LEITARTIKEL

Bond-Hausse birgt Risiken

Seit Jahren dasselbe Spiel. Unisono sagen die Experten voraus, dass der Sinkflug der Staatsanleiherenditen nun aber wirklich sein Ende findet und sich im neuen Jahr höhere laufende Verzinsungen einstellen werden, um dann von der Realität eines...

Bond-Hausse birgt Risiken

Seit Jahren dasselbe Spiel. Unisono sagen die Experten voraus, dass der Sinkflug der Staatsanleiherenditen nun aber wirklich sein Ende findet und sich im neuen Jahr höhere laufende Verzinsungen einstellen werden, um dann von der Realität eines Besseren belehrt zu werden. Doch in diesem Jahr “enttäuscht” der Anleihemarkt die Erwartungen in einem besonders starken Ausmaß. Ausgehend von ohnehin mickrigen 0,63 % ist etwa die laufende Verzinsung der zehnjährigen Bundesanleihen weiter gesunken und sogar in den Minusbereich eingetaucht. Am Dienstag wurde mit minus 0,186 % erneut ein Rekordtief erreicht.Damit geht auch die mit durchaus vernünftigen Argumenten unterlegte Prognose, dass Anleger auf Sicht angesichts der Bewertungslage mit Dividendentiteln letztlich deutlich besser fahren werden, bislang nicht in Erfüllung. Im Gegenteil: Der Dax hat seit dem Jahresbeginn um 11,3 % nachgegeben, während zehnjährige Bundesanleihen, gemessen am Index RexP, den Investoren einen Ertrag von 7,4 % beschert haben. Das entspricht einer deutlichen Outperformance der Anleihen von 18,7 Prozentpunkten. Oder anders ausgedrückt: Aus 100 000 Euro wurden für den Dax-Investor 88 700 Euro, während der Halter zehnjähriger deutscher Staatstitel nun über ein Vermögen von 107 400 Euro verfügt.Gleich mehrere starke Gewichte ziehen die Staatsanleiherenditen in den drei großen Zeitzonen nach unten und einen immer größeren Teil des Marktes, was die laufende Verzinsung betrifft, “unter die Wasseroberfläche”. Die Erwartungen für das globale Wachstum werden Zug um Zug weiter zurückgeschraubt, so dass auch für dieses Jahr nun nicht mehr wie ursprünglich eine Beschleunigung, sondern eine Verlangsamung erwartet wird. Das hat zum einen zur Folge, dass die Inflationserwartungen reduziert werden. Zum anderen trägt dies zur Risikoaversion der Investoren bei, die Anfang Juni von einem deutlich hinter den Erwartungen liegenden US-Arbeitsmarktbericht verschreckt wurden. Zusammen mit den von der Politik ausgehenden Irritationen sorgt dies für eine Flucht in sichere Anlagen wie Bundesanleihen und amerikanische Treasuries, ein Effekt, der zuletzt durch das Votum der Briten für den Brexit deutlich verstärkt worden ist.Nicht minder gewichtig ist der Einfluss, den die globale Geldpolitik auf die Anleihemärkte ausübt. In Japan und im Euroraum fahren die Währungshüter eine ultralockere Politik und haben signalisiert, gegebenenfalls den Druck aufs Gaspedal weiter zu verstärken. In den Vereinigten Staaten zögert sich die Fortsetzung des Zinserhöhungszyklus durch das Brexit-Votum nun noch weiter hinaus, und die Bank of England, von der noch vor nicht allzu langer Zeit der Auftakt der globalen Leitzinswende erwartet wurde, ist nun wieder auf Lockerungsbereitschaft umgeschwenkt.Stark auf die Verzinsung drückend wirken gerade in Deutschland die Staatsanleihekäufe der EZB. Durch die Talfahrt der Renditen der Bundesanleihen gibt es immer weniger Papiere, die für die Notenbank kaufbar sind. Denn die Regeln des Kaufprogramms schließen unter anderem Anleihen aus, deren Verzinsung niedriger ist als der EZB-Einlagensatz von minus 0,4 %. Vor dem Brexit-Votum bereits Richtung sechs Jahre tendierend, reichen die Laufzeiten der Bundesanleihen mit Verzinsungen unterhalb von minus 0,4 % mittlerweile bis zum achtjährigen Bereich. Im Ergebnis konzentrieren sich die Anleihekäufe auf längere Laufzeiten, also speziell auf zehnjährige Titel, was den Druck auf deren Verzinsung zusätzlich verstärkt.Auch wenn nun ein weiteres Abrutschen der Verzinsung von Bundesanleihen in Richtung der Tiefen, die etwa Schweizer Zehnjährige erreicht haben (minus 0,61 %), und somit eine Fortsetzung der Hausse am Staatsanleihemarkt bevorzustehen scheint, werden damit letztlich nur die Risiken für die Marktteilnehmer immer größer. Die Frage ist nicht, ob es zu einem empfindlichen Rückschlag am Staatsanleihemarkt kommt, sondern wann dies geschehen wird. Es reicht bereits ein geringfügiger Renditeanstieg, um den Haltern von Bundesanleihen schmerzhafte Negativerträge einzubrocken. Einen kleinen Vorgeschmack darauf gaben kürzlich Meldungen, die EZB überlege eine Änderung der Regeln bzw. Beschränkungen ihres Anleihekaufprogramms. Da dies den Bestand kaufbarer Anleihen deutlich ausweiten würde, sackte der Bund-Future, der zehnjährige Bundestitel abbildet, innerhalb kürzester Zeit um 1,75 Prozentpunkte ab.——–Von Christopher KalbhennDie Frage ist nicht, ob es zu einem empfindlichen Rückschlag am Staatsanleihemarkt kommt, sondern wann dies geschehen wird.——-