GASTBEITRAG

Brexit-Risiko erfordert Absicherung von Pfund-Einnahmen

Börsen-Zeitung, 1.3.2016 Das kommende Referendum in Großbritannien über den Verbleib des Landes in der Europäischen Union hat das britische Pfund heftig erschüttert. Der Wechselkurs gegen den Euro schwankt wegen der Brexit-Gefahren, die...

Brexit-Risiko erfordert Absicherung von Pfund-Einnahmen

Das kommende Referendum in Großbritannien über den Verbleib des Landes in der Europäischen Union hat das britische Pfund heftig erschüttert. Der Wechselkurs gegen den Euro schwankt wegen der Brexit-Gefahren, die Volatilitäten sind stark gestiegen, von 6 % im Jahr 2014 auf 11 % im Februar 2016.Dies bedeutet für Exporteure ein hohes Risiko, Verluste von bis 30 % sind durchaus möglich. Dazu kommt ein verändertes Marktsentiment: Die sogenannten Risk Reversals haben sich in den vergangenen drei Monaten von – 1 % auf +2 % verschoben. Dies bedeutet, dass aus Händlersicht der Pfund weiter fallen wird – ein Alarmsignal für jeden Treasurer.Die Frage ist, mit welchen Hedginginstrumenten sich Unternehmen hier absichern können. Der Klassiker ist das Termingeschäft (Forward Contract). Auch die oft als teuer gebrandmarkten Optionen sind in Betracht zu ziehen, da sie nach neuesten Untersuchungen gegenüber Termingeschäften oft besser abschneiden. Statt gewöhnlicher Devisentermingeschäfte gibt es zudem “Termingeschäfte mit Chancen” (Forward Plus/Extra) oder “Termingeschäfte mit Zielvorgaben” (Target Forward). Diese Derivate sind teilweise sehr komplex, bieten aber durchaus attraktive Möglichkeiten. Als Beispiel für die Abwägung verschiedener Varianten unterstellen wir einen Kassakurs von 0,7800 Euro pro Pfund und gehen von einem Treasurer aus, der monatlich 10 Mill. Pfund zu verkaufen hat. Szenario Verbleib in der EUVariante 1: Ein Termingeschäft zum Verkauf der jährlich 120 Mill. Pfund ließe sich zum Terminkurs von 0,7900 realisieren. Der Treasurer würde dafür 152 Millionen Euro erhalten. Dies ließe keine Kursverbesserung zu für den Fall, dass das Pfund wieder an Stärke gewinnt, was aber bei einem Verbleib des Großbritanniens in der EU ein durchaus denkbares Szenario ist.Variante 2: Mit einer Option kann sich der Treasurer das Recht sichern, die Pfunde in einem Jahr zum Kurs von 0,8000 zu verkaufen, auch wenn das Pfund dann im Wert gefallen ist. Diese Euro-Call-Pfund-Put-Option würde aktuell 6 Mill. Euro kosten. Der Treasurer bekäme für seine Pfund insgesamt 150 Mill. Euro, also schlimmstenfalls 2 Mill. Euro weniger als beim Termingeschäft, abzüglich der Optionsprämie 8 Mill. Euro weniger. Der Vorteil der Option besteht einerseits in der Sicherheit, aber andererseits in der Flexibilität. Sollte der Kurs etwa auf 0,7000 fallen, bekäme der Treasurer 171 Mill. Euro. Er erhielte also nach Abzug der Optionsprämie 13 Mill. Euro mehr als beim Termingeschäft.Variante 3: Bei einem Termingeschäft mit Zielvorgabe (Target Forward) tauscht der Treasurer jeden Monat 10 Mill. Pfund zum Kurs von 0,7600 in 13,17 Mill. Euro um. Dies ist ohne Prämienzahlung möglich. Allerdings ist der damit erzielte Gewinn auf insgesamt 20 sogenannte Big Figures beschränkt. Dies bedeutet: Sollte der Kassareferenzkurs am Ende des ersten Monats immer noch bei 0,7800 sein, so erhält der Treasurer einen Euro-Betrag, der sich aus dem vereinbarten Kurs von 0,7600 ergibt, also zwei Big Figures besser als der Markt. Das Termingeschäft endet, sobald der kumulierte Gewinn erstmalig 20 Big Figures erreicht. Dies könnte passieren, wenn die Kassareferenzkurse in den folgenden fünf Monaten jeweils bei 0,7960 lägen. Damit wäre der Target Forward nach sechs 6 Zahlungsterminen beendet, der Treasurer hätte insgesamt 60 Mill. Pfund in 79 Mill. Euro getauscht, würde für die verbleibenden sechs Monate möglicherweise einen neuen Target Forward abschließen und insgesamt 157 Mill. Euro einnehmen. Das sind 5 Mill. Euro mehr als beim oben beschriebenen Standardtermingeschäft. Einsatz von OptionenDer Gewinn ist allerdings auf diese Summe beschränkt. Bei der Variante 2 mit Option könnte der Treasurer unbegrenzt an einer Pfund-Aufwertung partizipieren. Allerdings ist fraglich, ob eine Aufwertung des Pfunds unter 0,7000 ein realistisches Szenario darstellt. Bei einem schnell fallenden Pfund, also einem kurzfristigen Anstieg des Kurses von 0,7800 auf über 0,8500, wäre der Target Forward im Vergleich zum Termingeschäft und zur Option die schlechtere Alternative.Variante 4: Beim Termingeschäft mit Chance (Forward Extra) sichert sich der Treasurer für einen Worst Case von etwa 0,8000, also eine Big Figure schlechter als der Terminkurs. Er kann aber an einer für ihn vorteilhaften Aufwertung des Pfundes bis zum Kurs von 0,7150 partizipieren und bekäme damit bestenfalls 168 Mill. Euro, im schlechtesten Fall 150 Mill. Euro wie bei der Optionsvariante. Alles andere spielt sich dazwischen ab, vorausgesetzt der Euro-Pfund-Kurs unterschreitet während der Laufzeit nicht die Schwelle von 0,7150. Erwartet der Treasurer ein stärkeres Pfund, und will sich dennoch prämienfrei für einen Worst Case absichern, wäre Variante 4 eine sinnvolle Alternative. Risikotragfähigkeit wichtigAlle Varianten sind Hedge-Accounting-fähig und gehören weltweit zu den üblichen Vorgehensweisen. Für den Treasurer ist wichtig, dass er alle Varianten kennt und prüft, welche von ihnen für seine Anforderungen am besten passt. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Frage, wie risikotragfähig seine Bilanz ist.—-Uwe Wystup, Gründer und Chef von MathFinance in Frankfurt und Professor für Optionsbewertung und Devisenderivate an der Universität Antwerpen.