis würden dadurch gedämpft. Dem irischen Billigflieger Ryanair wird ein Kurs von unverändert 20 Euro (aktuell 16,74 Euro) zugetraut. Die Gewinnschätzungen für 2018 werden um 1,7 % auf 1,21 Euro je Aktie erhöht, für 2019 aber um 6,9 % auf 1,22 Euro reduziert.Für Easyjet, zweitgrößte europäische Billigfluggesellschaft nach Ryanair, hatten die Analysten in der Studie das Kursziel auf 17,25 Pfund erhöht, nach Veröffentlichung der Zahlen zum ersten Quartal des Geschäftsjahres 2017/2018 am Dienstag dieser Woche wurde es nochmals auf 18,80 Pfund angehoben (aktuell 16,84 Pfund). Easyjet sei sehr gut positioniert bei innereuropäischen Flügen, die Preise stiegen, die Nachfrage sei gut. Dem Unternehmen sei ein guter Start in das neue Geschäftsjahr gelungen, der Airline kam das Aus von Air Berlin und der britischen Airline Monarch zugute, ebenso wie Probleme bei Alitalia und abgesagte Flüge bei Ryanair. Die Gewinnschätzungen werden um 2,3 % auf 1,09 Pfund für 2018 und um 2,2 % auf 1,32 Pfund für 2019 angehoben. Fair bewertetFür angemessen bewertet halten die Experten unterdessen Lufthansa, IAG und neuerdings auch Air France-KLM (zuvor “Overweight”), alle drei werden auf “Equal-weight” gesetzt. Für die Lufthansa wird jetzt ein Kursziel von 30,15 Euro statt 27,60 Euro genannt (aktuell 28,88 Euro). Das Unternehmen profitiere zwar auch vom schrumpfenden Kurzstreckenangebot, sei aber gleichzeitig mit mehr Konkurrenz auf der Langstrecke konfrontiert. Problematisch seien darüber hinaus die hohen Pensionsverpflichtungen. Die Ergebnisschätzungen für 2018 werden um 2 % reduziert auf 4,18 Euro, für 2019 um 1 % angehoben auf 4,75 Euro. Als Kursziel für die International Consolidated Airlines Group IAG, zu der neben British Airways und Iberia auch Vueling und Aer Lingus gehören, werden 7 Pfund (aktuell 6,50 Pfund) genannt. Die Analysten erwarten keine Auswirkungen durch den Ölpreisanstieg und den stärkeren Euro, die Aktie sei angemessen bewertet. Morgan Stanley senkt die Ergebnisschätzungen für 2018 um 8,5 % auf 1,07 Euro je Aktie und für 2019 um 7,3 % auf 1,18 Euro.Für Air France-KLM wird das Kursziel von 18,35 auf 14 Euro (aktuell 12,25 Euro) reduziert. Moniert wird die hohe Abhängigkeit von der Ölpreisentwicklung und die im Vergleich zu Wettbewerbern niedrige Marge sowie die nachlassende Umsatzdynamik. Positiv gesehen werden die Fortschritte bei den Tarifverhandlungen und die Lancierung der neuen LCC-Marke Joon. Air France werde aber der zunehmende Wettbewerb durch andere Airlines in Frankreich zusetzen, etwa Easyjet, Level und Norwegian. Die Gewinnschätzungen für 2018 und 2019 werden deutlich um 28 % und 37 % reduziert auf 1,89 und 2,08 Euro je Aktie. Am wenigsten hält Morgan Stanley von Norwegian, die Aktie wird als einzige auf “Underweight” gesetzt. Hier wird ein Kursziel von nur 160 nkr genannt, deutlich unterhalb der aktuellen Notierung von 221 nkr (aktuell 235 nkr). Viele KaufempfehlungenDie Low-Cost-Carrier Ryanair und Easyjet kommen bei anderen Analysten ebenfalls gut an: Für Easyjet gibt es derzeit Kaufempfehlungen von UBS, Bernstein, J.P. Morgan, Credit Suisse und RBC Capital. Mit “Hold” bzw. “Equal-weight” votieren Deutsche Bank, S & P Capital, Barclays und Goldman Sachs. Die UBS hat das Kursziel für Easyjet (“Buy”) nach Bekanntgabe der aktuellen Zahlen von 16,60 auf 18 Pfund angehoben. Die Umsätze des Billigfliegers seien wegen höherer Preise besser als erwartet ausgefallen, heißt es, zudem blicke Easyjet nun noch optimistischer auf das neue Geschäftsjahr. J.P. Morgan (“Overweight”) setzte das Kursziel von 15,50 auf ebenfalls 18 Pfund hoch, verwiesen wird auf die umfangreiche Absicherung des Unternehmens gegen höhere Kerosinkosten.Ryanair wird auch von J.P. Morgan, UBS und Goldman Sachs zum Kauf empfohlen, während Bernstein die Aktie nur auf “Market-Perform” setzt. J.P. Morgan (“Overweight”) hat das Kursziel allerdings von 20,25 auf 19,75 Euro gesenkt, wegen der gestiegenen Treibstoffkosten. Der Effekt werde durch höhere Umsatzschätzungen aber etwas abgemildert werden. Ryanair bleibe langfristig attraktiv, kurzfristig sei bei dem Billigflieger mit einem langsameren Wachstum zu rechnen.