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Brasilien vor großen Herausforderungen

Von Mauro Toldo *) Börsen-Zeitung, 26.2.2015 Die Brasilianer mussten den jüngsten Karneval trocken feiern, und dies wörtlich gesprochen: Eine extreme Dürre belastet das Land und führt zu Versorgungsengpässen bei Wasser und Energie. Auch sonst gab...

Brasilien vor großen Herausforderungen

Von Mauro Toldo *)Die Brasilianer mussten den jüngsten Karneval trocken feiern, und dies wörtlich gesprochen: Eine extreme Dürre belastet das Land und führt zu Versorgungsengpässen bei Wasser und Energie. Auch sonst gab es in letzter Zeit wenig zu feiern: Das einstige Vorzeigeunternehmen Petrobras steckt in einem Korruptionsskandal, der immer weitere Kreise zieht. Die Popularität der Regierung liegt auf einem historischen Tief. So ist es nicht verwunderlich, dass Brasilien-Anleihen in den vergangenen Wochen das Nachsehen im Emerging-Markets-Universum hatten. Während der Subindex für BBB-Ratings innerhalb des EMBIG seit Ende Januar einen Spreadrückgang von rund 40 Basispunkten auf aktuell 266 Basispunkte verzeichnete, blieben in dieser Zeit die Brasilien-Spreads unverändert bei rund 310 Basispunkten.Die kommenden Wochen werden einen Vorgeschmack auf die zweite Amtszeit von Präsidentin Dilma Rousseff geben. Ihre Handhabung der aktuellen Krise wird den Bonitätstrend des Landes entscheidend bestimmen. Bisher konnte ihr Agieren aber nur teilweise als gelungen bezeichnet werden. Insbesondere bei der Wahl des neuen Petrobras-Chefs setzten sich die schlechten Gewohnheiten der Vergangenheit durch. Belastungsfaktor PetrobrasDer staatsnahe Energieriese Petrobras war einst der ganze Stolz der Brasilianer. In den vergangenen Jahren hat sich das Unternehmen allerdings zu einem Selbstbedienungsladen der Regierung entwickelt. So kam es immer wieder zur Einmischung der Politik in die wirtschaftlichen Entscheidungen des Unternehmens, zum Beispiel beim Bau von Raffinerien in unterentwickelten Regionen des Landes. Diese Form der Regionalförderung sollte die Wähler für die Regierungspartei milde stimmen. So wurden auch Regelungen eingeführt, die sicherstellen, dass Petrobras überwiegend mit lokalen Lieferanten arbeitet. Dies unterstützte zwar die lokale Wirtschaft, aber der Wettbewerb wurde eingeschränkt, und die Kosten für das Unternehmen stiegen.Noch gewichtiger ist aber der zuletzt aufgedeckte Korruptionsskandal. So soll das Unternehmen Zahlungen an Politiker der Regierungsparteien geleistet haben, um die Vergabe von Infrastrukturprojekten zu beeinflussen. In diesen Skandal sind die größten Baufirmen des Landes, aber auch namhafte internationale Unternehmen verwickelt. Die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft dürften in den kommenden Monaten die Geschäftstätigkeit der betroffenen Unternehmen belasten. Die Unsicherheit hinsichtlich der Großinvestitionen des Energieriesen Petrobras belastet den wirtschaftlichen Ausblick für das ganze Land. Staat könnte einspringenAber auch darüber hinaus könnte sich Petrobras zu einer Belastung für die Bonität des Landes entwickeln. Es wird befürchtet, dass sich der brasilianische Staat gezwungen sieht, dem Unternehmen finanziell unter die Arme zu greifen. Denn die Wirtschaftsprüfer haben die letzten Quartalszahlen nicht abgesegnet. Sollte Petrobras nicht in der Lage sein, geprüfte Jahreszahlen bis Juli zu veröffentlichen, dann hätten Gläubiger das Recht, Anleihen in Höhe von mehr als 50 Mrd. Dollar fällig zu stellen. Das kann das Unternehmen nicht alleine stemmen. Eine Unterstützung durch den Staat wäre zwar möglich, doch sie würde das Rating Brasiliens zusätzlich unter Druck bringen.Die Regierung arbeitet an einer Lösung. So wurde nach dem Rücktritt der Vorstandsvorsitzenden Maria das Gracas Foster innerhalb kurzer Zeit ein Ersatz gefunden. Aldemir Bendine ist ein regierungstreuer Bürokrat und leitete vor dem Wechsel zu Petrobras die ebenfalls staatsnahe Banco do Brasil. Die Entscheidung hat jedoch einen negativen Beigeschmack, weil die Regierung damit signalisierte, sich weiterhin in die Geschäftspolitik von Petrobras einmischen zu wollen. Im Zuge der Ermittlungen dürfte es in den nächsten Wochen zu weiteren Enthüllungen kommen. Extreme TrockenheitEin weiterer Belastungsfaktor für die Wirtschaft ist die extreme Dürre der vergangenen Monate. Diese hat verschiedene negative Auswirkungen. Die brasilianische Stromerzeugung ist von Wasserkraft dominiert, die etwa zwei Drittel des Stroms liefert. Die Gefahr von Energieengpässen, vor allem im industriestarken Sao Paulo, ist stark gestiegen. Zudem kann es zu Problemen bei der Bewässerung für die Landwirtschaft kommen, die in den vergangenen Jahren ein wichtiger Wachstumstreiber war.Nicht nur für die Wirtschaft wäre Regen eine gute Nachricht. Auch Präsidentin Rousseff könnte ihn gebrauchen. Sie wird seit dem Beginn ihrer zweiten Amtszeit im Januar von Problemen geplagt. Ihre Popularität ist zuletzt auf ein histori-sches Tief gefallen – weniger als ein Viertel der Bevölkerung findet die Politik der Regierung gut, die Wachstumsaussichten verschlechtern sich. Auch innerhalb der Regierungskoalition werden die kritischen Stimmen lauter. Und dies in einem Moment, in dem die Regierung ihre ganze Handlungsfähigkeit benötigt, um in einem erschwerten Umfeld ihre fiskalische Glaubwürdigkeit zurückzuerlangen. Die bisherigen Anstrengungen des neuen Finanzministers zur Budgetkonsolidierung werden nicht ausreichen, um das hochgesteckte Ziel für den Primärüberschuss zu erreichen – vor allem wenn man die sich täglich verschlechternden Wachstumsaussichten bedenkt. So droht das Land in einen Teufelskreis von Austerität und wirtschaftlicher Stagnation zu geraten. Nach Jahren der unverantwortlichen Ausweitung der Staatsausgaben ist das Ziel zwar zu begrüßen, doch kommt diese Initiative konjunkturell zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Dies gilt auch für den Kurs der brasilianischen Zentralbank. Diese treibt ihren wiedergewonnenen Eifer zur Inflationsbekämpfung mittlerweile etwas zu weit. Sie versucht, ihre Reputation wieder aufzubauen, nachdem sie aufgrund des anhaltenden Drucks der Regierung in den vergangenen Jahren stets eine zu lockere Geldpolitik betrieben hatte.Der Ausblick für brasilianische Hartwährungsanleihen bleibt schwierig. Aufgrund des anhaltend schwachen Wachstumsausblicks dürfte es ihnen in den kommenden Monaten kaum gelingen, den Abstand zu anderen BBB-Emittenten zu schließen, der sich zuletzt aufgetan hat. Allerdings sollte es insbesondere aufgrund der Anstrengungen des neuen Finanzministers gelingen, das Investment-Grade-Rating zu verteidigen.—-Mauro Toldo ist Leiter Emerging Markets/Länderrisikoanalyse im Makro Research der DekaBank.