MARKTCHANCEN 2018

Boom kryptischer Software-Einheiten

Bitcoin und Co. erreichen über 500 Mrd. Dollar Kapitalisierung - Nur eine Blase?

Boom kryptischer Software-Einheiten

Von Dietegen Müller, FrankfurtDer Dezember hatte es für Anhänger von Kryptowährungen in sich: Tägliche Preiseskapaden, die Einführung von Bitcoin-Futures-Kontrakten und binären Optionen an US-Börsen und ein Wertzuwachs von über 150 Mrd. Dollar in gut einer Woche auf eine Kapitalisierung über 500 Mrd. Dollar laut Coinmarketcap sind klare Anzeichen einer spekulativen Blase.Dabei nimmt sich die atemberaubende Preissteigerung der verbreitetsten Kryptowährung Bitcoin von unter 800 Dollar noch zu Jahresbeginn 2017 auf rund 18 000 Dollar oder mehr im Dezember und damit um das rund 22-Fache im Vergleich fast bescheiden aus: Das auf einem anderen Softwareprotokoll basierende Ethereum erfuhr eine 85-fache Wertsteigerung, Litecoin eine 87-fache Steigerung und Ripple immer noch eine 75-fache Erhöhung. So wertvoll wie MicrosoftWelche Rolle diese als fälschungs- und manipulationssicher bezeichneten digitalen Datenbankeinträge nun in einer Volkswirtschaft haben und welcher Wert ihnen innewohnt, darüber gehen die Einschätzungen nach wie vor weit auseinander. Handelt es sich überhaupt um eine Währung? Oder nur um eine Recheneinheit? Um eine Wertaufbewahrung und eigene Assetklasse? Oder nur um eine Technologie, mit der über das Internet Werte von Punkt zu Punkt transferiert werden können, ohne Intermediäre? Sind damit letztlich die Preise, die für Kryptowährungen an verschiedenen Handelsplattformen wie Bitflyer, Bitstamp, Coinbase, Coinmama oder Gemini, Kraken aufgerufen werden, nur Preise für eine Beteiligung an einer Datenbanktechnologie und damit an einer Software? In dieser Lesart erreicht der Kryptowährungsmarkt derzeit ungefähr die Marktkapitalisierung des US-Softwareriesen Microsoft. Da sich die Blockchain- und Distributed-Ledger-Technologien noch in den Kinderschuhen befinden, nimmt dies bereits viel an denkbarer Wertschöpfung vorweg.Alle diese Fragen sind noch nicht abschließend zu beantworten. Derzeit scheint vor allem eine rein spekulativ getriebene Nachfrage nach dem limitierten Angebot dieser Einheiten den Preis zu bestimmen. Limitiert deswegen, weil von Bitcoin und Co. jeweils nur so viele Einheiten über einen Algorithmus “errechnet” werden können, wie dies im entsprechenden Softwareprotokoll vorgesehen ist.Dass Kryptowährungen aber keine Eintagsfliege bleiben dürften, ist aus verschiedenen Gründen wahrscheinlich. Zum einen ist die Handelsaufnahme von Bitcoin-Futures in den USA ein Zeichen, dass diese wichtige Volkswirtschaft dem weitgehenden Verbot von Bitcoin-Transaktionen in dem ebenso wirtschaftsmächtigen China nicht folgt. China versucht mit den Mitteln der sogenannten Deep Packet Inspection – also zur Erkennung von Internet-Datenverkehr entwickelten Softwarelösungen – über die Internetprovider im Lande Blockchain-Transaktionen im Netz zu erkennen, zu stören und zu unterbinden – mit dem Ziel, auch Kapitalflucht zu verhindern. Wie effektiv die Störung der Blockchain ist, darüber gehen die Einschätzungen ebenfalls auseinander.Umgekehrt greift die US-Börsenaufsicht stärker in sogenannte Initial Coin Offerings ein, also Finanzierungen auf Basis von Kryptowährungen, und warnt vor damit verbundenen Risiken und Betrugsmöglichkeiten. SEC-Chairman Jay Clayton betonte im Dezember aber, dass Coin Offerings “effiziente Wege für Entrepreneurs und andere sein können, um Mittel einzuwerben, eingeschlossen auch für innovative Projekte”. Die Ausgabe von Token im Rahmen eines ICO stelle dabei ein Wertpapiergeschäft dar und sei registrierungspflichtig. Notenbanken im DilemmaIn Europa ist der Kryptowährungshandel bis dato unreguliert und erlaubt. Es wird vor ICOs gewarnt, aber noch fehlt ein regulatorischer Rahmen, auch wenn ein solcher zumindest in der EU kommen könnte. Die britische Finanzaufsicht hatte dagegen zuletzt erklärt, keine Bitcoin-Regulierung anzustreben. Einige Notenbanken bezeichnen den Hype um Kryptowährungen zwar als gefährlich, zugleich wird aber etwa in Schweden, aber auch in Australien die Einführung einer Digitalwährung durch die Notenbank erwogen.Ob Notenbank-Digitalwährungen dazu führen, dass bestehende private Kryptowährungen in ihrer Attraktivität geschmälert werden, ist unklar. Solange es nicht zum Verbot von Kryptowährungen kommt, dürften private digitale Recheneinheiten weiter Zuspruch finden. Denn über sie lassen sich global digitale Werttransfers vornehmen, die kostengünstiger sind als über bestehende Zahlungsverkehrslösungen. Die Vielgestaltigkeit und Komplexität in solchen digitalen Werttransfers wird zudem eine restriktive Regulierung schwierig machen. Womöglich wird sich der Preis von Kryptowährungen einfach als marktbasierter Preis für global einsetzbare Tausch- und Beteiligungseinheiten etablieren, losgekoppelt von Zentralbankgeld.