LEITARTIKEL

Bond-Dilettantismus

Was sich im Anleihesegment der deutschen Länder abspielt, ist unfassbar. Da werden gleich reihenweise Bond-Deals vermasselt, aufgrund marktferner Preise (Spreads) lassen sich die Papiere nicht mehr in vollem Umfang bei Endinvestoren platzieren. In...

Bond-Dilettantismus

Was sich im Anleihesegment der deutschen Länder abspielt, ist unfassbar. Da werden gleich reihenweise Bond-Deals vermasselt, aufgrund marktferner Preise (Spreads) lassen sich die Papiere nicht mehr in vollem Umfang bei Endinvestoren platzieren. In einzelnen Transaktionen sollen Banken schon auf mehr als 90 % des Volumens sitzengeblieben sein. Und das lässt sich sogar noch auf die Spitze treiben, wie das Gebaren eines Landes zeigt. Nach “erfolgreicher” Missplatzierung einer Anleihe wird nur wenige Tage später im gleichen Marktumfeld versucht, einen weiteren Bond ähnlicher Laufzeit aufzustocken, und das geht dann gleich noch mal schief. Getreu der Devise: Wir haben den Karren in den Dreck gefahren, und jetzt muss er noch tiefer rein.Doch das ist bei weitem nicht alles, wie Marktakteure über die Auftritte der Länder zu berichten wissen. Von Interesse ist nur der engste Spread, billig soll das Funding sein. Wen interessiert schon Sekundärmarkt-Performance? Das scheint fast so, als wären Investoren in Sachen Refinanzierung ein lästiges Beiwerk, auf das man gut verzichten kann. Investor Relations findet sich wohl nur im Ausnahmefall, ebenso die Markterkundung. Wer braucht so etwas auch schon? Wer Bonds zu begeben hat, gibt den Banken erst mal die Laufzeit vor, die er haben will. Die Banken dürfen dann mit Spread-Geboten in den Bieterwettbewerb einsteigen. Gespart wird aber nicht nur beim Spread. Auch bei den Bond-Gebühren – ein Standard im Markt, den auch Adressen wie KfW akzeptieren, – sollen manche Länder knauserig sein. Wie beschrieb ein Banker unlängst dieses Segment: “Da herrscht entweder Wildwest oder Bonanza.” Recht hat er: Aber dieser Bond-Dilettantismus muss beendet werden, und zwar schleunigst.Ohne Frage kann eine Anleihetransaktion auch mal schiefgehen, das ist kein Beinbruch. Aber die Serie von Emissionsflops, die es in diesem Jahr gegeben hat, ist nicht nur auf das Marktumfeld zurückzuführen. Sonst wäre Ähnliches auch in anderen Segmenten zu beobachten. Bei den Ländern liegt ein Fehler im System vor.Verehrte Refinanzierungsverantwortliche der Länder: Der Anleihemarkt der deutschen Länder ist nicht etwa ein Randsegment des deutschen Rentenmarktes, wie vielleicht manch einer in den Länderfinanzministerien bisher irrtümlich angenommen hat. Wir reden hier von einem ausstehenden Volumen von knapp 300 Mrd. Euro. Das ist kein Pappenstiel. Zum Vergleich: Der Zentralstaat Bund kommt per gestern auf ein ausstehendes Volumen an Schuldpapieren von 1,1335 Bill. Euro. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Länder zum SSA-Bereich (Sub-Sovereigns, Supras und Agencies, Gebietskörperschaften, supranationale Emittenten wie EU und halbstaatliche Emittenten wie Förderinstitute) des europäischen Bondmarktes gehören, der ein Billionen-Euro-Markt ist.Außerdem sind die Länder die erste Adresse in Deutschland nach dem Zentralstaat Bund. Auch das sollte man sich mal vergegenwärtigen. Und der Zentralstaat Bund ist innerhalb der Eurozone der Benchmark-Emittent und international zusammen mit den Vereinigten Staaten die Bond-Adresse mit dem höchsten Renommee. Wenn also auf der Ebene unterhalb des Bundes in Sachen Refinanzierung der Staatshaushalte Wildwest gespielt wird, ist der Bund darüber nicht sonderlich amüsiert. Denn es besteht die Gefahr, dass über das Verhalten der Länder auch der Ruf des Bundes beschädigt wird.Die Forderung kann nur lauten: Die Länder beenden dieses Verhalten im Bondprimärmarkt, mit dem Investoren vergrätzt werden. Denn diese Anleger braucht vielleicht auch der Bund. Des Weiteren legen sich Länder eine langfristig ausgelegte und vor allem nachhaltige, ausgewogene Kapitalmarktstrategie zu, die nicht nur auf den engsten Spread fokussiert, sondern auch Aspekte wie Marktauslotung, Sekundärmarkt, Investorenkontakt et cetera beinhaltet. Diese Strategie wird kommuniziert und wird vor allem auch eingehalten.Sollte das auf Länderebene nicht gelingen, muss eben eine Alternative her. Und die liegt auf der Hand: Der Bund übernimmt die Refinanzierung der Länder gleich mit. Eine seit Jahren erfolgreiche Institution hat der Bund am Kapitalmarkt ja schon: die Deutsche Finanzagentur. Sie hat den Bund zu dem gemacht, was er heute ist, ein Benchmark-Emittent, auf den sich die Investoren verlassen können. Und die Finanzagentur hat durchaus die Expertise, das Funding auch für andere Institutionen mit zu übernehmen, wie am Beispiel des Rettungsfonds abzulesen ist. Das wäre durchaus ein gangbarer Weg.——–Von Kai Johannsen Der Bond-Dilettantismus deutscher Länder muss beendet werden. Wenn es nicht anders geht, übernimmt der Bund die Refinanzierung der Länder eben mit.——-