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Bondknappheit bei Euro-Staaten auch 2018

Von Daniel Lenz *) Börsen-Zeitung, 7.12.2017 Die Emissionstätigkeit der Staaten der Eurozone hat ihren Zenit inzwischen deutlich überschritten. Lag das Gesamtvolumen der elf größten staatlichen EWU-Emittenten im Jahr 2015 bei 894 Mrd. Euro, dürfte...

Bondknappheit bei Euro-Staaten auch 2018

Von Daniel Lenz *)Die Emissionstätigkeit der Staaten der Eurozone hat ihren Zenit inzwischen deutlich überschritten. Lag das Gesamtvolumen der elf größten staatlichen EWU-Emittenten im Jahr 2015 bei 894 Mrd. Euro, dürfte es 2017 nur noch 850 Mrd. Euro betragen. Für 2018 könnte die Mittelaufnahme mit rund 830 Mrd. Euro sogar auf das niedrigste Niveau seit 2012 fallen. Damit tritt nach der Staatenfinanzkrise zunehmend eine Normalisierung beim Volumen der Neuemissionen ein.Zwei wesentliche Gründe tragen zu dieser Entwicklung bei: Zum einen werden 2018 deutlich weniger Anleihen fällig als in früheren Jahren. Dies geht auf eine stark veränderte Funding-Politik der Länder zurück. Die Mehrheit der Eurozonenstaaten versucht, von dem deutlich niedrigeren Renditeniveau langfristig zu profitieren, indem sie häufiger Bonds mit einer langen oder ultralangen Laufzeit begeben. Das Kalkül der Staaten: Das historisch niedrige Renditeniveau bietet die vermeintlich einmalige Chance, langfristig von diesem zu profitieren und sich so außerdem gegen Zinsänderungsrisiken abzusichern. 100 Jahre aus ÖsterreichBesonders spektakulär war in diesem Jahr die Ausgabe einer österreichischen Staatsanleihe mit 100 Jahren Laufzeit. Trotz des sehr hohen Kursrisikos im Fall eines Renditeanstiegs konnte die Finanzierungsagentur in Wien 3,5 Mrd. Euro vereinnahmen. Mehrere Länder der Währungsgemeinschaft begaben keine neuen Anleihen, die eine Laufzeit von weniger als fünf Jahren hatten. Die durchschnittliche gewichtete Laufzeit der ausstehenden Papiere ist in den vergangenen Jahren daher deutlich gestiegen und liegt bei mindestens sechs Jahren – bei manchen Ländern wie Belgien gar bei mehr als neun Jahren. Zum Vergleich: In den Hochzinsphasen der neunziger Jahre finanzierten sich viele Staaten noch überwiegend über Geldmarktpapiere.Zum anderen tragen inzwischen die Sparbemühungen der Staaten Früchte. Die Kennziffern der Neuverschuldung sinken quer durch die Bank, wenngleich es noch gewaltige Unterschiede zwischen den Staaten gibt. Während Deutschland Überschüsse meldet, kann Frankreich sein Defizit nur mit Mühe abbauen. Doch werden die Haushaltskennziffern immer im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung angegeben. Angesichts der außerordentlich guten Konjunktur wächst die Wirtschaftsleistung der Eurozone kräftig. Im Zuge dessen sinkt auch das Budgetdefizit in Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In absoluten Größen fällt der Rückgang der Neuverschuldung aber deutlich bescheidener aus – in manchen Ländern wie Frankreich legt die absolute Verschuldung sogar weiter zu.Geradezu enttäuschend ist der Abbau der Neuverschuldung zu beurteilen, wenn man die merklich sinkenden Ausgaben für Zinsen gegenrechnet. Die Neuverschuldung vor Zinszahlungen, auch Primärdefizit genannt, steigt im hochverschuldeten Italien beispielsweise. Zu Beginn des Wahlkampfes in Italien – im Frühjahr wird dort ein neues Parlament gewählt – überschlagen sich die großen Parteien und Wahlallianzen nahezu mit finanziellen Versprechungen an die Wähler. Der Einfluss des Rückgangs der Neuverschuldung auf die Emissionstätigkeit fällt daher weniger ins Gewicht als höhere Volumina in (ultra-)langen Bondlaufzeiten.Ein weiterer Effekt, der den Rückgang der Mittelaufnahme bremst, ist in der Vorfinanzierung künftiger Schulden zu sehen. Etliche Staaten planen ihre Emissionen gar über 2018 hinaus im Voraus und finanzieren zukünftige Fälligkeiten vor. Dies ist vor allem dann sinnvoll, wenn die Staaten vom Anstieg des allgemeinen Renditeniveaus ausgehen.Beim Blick auf die Einzelstaaten dominieren weiterhin Italien, Frankreich, Deutschland und Spanien den Primärmarkt für Staatsanleihen der Eurozone. Womöglich kontraintuitiv mag es erscheinen, dass das Funding-Volumen Deutschlands voraussichtlich 2018 leicht steigen wird. Die Gründe sind aber naheliegend. Die Deutsche Finanzagentur hat weniger als andere Schatzämter ihre Emissionspolitik dem Niedrigzinsumfeld angepasst, so dass die durchschnittlichen Bund-Laufzeiten auch in geringerem Maße anstiegen. Anders sieht es bei Italien aus: Die Laufzeiten wurden erhöht, so dass die Fälligkeiten 2018 um 17 Mrd. Euro sinken werden. Frankreich nimmt mehr aufWenngleich die Funding-Volumina 2018 in vielen Ländern leicht zurückgehen werden, bedeutet dies nicht, dass sich die Finanzminister deswegen zurücklehnen können. Da die Europäische Zentralbank (EZB) ab Januar die monatlichen Anleiheankäufe halbiert, wird das Nettoemissionsvolumen 2018 sogar steigen. Unter dem Nettoemissionsvolumen versteht man die Differenz von Neuemissionen und Fälligkeiten und EZB-Käufen. Während die Nettomittelaufnahme Deutschlands und der Niederlande auch 2018 in tiefrotem Bereich verharrt, ist bei Frankreich erstmals seit Anfang des Staatsanleihekaufprogramms der EZB von einem positiven Nettosaldo auszugehen. Die Nettogesamtmittelaufnahme der gesamten Eurozone wird 2018 weiter negativ sein, wenngleich weniger ausgeprägt als noch in diesem Jahr.Zwar dürfte sich das Knappheitsproblem im Handel von EWU-Staatsanleihen damit nicht verstärken, die EZB wird aber als struktureller Käufer weiter großen Markteinfluss ausüben. Der Aufbau der Bilanzsumme verlangsamt sich und könnte Ende 2018 auslaufen, die Notenbank ist aber noch weit davon entfernt, ihre Bestände abzubauen. Alle Anleihefälligkeiten werden reinvestiert, so dass das Kaufprogramm faktisch noch mehrere Jahre fortgesetzt werden dürfte. Legt man die USA als Blaupause zugrunde, wann und wie sich die EZB aus dem Anleihemarkt zurückzieht, werden noch Jahre vergehen. Insgesamt lagen in den USA drei Jahre zwischen dem Ende des Bilanzaufbaus der Fed und dem Beginn des Abbaus. Allerdings vollzieht sich die Reduzierung dort sehr langsam, um das Risiko von Verwerfungen am Bondmarkt möglichst klein zu halten.Eine weitere Folge der sehr guten Konjunktur in der Eurozone ist auch die deutlich sinkende Risikoaversion bei festverzinslichen Papieren, die sich in fallenden Risikoprämien ausdrückt. Setzt sich der positive Ratingtrend der EWU-Staaten fort, könnten die Risikoprämien 2018 weiter fallen. Gleichzeitig steigen die Zinsänderungsrisiken bei als risikofrei geltenden Papieren wie Bunds, was den Risikoappetit zusätzlich befeuert. Allerdings drohen mit den Parlamentswahlen in Italien auch 2018 politische Störfeuer. Reißt das gute Marktumfeld dennoch nicht ab, könnte sogar Griechenland an den Primärmarkt zurückkehren. Dieses Jahr ist Hellas mit einem breit angelegten Bondumtausch bereits die Generalprobe gelungen. Im Rahmen des Tausches wurden 20 Anleihen, die 2012 im Zuge des Zwangsumtausches begeben wurden, in fünf liquidere Bonds getauscht. Der Zuspruch zu dem freiwilligen Umtausch ohne Bewertungsabschläge war sehr hoch und soll die Handelbarkeit griechischer Papiere im Vorfeld der Ausgabe neuer Anleihen erhöhen. Allerdings wird Griechenland an der bisherigen Reformpolitik festhalten müssen, um wieder fest in den Kreis regelmäßiger Emittenten aufgenommen zu werden.—-*) Daniel Lenz ist als Analyst bei der DZ Bank tätig.