IM GESPRÄCH: ANDREW ANG

BlackRock setzt auf Anleihefaktoren

Für Faktorstrategie verantwortlicher Manager verspricht sich Vorteile von Bond-Screenings

BlackRock setzt auf Anleihefaktoren

BlackRock will ihr ETF-Geschäft mit neuen Lösungen weiter voranbringen. ETF sind börsengehandelte Indexfonds, die der US-Vermögensverwalter über seine Tochter iShares vertreibt und mit denen er im europäischen Markt führend ist. Im Visier hat der Riese nun den Anleihenmarkt, wie der für die Faktorstrategie verantwortliche Managing Director Andrew Ang im Gespräch erklärt.Von Dietegen Müller, FrankfurtAndrew Ang, Managing Director von BlackRock, stellt im Gespräch mit der Börsen-Zeitung im europäischen Markt eine “teilweise schnellere Verbreitung von Faktorkonzepten als in den USA” fest. Ang weiß, wovon er spricht, denn er ist Head of Factor Investing Strategies und leitet seit 2015 die Factor-Based Strategies Group des Konzerns. Der frühere Columbia-Business-School-Professor, der u.a. den Norwegischen Pensionsfonds beraten hat, sieht in Faktorstrategien im Fixed-Income-Bereich “ein aufregendes, neues Gebiet”. Effiziente Umsetzung nötigIm Aktienmarkt seien Faktoren seit Jahrzehnten dokumentiert und gut verstanden. Im Anleihenmarkt spielten makroökonomische Faktoren – die Zinssensitivität – die größte Rolle sowie das Exposure gegenüber Kreditrisiken. Die Charakteristik dabei sei aber, dass Bonds mitunter schwierig handelbar sein können, weil es keine zentralisierte Handelsplattform gibt. “Die Investoren haben unterschiedliche Informationen und unterschiedliche Marktzugänge”, sagt Ang. “Die effiziente Umsetzung von Faktorstrategien ist hier damit elementar.”Ang zufolge hat BlackRock hier einen Wettbewerbsvorsprung, weil das Unternehmen mit dem Kreditgeschäft groß geworden ist. “Wir haben den besseren Marktzugang als der durchschnittliche Assetmanager im Anleihengeschäft, und wir glauben auch, dass es für Smart-Beta-Strategien eine Menge Spielraum nach oben im Anleihenmarkt gibt.”In der wichtigsten Benchmark, dem auf Marktkapitalisierung basierenden Barclays Aggregate Bond Index, gingen 90 % der Veränderungen auf das Zinsänderungsrisiko zurück, nur 10 % auf Risikoaufschläge. “Wir glauben, dass wir eine ausgeglichenere Mischung mit einem 50 : 50-Mix erreichen können”, postuliert Ang. “Wenn die Zinsen eher steigen, ist bei einem 90 %-Exposure gegenüber Zinsänderungen die Belohnung dafür, das Zinsänderungsrisiko zu tragen, sehr gering. Wenn die Zinsen steigen, wird dies zunehmend unattraktiv.”Der Faktorspezialist betont zudem: “Wir können Faktoren im festverzinslichen Markt identifizieren, die über reine Makrofaktoren hinausgehen, wie beispielsweise Momentum.” BlackRock könne Smart-Beta-Produkte kreieren, die daraus für Investoren Vorteile ziehen ließen. “Der Strom an Krediten, der in den Markt kommt, ist auch eine Ausprägung der Qualität.” Ang würde deswegen Unternehmen mit stetigen Gewinnen und einer geringeren Verschuldung bevorzugen. “Mit einem Screening können wir Emittenten geringer Bonität herausfiltern und das Default-Risiko minimieren”, sagt der Wissenschaftler. Dies sei nichts anderes als eine Form des Quality-Investing, nur eben im Anleihenmarkt. “Wir können noch einen Schritt weitergehen: Statt nur ein Negativ-Screening zu machen, wählen wir auch aktiv Unternehmen mit der höchsten Qualität aus und setzen auf dieser Basis Smart-Beta-Produkte um”, sagt Ang. Die Herausforderung bestehe hier darin, dass zuerst ein Index benötigt wird, der in einem ETF repliziert werden kann.Laut Ang hat BlackRock bereits etliche Mandate für institutionelle Investoren in Europa im Bereich Anleihen übernommen, “besonders für Kredit- und Sovereign-Screens”. Die entsprechenden Erkenntnisse würden früher oder später dann auch in Europa für Retail-Produkte umgesetzt, kündigt der Manager an: “Es gibt enorme Vorteile für Investoren, wenn Faktorkonzepte auch im Fixed-Income-Segment eingeführt werden.”Die Kritik an einer womöglich bald zu weiten Verbreitung passiver Anlagestrategien nimmt Ang zwar ernst, aber er lässt sie nicht gelten. Er sieht die Preisbildung an den Märkten dadurch nicht tangiert. “Die Menge an Geld, die Smart-Beta-Strategien folgt, ist im Vergleich zu aktiven Strategien heute winzig”, sagt er. Somit beeinträchtige sie auch nicht Preissignale. “Wir haben noch so viel Spielraum für das Wachstum von Faktorstrategien, gerade auch was die Frage der Transaktionskosten betrifft”, betont er. “Risikoprämien, die durch aktive Strategien abgeschöpft werden, gehen oft durch Transaktionskosten wieder verloren. Hier geht es um Milliarden von Dollar, die Anlegern gemäß unseren Berechnungen entgehen”, meint der BlackRock-Manager. “Wir kratzen auch erst an der Oberfläche, was die Summen anbelangt, die in Faktoren investiert werden. Der S & P 500-Index repräsentiere etwa 20 Bill. Dollar Marktkapitalisierung, und weniger als 1 % davon sei derzeit in Smart-Beta-Faktorstrategien investiert. “Aktive Managementstrategien machen dagegen über 15 % des S & P 500 aus.”Die zentrale Frage sei deshalb nicht, in welcher Höhe Investoren ihre Gelder in ETF oder Faktorstrategien lenken. Vielmehr sei die Aufgabe, Faktoren in öffentlichen – gelisteten – Assets genauso zu betrachten wie in privaten – illiquiden – Assets. “Es geht in einer ganzheitlichen Betrachtung darum, die beste Verbindung aus beiden Sphären zu schaffen”, sagt Ang. Einige institutionelle Investoren hätten sich bereits auf den Weg gemacht, Faktoren in ihrem gesamten Portfolio herauszufinden und zu verstehen. “Da gibt es noch enormen Nachholbedarf”, so Ang. BlackRock entwickle deshalb “Modelle und Datentechnologien, die BlackRocks Aladdin-Plattform nutzen, um Faktoren im gesamten Portfolio eines Investors untersuchen zu können”, so Ang. Faktoren sind dauerhaftDer Verfasser des Buchs “A Systematic Approach to Factor Investing” sieht auch über längere Zeiträume keine Gefahr, dass die rasante Verbreitung von Faktorkonzepten ihre Aussagekraft unterminieren könnte. “Die Faktoren, auf die wir achten, gibt es seit Dekaden, und wir glauben aufgrund der ökonomischen Vernunft, dass sie noch über Dekaden bestehen bleiben werden.”Alle Faktoren hätten drei Wurzeln: erstens in einer Belohnung für das Eingehen von Risiken, zweitens in Verhaltensmustern der Investoren und drittens in strukturellen Hindernissen. Große Investoren hätten Faktor-Investing in ihre Anlagen aufgenommen, meint BlackRock-Manager Ang, weil sie realisiert haben, dass “robustere Portfolios mit mehr Erträgen oder weniger Risiko” durch die Berücksichtigung von Faktoren erreicht werden können”.