TECHNISCHE ANALYSE

Bodenbildung bei den BRIC braucht Zeit

Von Petra von Kerssenbrock *) Börsen-Zeitung, 25.7.2012 Durch die Finanzkrise ab 2007/2008 und die in vielen Ländern 2009 zu verzeichnende Rezession sind die Emerging Markets und speziell die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China)...

Bodenbildung bei den BRIC braucht Zeit

Von Petra von Kerssenbrock *)Durch die Finanzkrise ab 2007/2008 und die in vielen Ländern 2009 zu verzeichnende Rezession sind die Emerging Markets und speziell die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) aufgrund ihrer langfristigen Wachstumsperspektiven verstärkt in den Fokus der Investoren gerückt. Zieht man jetzt eine technische Zwischenbilanz – besonders für den Zeitraum ab Ende 2009 – so ergibt sich folgendes Ergebnis. Vier in einem BootDer brasilianische Bovespa, ein Brutto-Performanceindex, also Dividendenzahlungen werden bei der Berechnung berücksichtigt, enthält die 67 liquidesten, an der Börse in SÒo Paulo gehandelten Aktien. Der nach Handelsvolumen gewichtete Index startete zurückgerechnet am 2. 1. 1968 bei 100. Sein Kursniveau wurde seit Anfang 1985 bereits zehn Mal gezehntelt. Nach der Bilderbuch-Hausse von Oktober 2002 bis Mai 2008 (Kursanstieg von 8 224 auf 73 920) ergab sich eine von hoher Abwärtsdynamik geprägte Baisse mit einem Ausverkauf (Sell-off) auf 29 435 im Oktober 2008.Anschließend durchlief der Index einen Hausse-Trend, der zum Jahreswechsel 2009 / 2010 an der langfristigen Widerstandszone bei 70 000 bis 74 000 endete. Seither befindet er sich in einer Seitwärtspendelbewegung mit Abwärts- und Aufwärtstrends (Kernzone: 50 000 bis 70 000). Der letzte Abwärtstrend (März bis Juli 2012) mündete aufgrund der überverkauften technischen Lage in eine Stabilisierung. In Summe arbeitet der Bovespa an der Herausbildung einer technischen Bodenformation. Alte Tops nicht erreichtDer in US-Dollar notierte russische RTS-Index enthält die 50 größten Titel des Russian Trading Systems (RTS). Dieser Index startete am 1. 9. 1995 bei 100. Nach der Mega-Hausse (Oktober 1999 bis Mai 2008, Kursanstieg von ca. 38 auf 2 498) ergab sich eine Baisse, die im Januar 2009 bei 493 mit einem Sell-off endete. Der anschließende Hausse-Trend führte den Index im April 2011 wieder auf 2 134. Danach setzt im RTS, der nicht wieder an seine alten Tops herangekommen war, eine bis heute intakte technische Korrekturbewegung (Korrekturtrend aktuell bei ca. 1 630) ein, wobei zuletzt die massive langfristige Unterstützungszone bei 1 200 bis 1 225 verteidigt wurde. Damit besteht die technische Chance, dass der RTS oberhalb dieser Zone in eine mittelfristige technische Bodenformation hineinläuft.Der indische BSE India Sensitive Index (Sensex) umfasst 30 nach Liquiditäts-, Free-Float- und Sektorrepräsentativitätskriterien ausgewählte, an der Bombay Stock Exchange gehandelte Aktien. Der Index wurde am 1. 1. 1986 erstmalig veröffentlicht und bis zum 1. 4. 1979 auf 100 zurückgerechnet. Mit Blick auf die Kursentwicklung (in lokaler Währung) in den zurückliegenden 30 Jahren gibt es aus technischer Sicht nur zwei “Phasen”. Erstens: langfristige Aufwärtstrends wie beispielsweise von 1979 bis 1990. Zweitens: langfristige Seitwärtspendelbewegungen, beispielsweise von 1990 bis 2004. Seit 2009 liegt wieder eine solche Seitwärtspendelbewegung vor (Kernzone 15 000 bis 20 000), wobei die aktuelle technische Lage eine Ausweitung dieser Phase andeutet. Damit bestehen derzeit eher Trading-Chancen als langfristige Investment-Möglichkeiten.Der Shanghai SE Composite umfasst alle 984 A- und B-Aktien der an der Börse Schanghai gelisteten Unternehmen. Er wurde am 15. 7. 1991 eingeführt und bis zum 19. 12. 1990 auf 100 zurückgerechnet. Abgesehen von der zweijährigen Hausse (Juni 2005 bis Oktober 2007, Kursanstieg von 1 000 auf 6 124) weist der Index nur eine sehr moderate langfristige Aufwärtsdynamik auf. Die seit August 2009 laufende Baisse (Start bei 3 478) hat den Index mit aktuell 2 160 Punkten zuletzt auf das Kursniveau von 2001 geführt, das aber nur leicht oberhalb des Niveaus von 1992 liegt. Die defensive technische Haltung gegenüber dem Index sollte erst aufgegeben werden, wenn sich eine tragfähige Bodenformation herausbildet. Relative Schwäche intaktDiese Analyse unterstreicht die Bedeutung von Timing-Aspekten für Investmententscheidungen, wenn Phasen mittel- und langfristiger relativer Stärke von Phasen relativer Schwäche abgelöst werden. Seit Ende 2009 weisen der Bovespa eine Performance von ca. – 20 %, der RTS von ca. + 12 %, der Sensex von ca. – 5 % und der Shanghai SE Composite von ca. – 14 % – jeweils in Euro gerechnet – auf. Im Vergleich der BRIC-Indizes weist der Shanghai SE Composite eine relative Schwäche, der RTS eine relative Stärke auf. Da Bodenformationen Zeit brauchen und sich bislang noch keine tragfähige Formation bzw. der Abschluss einer solchen andeutet, bietet sich zurzeit keiner der vier BRIC-Indizes für ein Investment an.Ein Beispiel für einen Index, der im internationalen Vergleich mit einer stabilen relativen Stärke aufwarten kann, ist der US-Dow Jones Utilities, der 20 Versorger umfasst und ein Repräsentant für defensive Investments ist. Im Zeitraum ab Ende 2009 hätte man mit einem Investment in diesen Index einen Kursanstieg von ca. + 45 % (in Euro und ohne Berücksichtigung von Dividenden) erzielt.—-*) Petra von Kerssenbrock ist technische Analystin im Bereich Corporates & Markets Technical Analysis & Index Research der Commerzbank.