Ölpreis und Geopolitik

Brent-Ölpreis strebt in Richtung 100 Dollar

Saudi-Arabien und Russland treiben den Brent-Ölpreis durch eine konzertierte Kürzung ihrer Produktion in Richtung 100 Dollar. Alle Versuche des Westens, die Kontrolle über den Ölmarkt wiederzugewinnen, sind gescheitert. Die EU ist auch weiterhin auf russische Energieträger angewiesen.

Brent-Ölpreis strebt in Richtung 100 Dollar

Ölpreis strebt gegen 100 Dollar

Saudi-Arabien und Russland kontrollieren Markt – Der Westen hat das Nachsehen

Saudi-Arabien und Russland treiben den Brent-Ölpreis durch eine konzertierte Kürzung ihrer Produktion in Richtung 100 Dollar. Alle Versuche des Westens, die Kontrolle über den Ölmarkt wiederzugewinnen, sind gescheitert. Die EU ist auch weiterhin auf russische Energieträger angewiesen.

ku Frankfurt

Der Brent-Ölpreis ist in der vergangenen Woche erstmals seit November vergangenen Jahres auf fast 98 Dollar je Barrel gestiegen. Die Rally des wichtigsten Energieträgers der Welt ist beeindruckend: Binnen nur eines einzigen Quartals hat sich Öl um rund 30% verteuert. Der Grund für diesen Anstieg ist sicherlich auch auf der Nachfrageseite zu suchen, weil der Ölverbrauch trotz der weder in Europa noch in China rund laufenden Konjunktur deutlich gestiegen ist. Vor allem aber ist er Folge der Entscheidung zweier großer Produzentenländer, den Ölpreis nach oben zu hieven: Der frühere US-Verbündete Saudi-Arabien arbeitet inzwischen eng mit Russland zusammen. Beide Länder kontrollieren derzeit quasi den Ölmarkt, zum Verdruss der westlichen Industrieländer als den neben China bedeutendsten Verbrauchern. Gegenüber dem Produktionsniveau Ende 2022 hat Saudi-Arabien seine Förderung um 1,4 Mill. Barrel pro Tag (bpd) zurückgefahren, das Land trägt damit den Löwenanteil der Belastungen des Kampfes um die Kontrolle des Ölmarktes. Russland hat Kürzungen um 500.000 bpd beigesteuert. Der Rest der Opec-Länder hat lediglich um 100.000 bpd reduziert, und außerhalb der Opec ist die Produktion in dem betrachteten Zeitraum sogar um 1,9 Mill. bpd gestiegen – zu nennen ist hier insbesondere die amerikanische Schieferölproduktion, die ein Rekordniveau erreicht, was den Ölpreis derzeit aber kaum zu drücken vermag.

Saudi-Arabien und Russland waren ausgehend von einem Niveau des Ölpreises von zeitweise nur noch 72 Dollar im Sommer dringend auf einen Preisanstieg angewiesen. Die saudische Monarchie verteilt traditionsgemäß großzügige Mittel an die eigene Bevölkerung, weshalb für sie ein Ölpreis von geschätzt mindestens 80 Dollar je Barrel notwendig ist, damit der Staatshaushalt ausgeglichen bleibt. Russland muss den Krieg in der Ukraine finanzieren, auch wenn sich die Aufwendungen mit von westlichen Experten geschätzten 4% des Bruttoinlandsproduktes in engen Grenzen halten und die Verschuldung Russlands mit 16,7% des Bruttoinlandsproduktes sehr gering ist. Was die weitere Entwicklung des Ölpreises betrifft, so halten viele Analysten einen Anstieg bis auf rund 100 Dollar je Barrel für möglich. Darüber hinaus sollte er, trotz der Kontrolle des Ölmarktes durch die beiden Länder und die verbündeten anderen Staaten der Opec plus, auf absehbare Zeit nicht steigen. Dafür spricht vor allem die in weiten Teilen der Industrieländer und in China verhaltene bis schwache Konjunktur. Analysten gehen davon aus, dass ein weiter steigender Ölpreis deutliche negative Nachfrageeffekte auslösen würde, die die Notierungen des Energieträgers dann wieder nach unten drücken. In der Vergangenheit haben sowohl Saudi-Arabien als führendes Land innerhalb der Opec als auch Russland nach der Gründung der erweiterten Opec plus stets sorgfältig darauf geachtet, den Bogen nicht zu überspannen.

Inakzeptables Preisniveau

Aber selbst ein Niveau von in der Spitze rund 100 Dollar ist für die westlichen Industrieländer derzeit inakzeptabel. In der EU ist Deutschland als die größte Volkswirtschaft bereits in der Rezession. Die Energiepreise befinden sich zwar nicht mehr auf dem Rekordständen des Jahres 2022, liegen aber immer noch über den langjährigen Durchschnitten. In der Vergangenheit hat der Westen den weltweiten Energiemarkt oft kontrollieren können. Dies geschah über direkten Einfluss der USA als Schutzmacht der saudischen Monarchie und wie beispielsweise in den 1990er Jahren über den großen Einfluss der USA auf den russischen Präsidenten Boris Jelzin. Saudi-Arabien hat sich aber längst von den USA emanzipiert. Und jüngste Versuche des Westens haben sich als ungeschickt erwiesen, was sie zum Scheitern verurteilte. So hat der Westen versucht, quasi ein Nachfragerkartell zu schaffen. Dies sollte zunächst zwar nur Russland treffen in Form einer zwangsweisen Preisobergrenze für per Tankschiff exportiertes russisches Öl. Insbesondere die saudische Führung konnte sich aber leicht ausmalen, als Nächste an der Reihe zu sein, so dass sich Riad entschied, nichts zu unternehmen, was die Durchsetzung der Preisobergrenze erleichtert. Im Gegenteil: Saudi-Arabien importiert derzeit in großem Ausmaß russischen Dieselkraftstoff und exportiert dafür den im eigenen Land hergestellten Diesel.

Inzwischen ist klar, dass sämtliche Bemühungen des Westens gescheitert sind. Die wichtigste russische Ölsorte Urals wird derzeit um nicht weniger als 30% über der Preisobergrenze von 60 Dollar gehandelt. Als wichtigster Hebel, die Preisobergrenze für russisches Öl durchzusetzen, war die Verweigerung von Versicherungen für die Tankschiffe gedacht. Inzwischen werden aber 75% der russischen Öllieferungen per Tanker ohne westliche Versicherungen abgewickelt. Diese Woche hat auch die US-Finanzministerin Janet Yellen als Urheberin der Idee der Preisobergrenze zugegeben, dass diese nicht funktioniert. Vor allem Europa erweist sich als machtlos. Endkunde des angeblich boykottierten russischen Öls ist in vielen Fällen die EU. Das Öl wird in Ländern wie Indien weiterverarbeitet und dann in die Länder Europas verkauft, womit deren Bemühungen, sich von russischen Energieträgern zu entwöhnen, als gescheitert zu betrachten sind.

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