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Bondakteure sehen M & A noch gelassen

Von Joachim Schallmayer *) Börsen-Zeitung, 8.5.2014 Nach langen Jahren der Stagnation kommt der globale Markt für Fusionen und Übernahmen (M & A-Markt) aktuell deutlich in Schwung. In den USA ist dieser Trend schon etwas länger zu beobachten, dort...

Bondakteure sehen M & A noch gelassen

Von Joachim Schallmayer *)Nach langen Jahren der Stagnation kommt der globale Markt für Fusionen und Übernahmen (M & A-Markt) aktuell deutlich in Schwung. In den USA ist dieser Trend schon etwas länger zu beobachten, dort stiegen die Volumina der M & A-Transaktionen bereits im vergangenen Jahr spürbar an, ein Trend, welcher sich auch im aktuellen Jahr eindrucksvoll fortsetzen kann. Aber auch in Europa ist seit diesem Jahr eine spürbare Belebung zu verzeichnen. Insgesamt liegt die Anzahl der Transaktionen global zwar nur um 3,5 % höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Es ist aber vor allem das um 74 % auf einen Wert von rund 1,4 Bill. Dollar angestiegene Volumen angekündigter oder bereits durchgeführter globaler M & A-Transaktionen, welches ins Auge sticht. Spektakuläre Nachrichten von Megafusionen schaffen es wieder in die Schlagzeilen. In Europa waren dies zuletzt die für den französischen Industriekonzern Alstom abgegebenen Übernahme-Interessensbekundungen. Noch beeindruckender ist das vom US-Pharmakonzern Pfizer für die britische AstraZeneca abgegebene Übernahmeangebot. Mit einem Angebotspreis von knapp über 100 Mrd. Dollar handelt es sich um die größte jemals in der Pharmaindustrie angestrebte Übernahme. Positive PerspektivenGrundvoraussetzung für die Belebung des Geschäftes von Fusionen und Übernahmen ist, dass die Rahmenbedingungen an den Kapitalmärkten intakt sind und die wirtschaftlichen Perspektiven als stabil und positiv wahrgenommen werden. Beide Voraussetzungen sind derzeit erfüllt. Die Rahmenbedingungen an den Kapitalmärkten haben sich in nahezu allen Marktsegmenten und geografischen Regionen deutlich beruhigt und in den Bereich der Normalität zurückgefunden. Die Volatilitäten verschiedener Anlageklassen verfestigen sich auf stabil niedrigen Niveaus und Risikoprämien sind stark rückläufig. Mit Blick auf die gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen signalisieren die Einkaufsmanagerindizes, dass sich die volkswirtschaftlichen Perspektiven zunehmend im Bereich der moderaten Expansion verfestigen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen ist eine ansteigende Zukunftszuversicht und damit verbunden auch ein Anziehen der M & A-Aktivitäten wenig überraschend und sollte für Aktien- und Anleihemärkte ein gleichermaßen positives Signal darstellen.Grundsätzlich sind die Anleihemärkte allerdings gut beraten, die Entwicklung bei Fusionen und Übernahmen kritisch zu begleiten. Denn während Aktionäre durch Übernahmen, zumindest die des Übernahmeziels, in der Regel zu den direkten Profiteuren zählen, sind die Auswirkungen auf die Anleihegläubiger nicht immer so klar bestimmbar. Bisher reagieren die Anleihemärkte unbeeindruckt auf die zunehmenden M & A-Aktivitäten. Offensichtlich sehen die Investoren derzeit keine Gefahr dafür, dass sich die Strukturen in den Bilanzen der Unternehmen durch die getätigten Übernahmen stark zu ihrem Nachteil verschieben. Die Unternehmensbilanzen sind in einem guten bis sehr guten Zustand und von hohen Barbeständen geprägt. Vor diesem Hintergrund beurteilen Anleihegläubiger Übernahmen offensichtlich als eine sinnvolle Verwendung dieser Barmittel und sehen aktuell keine Gefahr von zu stark ansteigenden Verschuldungsrelationen ausgehen. Diese Reaktion ist durchaus nachvollziehbar. Schließlich bergen Akquisitionen die Perspektive auf Wachstums- und damit auch Cash-flow-Sicherung. Aus Sicht der Anleihegläubiger ist diese Verwendung der Barmittel in jedem Fall der Verwendung für Aktienrückkäufe oder steigender Dividendenausschüttungen vorzuziehen, die ausschließlich die Aktionäre eines Unternehmens bevorteilen würde. Hinzu kommt, dass die Bargeldbestände internationaler Großkonzerne oftmals in den Bilanzen ihrer ausländischen Tochterunternehmen liegen und bei einer Rückführung in die Konzernzentrale mit großer Wahrscheinlichkeit zu hohen Steuernachzahlungen führen würden. Inwieweit die steuerlichen Anreize hinter diesen Transaktionen sinnvoll sind, ist eine wirtschafts- und allgemeinpolitische Frage. Solange es jedoch diese Regelungen gibt, werden die im globalen Wettbewerb stehenden Unternehmen alle sich ihnen bietenden Möglichkeiten zur Optimierung ihrer Ertragssituation nutzen. Somit erscheinen einige der zuletzt angekündigten Übernahmen auch stark durch steuerliche Aspekte motiviert zu sein. Vor diesem Hintergrund kann die Verwendung von Barmitteln zu Übernahmezwecken sowohl für Eigenkapitalgeber als auch für Fremdkapitalgeber vorteilhaft sein und erklärt die wohlwollende Reaktion an den Anleihemärkten. Niedrige Zinsen als TreiberNeben den erwähnten Anreizen ist es aber insbesondere das unverändert niedrige Zinsniveau, das die Übernahmeaktivitäten anfacht. Die Gewinnrendite von Unternehmen bewegt sich nach wie vor deutlich oberhalb der Rendite, welche für mit “BBB” benotete Unternehmensanleihen gezahlt werden muss. In diesem Umfeld ist es für Unternehmen vorteilhaft, ihre Verschuldung zu erhöhen und eigenkapitaloptimierende Maßnahmen durchzuführen. Das allgemeine Zinsniveau, aber auch die weiter rückläufigen Risikoaufschläge machen die Kapitalaufnahme an den Anleihemärkten für Unternehmen extrem attraktiv. Dem niedrigen allgemeinen Zinsniveau geschuldet sind die Anleger auf der Suche nach höheren Renditen zunehmend dazu bereit, höhere Risiken einzugehen. Besonders gut wird diese Entwicklung am Markt für Hochzinsanleihen sichtbar. Aktuell rentieren als spekulativ eingestufte europäische Unternehmensanleihen nur noch mit knapp 4 %. Gleichzeitig sind die über diesen Markt finanzierbaren Volumina merklich angestiegen. Daher verwundert es nicht, dass die Unternehmen die in diesem Bereich aufgenommenen Mittel zunehmend auch zum Zwecke der Unternehmensakquisition einsetzen. Hohe NachfrageEine der beeindruckendsten Kapitalaufnahmen in diesem Markt war die Übernahme der Vivendi Telekom Tochter SFR. Das übernehmende Unternehmen Numericable hatte zusammen mit seiner Mutter Altice unter anderem für den Zweck dieser Übernahme ein Bond-Paket von 16,7 Mrd. Dollar am Markt platziert. Trotz des Ratings im Ramschbereich konnte das Unternehmen Zeichnungswünsche von Investoren von über 100 Mrd. Dollar entgegennehmen. Derartige Transaktionen wären in normalen Zeiten ein eindeutiges Zeichen zur Vorsicht. Aufgrund der Besonderheiten im aktuellen Wirtschaftszyklus, der zwar stetigen, aber insgesamt sehr schleppend verlaufenden Erholungsbewegung und der noch auf lange Zeit stark expansiven Geldpolitik der Notenbanken, ist das Verhalten des Marktes allerdings durchaus nachvollziehbar. Risikoanlagen im Allgemeinen und damit auch der Bereich der Unternehmensanleihen im Speziellen erscheinen nach wie vor attraktiv. Vor dem Hintergrund steigender M & A Aktivitäten sind Investoren allerdings gut beraten, die aktuellen Entwicklungen mit einer erhöhten Wachsamkeit zu verfolgen.—-*) Joachim Schallmayer ist im Makro-Research der DekaBank tätig.