Bouhmidi-Bänder: Der impliziten Volatilität auf der Spur
Technische Analyse
Der impliziten Volatilität auf der Spur
Von Salah-Eddine Bouhmidi*)
Wie schön wäre es, wenn wir jeden Tag wissen würden, wo zum Beispiel der Dax 40 am Ende des Tages schließen wird? In diesem Beitrag werde ich diesen Traum leider nicht verwirklichen können. Aber mithilfe der Bouhmidi-Bänder kann man ihm zumindest näher kommen.
Wir können statistisch gesehen fast unmöglich schätzen, wo ein Basiswert am Ende des Tages auf die letzten Kommastelle genau schließt. Wir können allerdings mit einer hohen Wahrscheinlichkeit von etwa 68% oder gar 95% eine erwartete Schwankungsbreite ermitteln, in der zum Beispiel ein Aktienindex am Ende des Tages schließen wird, und sogar wichtige Tagesumkehrpunkte ausfindig machen – entscheidende, vermeintlich „unsichtbare“ Widerstands- und Unterstützungszonen, die einen erheblichen Mehrwert liefern können.
Direkt visualisieren
Mithilfe der Bouhmidi-Bänder können Anleger die täglich erwartete Schwankungsbreite für eine Vielzahl von Basiswerten ermitteln und sogar direkt in einem Chart visualisieren lassen. Die Bouhmidi-Bänder gehören zu der Gruppe der Volatilitätsindikatoren. Bekannte klassische Volatilitätsindikatoren wie zum Beispiel die Bollinger-Bänder, der Keltner-Kanal oder die Average True Range (ATR) basieren auf der historischen Volatilität. Die Besonderheit und der Mehrwert, den die Bouhmidi-Bänder liefern, liegt darin, dass nicht die historische Volatilität, sondern die implizite Volatilität verwendet wird, um einen erwarteten Kurskorridor zu bestimmen.
Wie bereits erwähnt, gehören die Bouhmidi-Bänder zur Gruppe der Volatilitätsindikatoren und ferner zu den impliziten Volatilitätsindikatoren. Es existieren viele bekannte historische und nur wenige oder fast keine impliziten Volatilitätsindikatoren. Für die Bestimmung der Bouhmidi-Bänder ist immer der Schlusskurs des Basiswertes und des korrespondierenden Volatilitätsindex erforderlich. Auf Basis eines normalverteilten Konfidenzintervalls kann dann die tägliche erwartete Schwankungsbreite ermittelt werden.
Um die Funktionsweise des Indikators verstehen zu können, nehmen wir einmal einen fiktiven Schlusskursstand des Dax 40 von 10.000 Indexpunkten an und einen aktuellen Tagesschlusskurs des korrespondierenden Volatilitätsindex, in diesem Fall des VDAX-New, von 30 Prozentpunkten. Die erwartete Bouhmidi-Bandbreite würde sich für den kommenden Tag bei einer Standardabweichung (1σ) wie folgt ermitteln:
10.000 Punkte ± 10.000 * 30 % * √(1 Tag/365 Tage) = 10.000 Punkte ± 157 Punkte
Anders ausgedrückt wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 68,27% am kommenden Tag eine Schwankungsbreite von 157 Punkten nach oben wie nach unten erwartet. Dies ergibt einen potenziellen Kurskorridor von 10.157 Punkten auf der Oberseite (Oberes Bouhmidi-Band) und 9.843 Punkten auf der Unterseite (unteres Bouhmidi-Band). Folglich wird bei einer zweifachen Standardabweichung (2σ) mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% am kommenden Tag eine Schwankungsbreite von 314 Punkten nach oben wie nach unten erwartet. Dies ergibt ein oberes Bouhmidi-Band bei 10.314 Punkten sowie ein unteres Bouhmidi-Band bei 9.686 Punkten.
Historische Auswertung
Um die Robustheit der Bouhmidi-Bänder zu überprüfen, muss natürlich historisch überprüft werden, ob der gewünschte Basiswert auch tatsächlich bei einer Standardabweichung zu 68% der Fälle und bei zwei Standardabweichungen zu rund 95% der Fälle am Ende des Handelstages in der täglich ermittelten Bouhmidi-Bandbreite schließt. Eine Analyse für den Dax im Beobachtungszeitraum 1. Januar 2006 bis 1. Januar 2023 ergab, dass bei einer Standardabweichung in rund 69% der Fälle der Tagesschlusskurs in der ermittelten Bouhmidi-Bandbreite liegt. Bei zwei Standardabweichungen liegt der Tageschlusskurs in rund 93% der Fälle innerhalb der erwarteten Bandbreite. Die Ergebnisse bestätigen das Modell und konnten auch über den Zeitverlauf die Robustheit der Bouhmidi-Bänder beweisen.
In den meisten Handelstagen schließt der Basiswert am Ende des Tages innerhalb der Bouhmidi-Bänder. In den restlichen Fällen kann es nur noch zu zwei Szenarien kommen. Variante eins: Der Basiswert bricht aus den Bouhmidi-Bändern nach oben oder nach unten aus und kehrt binnen des Handelstages wieder in die Bandbreite zurück. Variante zwei: Der Basiswert setzt seinen Trend nach dem Ausbruch fort. Die Bouhmidi-Bänder sind zunächst ein Indikator, allerdings bietet er auch verschiedene interessante Anwendungsmöglichkeiten.
Blick über Tellerrand
Die Bouhmidi-Bänder sollen dem Anleger bzw. Trader einen Blick über den Tellerrand verschaffen und die oftmals nicht greifbare implizite Volatilität sogar direkt in einem Chart visualisieren zulassen. Die Bouhmidi-Bänder sind ein Indikator, der auch für Handelsansätze eine geeignete Ausgangsbasis liefern kann. Es bestehen unzählige Anwendungsmöglichkeiten und Erweiterungspotenziale. Die Forschung geht weiter und ich lade jeden herzlich ein, an diesem Denkansatz mitzuarbeiten.
*) Salah-Eddine Bouhmidi ist Head of Markets bei IG Europe.