KREDITWÜRDIG

Brexit-Sorgen belasten britische Bankanleihen

Von Oliver Piquardt *) Börsen-Zeitung, 7.4.2016 Am 23. Juni 2016 werden die Briten über einen möglichen Austritt aus der EU (Brexit) entscheiden. Momentan liefern sich Austrittsgegner und Befürworter in den Meinungsumfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen....

Brexit-Sorgen belasten britische Bankanleihen

Von Oliver Piquardt *)Am 23. Juni 2016 werden die Briten über einen möglichen Austritt aus der EU (Brexit) entscheiden. Momentan liefern sich Austrittsgegner und Befürworter in den Meinungsumfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass bis zur Veröffentlichung des Abstimmungsergebnisses Unsicherheit über den Ausgang bestehen bleiben wird. Unsere Volkswirte und Devisenanalysten taxieren die Wahrscheinlichkeit eines Brexit auf 40 %. Die möglichen Auswirkungen auf britische Banken werden nicht nur vom reinen Abstimmungsergebnis, sondern im Falle eines Votums für einen Brexit auch stark von der zukünftigen Ausgestaltung der Beziehungen Großbritanniens zu der EU abhängen.Dabei muss bei den aus einem Brexit resultierenden Aufwendungen zwischen einmaligen und potenziell wiederkehrenden Aufwendungen unterschieden werden. Einmalaufwendungen entstehen den Banken vorrangig aus möglichen Geschäftsverlagerungen, die durch einen Brexit verursacht werden können. So profitieren Banken und Investmentgesellschaften in der EU von dem sogenannten “EU Passport”, der es ihnen erlaubt, rechtlich unselbständige Filialen in anderen EU-Staaten zu unterhalten und auch grenzüberschreitend Bankdienstleistungen anzubieten, ohne dass diese von der nationalen Aufsicht genehmigt werden müssen.Dies hat dazu geführt, dass ein großer Teil des Kapitalmarktgeschäfts von britischen und ausländischen Banken in der EU von London aus betrieben wird. Sollte Großbritannien aus der EU austreten, müssten Bankdienstleistungen in der EU über entsprechende rechtlich selbständige Tochterbanken mit Sitz in einem EU-Staat erbracht werden. Bisheriges Geschäft mit Kunden in der EU müsste gemeinsam mit Personal und Infrastruktur aus Großbritannien in die EU, vermutlich insbesondere nach Paris, Dublin oder Frankfurt, verlagert werden, was entsprechende Relokationsaufwendungen verursacht.Alle großen US-Banken sollen Medienberichten zufolge bereits einen teilweisen Standortwechsel prüfen. Ähnliches gilt für die Deutsche Bank. Von den britischen Banken ist diesbezüglich wenig zu hören. HSBC hat jedoch in Aussicht gestellt, dass im Falle eines EU-Austritts ein Teil des Kapitalmarktgeschäfts aus London auf HSBC France nach Paris verlagert werden müsste. Insgesamt dürften Einmalaufwendungen insbesondere im Zusammenhang mit dem europäischen Kapitalmarktgeschäft entstehen. Davon wären vor allem Barclays und HSBC betroffen, die aber für beide Banken sehr gut verkraftbar sein sollten. Heftige ReaktionenDeutlich schwerwiegender sind mögliche Ergebnisbelastungen infolge potenziell negativer Auswirkungen auf die britische Wirtschaft und infolge von Finanzmarktturbulenzen. So schließen unsere Volkswirte zwar nicht aus, dass ein Austritt aus der EU langfristig positiv wirken könnte. Kurz- und mittelfristig ist jedoch mit Anpassungsreaktionen zu rechnen, die heftig ausfallen könnten.So könnte sich das britische Wirtschaftswachstum 2017 und 2018 auf rund 1 % halbieren und in einem Austrittsjahr 2019 komplett stagnieren. Dies würde sich zweifelsohne negativ auf die Ergebnisse der britischen Banken auswirken. Auf der Ertragsseite könnten diese zwar von einer verstärkten Nachfrage nach Zins- und Währungsabsicherungen profitieren. Unter dem Strich dürfte sich aber eine erhöhte Volatilität an den Märkten belastend auf die Kundenaktivitäten im Kapitalmarktgeschäft auswirken. Zudem drohen Marktwertverluste bei britischen Wertpapieren. Ein Rückgang der Investitionstätigkeit dürfte die Kreditnachfrage von Unternehmen beeinträchtigen.Gleichzeitig steht zu befürchten, dass die Preise von Gewerbe- und Wohnimmobilien, die in den letzten Jahren stark gestiegen sind, deutlicher fallen könnten. Im Zuge einer steigenden Arbeitslosigkeit, fallender Immobilienpreise und sinkender Unternehmensgewinne dürfte die Zahl der Kreditausfälle zunehmen. Besonders betroffen dürften hier Banken sein, die sich auf Privatkunden sowie Unternehmenskredite in Großbritannien konzentrieren, wie Lloyds Banking Group, Nationwide und Royal Bank of Scotland (RBS). Aber auch Barclays dürfte im Zuge der verstärkten Fokussierung auf den britischen Heimatmarkt in einem solchen Szenario steigende Kreditkosten verzeichnen.Zudem drohen britischen Banken höhere Refinanzierungskosten am Kapitalmarkt im Zuge steigender Credit Spreads. Zumindest um die Abstimmung herum wird die britische Notenbank den heimischen Banken zusätzliche Liquidität bereitstellen. Dies hat sie bereits offen kommuniziert, auch um Spekulationen um mögliche Liquiditätsengpässe bei britischen Banken entgegenzuwirken. Kein großes BonitätsrisikoInsgesamt rechnen wir aber damit, dass auch die potenziellen mittelfristigen Folgen im Falle eines Brexits angesichts der guten Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung der Banken, der derzeit sehr geringen Risikovorsorge, der niedrigen Arbeitslosigkeit sowie des überdurchschnittlichen Wirtschaftswachstums für die Bonität britischer Banken kein großes Risiko darstellen.Dessen ungeachtet sorgt die aktuelle Unsicherheit über den Ausgang des Votums dafür, dass sich die Credit Spreads britischer Banken sehr volatil entwickeln und tendenziell unter Druck stehen. Dies sollte sich auch in den Monaten bis zur Abstimmung fortsetzen. Sollten sich die Austrittsgegner im Juni durchsetzen, dürfte es dann zu deutlichen Spreadeinengungen bei britischen Bankanleihen kommen.Besonders gebeutelt wurden bereits die Anleihen, die von den britischen Holdinggesellschaften zur Erfüllung der neuen Vorgaben an verlustabsorbierendes Kapital (MREL/TLAC) begeben wurden. Die hierdurch aufgenommenen Mittel werden als konzerninterne Kredite an die operativen Tochterbanken weitergegeben. Diese sind bislang noch nicht zwingend nachrangig ausgestaltet, dieses dürfte aber spätestens mit Inkrafttreten der Regeln zu MREL und TLAC entsprechend umgestellt werden. Im Falle eines Verlusts bei einer Tochterbank werden dann nach einem fest vorgegebenen Wasserfall die Verluste zunächst von den haftenden Eigenmitteln der Tochter getragen. Sollten diese nicht reichen, werden dann die konzerninternen Kredite herangezogen, bevor notfalls auch vorrangige Gläubiger der Bank an Verlusten beteiligt werden. Für die Holding bedeutet dies, dass sie im Falle von Verlusten bei einer operativen Tochter deren Beteiligungsbuchwert entsprechend herabsetzen und auch ihre nachrangigen konzerninternen Forderungen an die Tochter abschreiben muss.Ein daraus resultierendes Eigenkapitaldefizit muss dann entweder über den Kapitalmarkt oder eben notfalls durch Beteiligung der Holdinggläubiger gedeckt werden. Da die Holdinggesellschaften erst begonnen haben, vorrangige Anleihen zu begeben, würde eine Verlustbeteiligung auf Holdingebene derzeit angesichts des geringen bestehenden Volumens eine hohe Verlustquote nach sich ziehen.—-*) Oliver Piquardt ist Leiter Credit Research Financials & Structured Credits bei der DZ Bank.