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Bond-Alternativen aus Mittel- und Osteuropa

Von Sebastian Fellechner *) Börsen-Zeitung, 16.8.2018 Im Staatsanleihesegment der Europäischen Währungsunion (EWU) blicken Investoren aktuell immer noch auf ein zweigeteiltes Segment: extrem niedrige Renditen in den Staaten Zentral- und Nordeuropas...

Bond-Alternativen aus Mittel- und Osteuropa

Von Sebastian Fellechner *)Im Staatsanleihesegment der Europäischen Währungsunion (EWU) blicken Investoren aktuell immer noch auf ein zweigeteiltes Segment: extrem niedrige Renditen in den Staaten Zentral- und Nordeuropas und deutlich höhere im Süden der EWU. Zwar läuft der Konjunkturmotor in der Eurozone rund, und auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat erste Schritte hin zu einer weniger expansiven Geldpolitik unternommen. Nichtsdestotrotz sind es vor allem die Befürchtungen einer Eskalation eines internationalen Handelskrieges sowie allgemeine geopolitische Risikofaktoren, die die Renditen der sicheren Häfen in Zentral- und Nordeuropa niedrig halten. Im Peripheriesegment der Währungsunion sind die Renditen seit der Euro-Krise zwar deutlich gefallen, sie liegen aber immer noch auf vergleichsweise hohen Niveaus, da die Anleger hier vor dem Risiko erneuter Marktunruhen zurückschrecken.Bei der Suche nach einer Alternative fällt der Blick der Anleger nicht selten auf Titel der Region Mittel- und Osteuropa (MOE). Bei dem Segment unterscheidet man zwischen den EU-Staaten, die bereits Mitglieder der Währungsgemeinschaft sind, und denen, die (noch) nicht Teil der Eurozone sind. Der EWU gehören das Baltikum, Slowenien und die Slowakei an, wohingegen unter anderem Ungarn, Tschechien und Polen weiterhin nicht Teil der EWU sind. Die MOE-Länder haben vor allem eine eher geringe Liquidität ihrer Staatstitel gemeinsam, während sich der Wirtschaftsraum aus fundamentaler Sicht durch EU-überdurchschnittliche Wachstumsraten, tendenziell niedrigere Staatsschuldenquoten und EU-unterdurchschnittliche Wohlstandsniveaus auszeichnet. Illiquidität und KnappheitDie Renditestrukturkurven der MOE-Emittenten ordnen sich in etwa zwischen denen aus Zentraleuropa und denen aus der EWU-Peripherie ein. Das niedrigste Renditeniveau ist in der Slowakei zu finden. Die Risikoprämien gegenüber Bundesanleihen liegen bei ca. 20 bis 40 Basispunkten (BP). Die Aufschläge können sehr gut mit denen von Belgien und Frankreich verglichen werden. Die Illiquidität in Verbindung mit einer durch das Staatsanleiheankaufprogramm der EZB resultierenden Knappheit erklärt nicht nur das Niveau der slowakischen Spreads, sondern auch die des Baltikums und Sloweniens. Bei den Nicht-Euro-MOE-Staaten sind Tschechien und Polen in derselben Liga wie die Euro-MOE-Länder, die besonders in einem angespannten Marktumfeld einen Gegenpol zur EWU-Peripherie bilden. Die höchsten Renditen bieten die Euro-Anleihen Rumäniens und Kroatiens. Die Kurven liegen zwar unter der italienischen, fallen aber etwa in den Bereich der spanischen oder portugiesischen. Gegenüber Bundesanleihen notieren die Renditeaufschläge je nach Laufzeit sogar bei über 100 BP.Die Differenzierung der Renditeniveaus innerhalb des MOE-Staatsanleihesegments kann zum Teil mit den Ratingunterschieden erklärt werden, wenngleich nahezu allen Emittenten ein positiver Ratingtrend attestiert werden kann. Herabstufungen durch die drei großen Ratinghäuser waren in den vorigen Jahren die Ausnahme. Ungarn hat seinen Weg zurück in den Investment-Grade-Bereich gefunden, aber auch Slowenien kann auf deutliche Verbesserungen zurückblicken. Nur Polen fällt auf: Das Durchschnittsrating liegt aktuell im Vergleich zu 2014 trotz des soliden Fundamentalrahmens niedriger. Die Gründe sind vor allem im angespannten Verhältnis zwischen Warschau und Brüssel zu sehen. Für die Gesamtregion ist der Ratingtrend aber eindeutig in der richtigen Spur. Bonitätsstarke Länder wie die Slowakei und Tschechien befinden sich bereits in Schlagdistanz zu den Beurteilungen, wie beispielsweise Belgien oder Irland sie aufweisen.Der Ratingtrend der vergangenen Jahre war mitunter ein starker Treiber für den Rückgang der Risikoprämien. Besonders in den Euro-MOE-Staaten liegen die Renditeaufschläge im Vergleich zum Rating inzwischen allerdings auf eher sehr niedrigen Niveaus. Bei bonitätsschwächeren MOE-Emittenten ist das Verhältnis zwischen Rating- und Renditeniveau im Vergleich dazu ausgeglichener. Ein weiterer maßgeblicher Grund für die im Verhältnis zum Ratingprofil eher niedrigen Renditeniveaus in der Region liegt darin, dass politische Themen mit Ausnahme Polens derzeit kaum als marktrelevant wahrgenommenen werden. Politische KonflikteAnders als im Peripheriesegment der EWU drehen sich die politischen Konflikte weniger um fiskalpolitische, sondern um migrations- oder gesellschaftspolitische Ziele der Regierungen. Im Rahmen der jüngsten Parlamentswahlen in Tschechien, Ungarn und Slowenien erstarkten vor allem politische Kräfte, die eine kritische Haltung gegenüber der EU-Flüchtlingspolitik haben. Da daraus keine unmittelbaren Konsequenzen hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit bzw. des Zahlungswillens eines Staates gegenüber seinen Gläubigern resultieren, steigen die Risikoprämien im Zuge möglicher Streitigkeiten mit Brüssel nicht an. Anleger nehmen bei ihren Investitionen daher auch niedrige Renditeaufschläge in Kauf. Stärker als auf die politische Unsicherheit blicken Investoren auf den Wachstums- und Fiskalrahmen der Region. Die deutliche Wachstumsphase, die inzwischen schon das vierte oder fünfte Jahr in Folge anhält, dürfte zwar in diesem und in den folgenden Jahren ein wenig an Dynamik einbüßen. Ein genereller Gesamttrend hin zu weniger hohen Wachstumsraten kann aber auch in der gesamten EU beobachtet werden, so dass die MOE-Staaten nicht verschont bleiben. Fiskalpolitisch konnten die meisten Staaten seit der Finanzkrise ihre Staatsverschuldung schrittweise zurückführen. Die Verschuldungsquoten liegen in den meisten MOE-Ländern deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Das Niedrigzinsumfeld sowie in Teilen erwirtschaftete Budgetüberschüsse wie in Litauen, Slowenien, Bulgarien, Tschechien und Kroatien waren beim Schuldenabbau hilfreiche Treiber.Die genannten Punkte werden von Anlegern begrüßt, allerdings bringt die besonnene Budgetpolitik aus Investorensicht auch Negatives mit sich. Die Anzahl der Eurobond-Emissionen nimmt ab. Dies verstärkt nochmals die Illiquidität dieser Titel. Dass Länder wie Ungarn, Bulgarien, Kroatien und Tschechien tendenziell eine geringere Anzahl an in Euro denominierten Anleihen offerieren, ist nicht neu. Eine Stagnation oder sogar Abnahme der Emissionsanzahl ist aber auch bei den Emittenten des Baltikums zu beobachten. Investoren, die auf der Suche nach Alternativen innerhalb der EU-Staatsanleihemärkte sind, sollten sich vor einem Blick in Richtung der MOE-Staaten nicht scheuen. Das Segment bietet die Möglichkeit, extrem niedrige Renditen zu vermeiden, ohne deutliche fiskalpolitische Risiken wie in der EWU-Peripherie in Kauf nehmen zu müssen. Unter Inkaufnahme der entsprechenden Liquiditätsrisiken können Anleger im MOE-Segment einen Kompromiss zwischen auskömmlichen Renditeaufschlägen und einer stabilen fundamentalen Gesamtverfassung der Region finden.—-*) Sebastian Fellechner ist EWU-Marktstratege bei der DZ Bank.