Biodiversität: Investitionen in die Artenvielfalt
Gastbeitrag: Anlagethema im Brennpunkt (302)
Biodiversität: Investitionen in die Artenvielfalt
Die Klimaschutzdebatte konzentriert sich allzu oft noch immer ausschließlich auf die Verringerung von CO2-Emissionen und auf den Übergang zu erneuerbaren Energien. Der drastische Rückgang der Artenvielfalt spielt dagegen bislang nur eine untergeordnete Rolle. Das bietet Investoren die Gelegenheit, an dem entscheidenden Transformationsprozess mitzuwirken.
Die Zahlen sind alarmierend: Ein Viertel der Säugetiere, fast die Hälfte der Amphibien und 13% der Vögel sind bereits auf der Liste gefährdeter Arten. Die Vereinten Nationen warnen davor, dass bis zum Ende dieses Jahrhunderts bis zu eine Million Tierarten aussterben könnten. Auch bei Lebensräumen und Ökosystemen sieht es düster aus: 85% der Feuchtgebiete und die Hälfte der Korallenriffe weltweit sind bereits zerstört. Darüber hinaus kann der weitere Verlust an biologischer Vielfalt auch den Klimawandel beschleunigen, zu Hungerkrisen führen und zudem die Verbreitung von neuen Krankheiten begünstigen.
Kosten schwer quantifizierbar
Die wahren Kosten des Biodiversitätsverlusts sind schwer zu quantifizieren. Aber mit der Entwicklung sind auch eine ganze Reihe von systemischen Risiken für die Industrie und die Wirtschaft verbunden. Sei es durch den Ausfall zuvor verlässlicher Ökosystemleistungen, die für bestimmte Industriezweige im Rahmen des Herstellungsprozesses unverzichtbar sind, oder durch Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs aufgrund von Umwelt- und Wettereinflüssen. Ein anschauliches Beispiel ist die Landwirtschaft, wo Ernten unzuverlässiger werden und natürliche Bestäuber wie Insekten um mehr als 75% in den letzten 30 Jahren zurückgegangen sind. So muss sowohl ein ereignisbezogenes Risiko kalkuliert werden – etwa im Rahmen von Hitzewellen, Überschwemmungen oder Dürren – als auch Risiken längerfristiger Natur, wie etwa die durch die Abholzung verursachte Verringerung der Niederschläge.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind enorm, wie das Weltwirtschaftsforum zeigt. Demnach werden allein in den drei größten von der Natur abhängigen Wirtschaftszweigen – dem Bauwesen, der Landwirtschaft und dem Tourismus – jedes Jahr 44 Bill. US-Dollar erwirtschaftet. Dazu kommen weitere Branchen, die zwar weniger direkt betroffen sind, aber indirekt durch das empfindliche Gleichgewicht der Ökosysteme beeinflusst werden. Immer mehr Investoren beginnen in diesem Kontext damit, den Wert potenziell gefährdeter oder gestrandeter Vermögenswerte neu zu bewerten. Die Bewertungen werden deutlich nach unten korrigiert oder teilweise sogar als Verbindlichkeiten betrachtet. Denn künftig werden sich viele Wertschöpfungsketten verändern, zum Beispiel bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Andererseits dürfte die Einführung möglicher Lösungen wahrscheinlich auch durch die Politik unterstützt werden – wie etwa Mindestanforderungen an den Anteil an recyceltem Kunststoff in Verpackungen.
Verlust an Vielfalt
Um den Verlust an biologischer Vielfalt aufzuhalten, wären massive Investitionen in Billionenhöhe erforderlich. Die aktuellen Ausgaben belaufen sich jedoch nur auf knapp 133 Mrd. US-Dollar, was lediglich 0,1% des weltweiten Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Das Weltwirtschaftsforum schätzt, dass in der Lebensmittel- und Landwirtschaft allein neue Geschäftsmöglichkeiten im Wert von bis zu 4,5 Bill. US-Dollar pro Jahr erschlossen werden könnten. Die gesteuerte Fischzucht ist ein Beispiel: Wenn mehr Kapital für Unternehmen mit nachhaltigen Fischereipraktiken bereitgestellt wird, könnte ein weiterer Verlust der biologischen Vielfalt durch die Schleppnetzfischerei verhindert werden.
Es bleibt abzuwarten, welche Lösungen im Großen und Kleinen noch gefunden werden, um den negativen Trend der letzten Jahrzehnte umzukehren. Es ist jedoch ermutigend, dass Biodiversität zunehmend politische Aufmerksamkeit erhält und immer mehr Investoren die schwerwiegenden Auswirkungen des Artensterbens erkennen und neue Investitionsmöglichkeiten erkunden.