KREDITWÜRDIG

Britische Banken spüren Brexit

Von Oliver Piquardt *) Börsen-Zeitung, 22.6.2017 Bei den vorgezogenen Neuwahlen haben die Konservativen ihre absolute Mehrheit verloren, der Stuhl der Premierministerin Theresa May wackelt. Die Unsicherheit um die politische Zukunft und Ausrichtung...

Britische Banken spüren Brexit

Von Oliver Piquardt *)Bei den vorgezogenen Neuwahlen haben die Konservativen ihre absolute Mehrheit verloren, der Stuhl der Premierministerin Theresa May wackelt. Die Unsicherheit um die politische Zukunft und Ausrichtung Großbritanniens könnte kaum größer sein, und dies zu einem Zeitpunkt, an dem die Brexit-Verhandlungen mit der EU offiziell begonnen haben. Dabei ist gerade deren Ausgang von sehr großer Bedeutung für die britische Wirtschaft und die britischen Banken. Unabhängig davon, ob es einen Hard Brexit oder Soft Brexit geben wird, ist davon auszugehen, dass die britischen Banken ihren EU-Bankenpass verlieren werden. Dieser berechtigt, sämtliche Bankdienstleistungen über rechtlich unselbständige Filialen in anderen EU-Staaten anzubieten. Den britischen Banken wird dies hohe Einmalkosten bescheren: durch die Verlagerung des bestehenden Geschäfts und höhere Folgekosten für die Unterhaltung der Vollbanktöchter, welche die EU-Bankenregulierung einhalten müssen.Daneben sind es aber insbesondere die Brexit-Auswirkungen für die Entwicklung der britischen Wirtschaft, welche die Banken treffen werden. Deren Risikokosten und Erträge sind sehr konjunktursensitiv. Im Falle eines Hard Brexit rechnen wir mit einer mehrjährigen Schwächephase, eine Rezession zumindest im Austrittsjahr ist wahrscheinlich. Sollte es zu einer Kompromisslösung (Soft Brexit) kommen, in der Großbritannien beispielsweise ein Freihandelsabkommen für den Güterverkehr erhält und Implementierungsregelungen vereinbart werden, um den Übergang zu erleichtern, würden die Belastungen über mehrere Jahre gestreckt, die britische Wirtschaft würde nicht “über eine Klippe fallen”. Es gäbe dann zwar auch spürbare Wachstumseinbußen im Austrittsjahr und den beiden folgenden Jahren. Die Wachstumsverluste gegenüber einer Entwicklung ohne Brexit wären aber auf etwa 2 % in diesem Dreijahreszeitraum begrenzt. Preiseinbruch möglichFür die Banken hätte ein Hard Brexit massive Konsequenzen. Sollte es wirklich zu einer Rezession kommen, könnte dies am Immobilienmarkt, der ohnehin schon leichte Preisrückgänge verzeichnet, einen Preiseinbruch verursachen. Die Arbeitslosenquote dürfte deutlich ansteigen. In einem solchen Szenario würden die Risikokosten der Banken, die derzeit auf historisch niedrigen Niveaus liegen, signifikant steigen. Der hohe Wettbewerb um Kredite und das Niedrigzinsumfeld hat haben die Margen im britischen Bankgeschäft zuletzt aber sinken lassen, Puffer für einen deutlichen Anstieg der eingepreisten Risikokosten gibt es nicht. So hat sich die Zahl der in Großbritannien konkurrierenden Banken durch neue “Challenger-Banken” in den vorigen Jahren erhöht. Gleichzeitig versuchen Institute wie die Royal Bank of Scotland (RBS) im Zuge ihrer strategischen Neuausrichtung ihre Marktanteile im britischen Hypothekengeschäft auszubauen. Andere wie die Lloyds Banking Group haben Marktanteile im Hypothekengeschäft aufgegeben, um ihre Margen zu verteidigen, dafür aber stärker auf unbesicherte Kredite, wie Kreditkarten, gesetzt. Diese sind besonders anfällig für steigende Ausfallraten im Falle eines Wirtschaftseinbruchs.Ein Anstieg der Ausfallraten würde vor allem die vergleichsweise stark auf Großbritannien ausgerichteten RBS, Nationwide und Lloyds Banking Group treffen. Besonders anfällig wäre RBS, da die Bank Marktführer im britischen Mittelstandsgeschäft ist und Unternehmenskredite einen großen Teil des Kreditportfolios ausmachen. HSBC (generiert den Großteil des Gewinns in Asien) und Barclays (internationales Kreditkartengeschäft, vor allem in den USA, und starke Position im Investment Banking in den USA) verfügen dagegen über regional stärker diversifizierte Einnahmequellen und Kreditportfolien. Dennoch ist die Rentabilität britischer Banken (mit Ausnahme von Lloyds Banking Group) nach wie vor sehr gering. Nach Daten der Bank of England erreichen die großen britischen Banken im Durchschnitt eine Eigenkapitalrendite von rund 2,5 %. Selbst bereinigt um außerordentliche Aufwendungen liegt die Eigenkapitalrendite nur bei 8 % und damit knapp der Hälfte des Wertes vor der Finanzkrise. Im Retailgeschäft hat sich die Rentabilität auf unter 11 % halbiert, und im Investment Banking verdienen die Banken unterm Strich kaum Geld. So sorgen hohe Restrukturierungsaufwendungen, Veräußerungsverluste beim Abbau nicht strategischer Aktiva, die Bankenabgabe, Kundenentschädigungen für Kreditversicherungen und andere Produkte, Investitionen in die IT-Modernisierung, Ausbau von Compliance- und Controlling-Abteilungen sowie Aufwendungen für Rechtsstreitigkeiten und Vergleiche für hohe Kosten. Steigende BelastungenDie Ausgangslage der britischen Banken ist damit vor dem Brexit im Hinblick auf die Ertragssituation nicht ganz so positiv, wie sie es häufig darstellen. Dennoch ist sie auch nicht so schlecht, wie die Daten der britischen Notenbank dies erscheinen lassen. So dürfte ein Großteil der Belastungen aus Kundenentschädigungen abgearbeitet sein. Auch die Restrukturierungsaufwendungen und Veräußerungsverluste aus nicht strategischen Aktiva sollten bei den britischen Banken deutlich sinken, ist der Umbau bei den meisten Banken doch weitgehend abgeschlossen. Barclays und RBS planen, ihre internen Bad Banks Mitte bzw. Ende 2017 aufzulösen und die verbleibenden Aktiva in die Kernbank zu reintegrieren. Dann dürfte sich die Rentabilität des Kerngeschäfts stärker in den Konzernzahlen niederschlagen. Allerdings dürften Belastungen aus Rechtsstreitigkeiten und Vergleichen bei RBS und Barclays noch einmal höher ausfallen, da hier vor allem die Verhandlungen um US-Hypothekenverbriefungen vor dem Abschluss stehen.Alles in allem sollte sich die Rentabilität der britischen Banken in den kommenden Jahren eigentlich verbessern, so denn die Brexit-Verhandlungen bzw. -Ergebnisse nicht die britische Wirtschaft massiv belasten. Dies gilt umso mehr, je “softer” die Brexit-Ergebnisse ausfallen. Dann dürften die Auswirkungen für die britischen Banken verkraftbar bleiben. Die Verschuldung von Haushalten und Unternehmen hat in den vorigen Jahren abgenommen, gleichzeitig sorgte der langjährige Aufschwung am Immobilienmarkt dafür, dass das durchschnittliche Verhältnis von Kreditsumme zu Immobilienwert (LTV) in den vorigen Jahren gesunken ist. Damit sind Puffer für etwaige Preisrückgänge am Immobilienmarkt vorhanden. So sind die durchschnittlichen LTV der britischen Hypothekendarlehen bei Barclays (Bestand: 48 %; Neugeschäft: 69 %), HSBC (40 %; 59 %), Lloyds Banking Group (44 %; 64 %) und RBS (56 %; 69 %) recht gering. Gleichzeitig haben britische Banken ihre Liquiditäts- und Eigenkapitalausstattung deutlich verbessert. Investoren sollten daher nicht in Panik verfallen, sondern die weitere Entwicklung abwarten und nur für den Fall, dass sich ein Hard Brexit abzeichnet, ihr Exposure in britischen Banken reduzieren.—-*) Oliver Piquardt ist Leiter Credit Research Financials & Structured Credits bei der DZ Bank.