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Brasiliens Rating auf dem Prüfstand

Von Mauro Toldo *) Börsen-Zeitung, 1.2.2018 Das Jahr 2018 hat für die Bonität Brasiliens mit einer negativen Nachricht begonnen: Anfang Januar senkte die Ratingagentur Standard & Poor's (S & P) das Rating Brasiliens um eine Stufe auf "BB-". Sie...

Brasiliens Rating auf dem Prüfstand

Von Mauro Toldo *)Das Jahr 2018 hat für die Bonität Brasiliens mit einer negativen Nachricht begonnen: Anfang Januar senkte die Ratingagentur Standard & Poor’s (S & P) das Rating Brasiliens um eine Stufe auf “BB-“. Sie liegt mit ihrer Bonitätseinschätzung nun eine Stufe unterhalb von Fitch (“BB”) und Moody’s (“Ba 2”). Allerdings steht der Ratingausblick bei diesen Agenturen seit einiger Zeit auf negativ. Ein negativer Ausblick signalisiert eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Herabstufung in den kommenden Monaten.Ausschlaggebend für die Herabstufung durch Standard & Poor’s waren die fehlenden Fortschritte im Reformprozess. Besonders im Fokus stand die Abstimmung über die Rentenreform. Präsident Temer hätte diese gerne bereits im Dezember durch das Parlament gebracht. Allerdings konnte er für dieses Vorhaben keine Mehrheit organisieren. Dass ihm dies in diesem Jahr gelingt, wird zunehmend unwahrscheinlich, denn die Parlamentarier schielen bereits auf die Wahlen im Oktober. Die Unterstützung für eine so unpopuläre Reform würde die Wiederwahl gefährden.Die fehlende Reformbereitschaft der Abgeordneten und Senatoren erhöht die Wahrscheinlichkeit weitere Herabstufungen durch Fitch und Moody’s. Zwar hat Brasilien bereits 2017 die Rezession verlassen und im laufenden Jahr zeichnet sich eine deutliche Wachstumsbeschleunigung ab. Gleichzeitig ist aber die öffentliche Verschuldung von rund 50 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2013 auf fast 80 % des BIP im vergangenen Jahr angestiegen, mit einer steigenden Tendenz. Die Staatsverschuldung anderer Länder mit vergleichbarer Bonität liegt unterhalb der 50-Prozent-Marke. Positiv hingegen für Brasilien ist hervorzuheben, dass die externe Verschuldung moderat ist. Kaum ReaktionBrasilien-Anleihen haben auf die Herabstufung durch S & P erstaunlich gelassen reagiert. Die Währung konnte sogar leicht zulegen. Dass die Anleihen keine negative Reaktion zeigten, kann wohl vor allem auf zwei Faktoren zurückgeführt werden: Erstens kam die Herabstufung nicht überraschend, denn die Ratingagenturen haben wiederholt darauf hingewiesen, dass die Rentenreform eine zentrale Rolle in der Bonitätseinschätzung spielt. Zweitens ist global das Umfeld für alle Kreditsegmente, und vor allem für die spekulativen, besonders konstruktiv gewesen. Ein verbesserter Wachstumsausblick für die meisten Regionen der Welt sowie ein weiterhin positives Liquiditätsumfeld unterstützen gerade die bonitätsschwächeren Emittenten.Nichtsdestotrotz ist das keine erschöpfende Erklärung. Denn die Spreads von Brasilien-Anleihen, gemessen am von J.P. Morgan veröffentlichten Embig-Div Index, haben sich besser entwickelt als der Durchschnitt der Emittenten aus der vergleichbaren Ratingklasse (“BB”). Aktuell liegen die von J.P. Morgan berechneten Spreads der Brasilien-Anleihen bei 214 Basispunkten (BP), während die Anleihen der “BB”-Emittenten bei 218 BP liegen. Noch Mitte vergangenen Jahres lagen die Brasilienspreads bei 280 BP während die “BB”-Bonitäten im Schnitt bei 265 BP lagen. Einen deutlichen Schub erhielten Brasilien-Anleihen am vergangenen Donnerstag, nachdem ein Berufungsgericht die Verurteilung des ehemaligen Präsidenten Lula einstimmig bestätigte. Eine endgültige Absage für eine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen ist das zwar nicht, aber die Chancen seiner Kandidatur werden verringert, was die Chancen für eine reformorientierte Regierung erhöht. Märkte feiern RamaphosaEin anderes Land, in dem sich die Chance einer reformorientierten Regierung deutlicher abzeichnet, ist Südafrika. Bis Mitte November hatten sich die Anleihen des Landes am Kap der Guten Hoffnung deutlich schwächer entwickelt als vergleichbare Emittenten im “BB”-Bereich. Der Spread der Südafrika-Anleihen stieg von rund 260 BP zum Jahresanfang 2017 auf 320 BP in der Spitze Mitte November. Seitdem haben sich die Anleihen Südafrikas deutlich stärker entwickelt und liegen aktuell auf dem gleichen Niveau wie andere “BB”-Emittenten bei rund 220 BP. Dass die Südafrika-Anleihen über die Hälfte des vergangenen Jahres deutlich oberhalb des Durchschnitts der Emittenten im “BB”-Bereich lagen, ist damit zu erklären, dass die Marktteilnehmer mit einer Fortsetzung der schnellen Verschärfung der Bonitätsprobleme gerechnet hatten. Denn immerhin bewertet Moody’s das Land mit “Baa 3” noch als Investment Grade, wenn auch schon seit Ende November mit einem “Credit Watch Negative”, was auf eine baldige Ratingaktion hindeutet. Fitch liegt mit “BB+” eine Stufe niedriger im spekulativen Bereich und S & P geht sogar noch weiter und bewertet das Land mit “BB”. Gefallener EngelAuch wenn Südafrika seit April vergangenen Jahres nach der Entlassung des anerkannten Finanzministers Gordhan zum “Fallen Angel” wurde, zeigten die Ereignisse seit Mitte November, dass sich die Chancen für einen Turnaround verbessert haben. Die Wahl von Cyril Ramaphosa an die Spitze der Regierungspartei ANC war der Vorbote für die Stimmungsänderung an den Märkten. Seit seiner Wahl im Dezember hat der südafrikanische Rand gegenüber dem Dollar um mehr als 10 % aufgewertet. Obwohl er nur eine knappe Mehrheit bei der Wahl erreichte, hat er seine Position im ANC nach der Abstimmung deutlich gefestigt. Die Chancen, dass er noch vor den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2019 den amtierenden Präsidenten Jacob Zuma ablöst, sind zuletzt gestiegen. Die Märkte bewerten als positiv, dass er die Bekämpfung der Korruption voranbringen wird. Richtige SignaleNeben der Stärkung der Gerichte bei der Korruptionsbekämpfung hat er bereits weitere Signale gesendet, die darauf hindeuten, dass er Südafrika zurück auf den Reformpfad bringen will. Eines der wichtigsten Signale war der Austausch der Spitze des in Verruf geratenen Energieversorgers Eskom durch ein anerkanntes Management. Weitere staatsnahe Unternehmen dürften folgen. Diese Schritte sind wichtig, um die potenziellen Risiken für den Staatshaushalt zu reduzieren. Ein weiterer wichtiger Schritt wäre die Stärkung der Unabhängigkeit des Finanzministeriums, das in den vergangenen Jahren deutlich gelitten hat. Sollten weitere positive Signale folgen, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass die aktuelle negative Stimmung ins positive dreht, gut. Die Ratingagenturen könnten der neuen Parteiführung einen Vertrauensvorschuss gewähren. Dies könnte zum Beispiel bei der nächsten Ratingprüfung durch Moody’s am 23. März zum Tragen kommen. Dann könnte die Ratingagentur den aktuell negativen Credit Watch aufheben. Sollte Ramaphosa in den kommenden Monaten weiter liefern, dann werden sich Südafrika-Anleihen besser entwickeln als andere Anleihen vergleichbarer Bonität.—-*) Mauro Toldo ist Leiter Emerging Markets / Länderrisikoanalyse im Makro Research der DekaBank.