DEVISENWOCHE

Britisches Pfund als Spielball der Politik

Von Sebastian Sachs *) Börsen-Zeitung, 25.4.2017 Das Pfund ist momentan wie keine andere Währung ein Spielball der Politik. Wir sprechen hier von nicht weniger als dem Brexit - der Grundsatzentscheidung, die an den Grundfesten der EU zu rütteln...

Britisches Pfund als Spielball der Politik

Von Sebastian Sachs *)Das Pfund ist momentan wie keine andere Währung ein Spielball der Politik. Wir sprechen hier von nicht weniger als dem Brexit – der Grundsatzentscheidung, die an den Grundfesten der EU zu rütteln vermag. Mit der Abstimmung der Briten vom 23. Juni vergangenen Jahres, sich von der Union loszusagen, ist das Pfund in eine neue Handelsphase eingetreten. Seit diesem Zeitpunkt notiert die britische Währung deutlich tiefer, und zwar nicht nur gegenüber Euro und Dollar, auch handelsgewichtet ist die Kursschwäche immanent.Mit der Ankündigung von Neuwahlen am 8. Juni hat Premier Theresa May eine weitere Stufe der Spekulation gezündet. Zumindest kurzfristig scheint sich der Devisenmarkt dafür entschieden zu haben, von temporär zurückgehender Unsicherheit auszugehen. Sterling hat sich seit vergangenem Dienstag auf breiter Front von seiner vergleichsweise robusten Seite gezeigt. Doch fast keine der wichtigsten Weltwährungen ist so stark auf die (vor allem politische) Entwicklung in der Heimat fokussiert wie das Pfund. Robuste Makro-DatenNach dem überraschenden Ausgang des Brexit-Votums hatten sich Strategen und Volkswirte erst einmal darauf eingeschossen, für Großbritannien per se pessimistisch zu sein. Ein Einbruch der konjunkturellen Aktivität – ausgelöst vor allem durch ausbleibende Investitionen – und eine nachhaltige Verschlechterung des Sentiments waren Haupttreiber dieser Befürchtungen. Erstaunlicherweise haben sich die “harten” Daten durchaus robust entwickelt; zudem war der Einbruch der Einkaufsmanager-Indizes (PMIs) nur von kurzer Dauer. Die Inflation hingegen hat sich seit der Abstimmung von rund 0,5 % auf aktuell 2,3 % deutlich erhöht – und somit natürlich auch die Erwartungen an die Bank of England.Doch die Notenbank sah und sieht sich bereits dem Problem gegenüber, ob primär auf die aus der Brexit-Diskussion erwachte Unsicherheit oder aber auf die Inflationsentwicklung reagiert werden soll. Noch scheint die Richtung klar, die BoE übt sich, nach einer ersten Reaktion, in Zurückhaltung. Auch in den vergangenen Wochen haben unterschiedliche Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses deutlich gemacht, dass eine übervorsichtige Reaktion auf ein (in ihren Augen) vielleicht nur vorübergehendes Überschießen der Inflation gefährlich wäre. “Lieber später als früher” scheint momentan das Motto der BoE mit Blick auf eine geldpolitische Straffung zu sein. Wir gehen davon aus, dass sich an dieser Ausrichtung bis Jahresende nichts ändern wird. Für das Pfund bedeutet das im Umkehrschluss von dieser Seite nur wenig Rückendeckung – die Impulse müssen aus einer anderen Richtung kommen. Bis Jahresende freundlicherZum Beispiel aus der Markttechnik. Der Blick hierauf hat zwar kurzfristig eine technische Schwäche für Euro/Pfund offenbart. Doch verdichten sich die Anzeichen, dass die jüngste kräftige Abwärtsbewegung wieder an Momentum verliert. Eine Rückkehr in den aufwärtsgerichteten Handelskorridor (siehe Grafik), der mit einer Ausnahme im Oktober 2016 bereits seit dem Abstimmungstermin seine Gültigkeit besitzt, ist unsere erste Zielmarke. Fundamentale Wahrheiten aus Großbritannien haben gute Chancen, selbst ein negatives technisches Bild für dieses Währungspaar zu überlagern. Bis Jahresende sehen wir für Euro/Pfund Aufwärtspotenzial bis 0,88 – vor allem aus der von uns erwarteten politischen Entwicklung heraus. Auch weist UK das größte Leistungsbilanzdefizit im G10-Universum auf.Theresa May dürfte zumindest in der Anfangsphase einen harten Brexit-Kurs favorisieren; von daher dürften auf Sterling vor allem von Sentimentseite her neue, dann auch deutlich gewichtigere Probleme zukommen, sobald die Verhandlungen mit der EU beginnen. Auch wenn die Neuwahl im Juni laut aktuellen Umfragen einen ungefährdeten und deutlichen Wahlsieg Mays zum Ergebnis haben dürfte, bedeutet dies nicht automatisch, dass die Diskussionen um die beste diplomatische Taktik aufhören – vor allem auch innerparteilich. Wir gehen nicht davon aus, dass die politische Führung in Brüssel von ihrer konsequenten, nur wenig nachgiebigen Linie abweichen wird. Die EU fordert zudem Zahlungen in Höhe von bis zu 60 Mrd. Euro von Großbritannien. Die Auswahl an kritischen Themen ist also groß. Die meisten davon dürften für das Pfund schlagend werden. Auch wird sich der Devisenmarkt ab einem bestimmten Zeitpunkt die Frage stellen, in welcher Konstitution sich Großbritannien nach einer erfolgten Abspaltung präsentieren wird; rosig sind die Aussichten hier bei weitem nicht! Genügend kritische Punkte”Das Pfund ist nicht länger die am meisten gehasste Währung, aber noch immer nicht geliebt”, titelte die “Financial Times” in der vergangenen Woche. Wir würden diese Aussage unterschreiben, aber eher auf die kurze Frist beziehen. Die Wahl am 8. Juni wird ohne Zweifel erneut ein “wegweisendes” Datum für das Pfund. Doch selbst dann werden wir noch nicht genau wissen, wie sich die politische Gemengelage bis zum Austrittszeitpunkt entwickelt oder ob der “harte” Brexit Realität wird. Uns fallen noch immer genügend Argumente ein, für das Pfund weiter eher kritisch eingestellt zu sein.—-*) Sebastian Sachs ist Analyst bei Metzler Capital Markets.