EXCHANGE TRADED FUNDS

Brücke zwischen aktivem und passivem Asset Management

Intelligente Indexkonzepte erleben einen Boom. Ein neuer ETF macht jetzt eine Strategie von Nobelpreisträger Robert Shiller investierbar.

Brücke zwischen aktivem und passivem Asset Management

Von Armin SchmitzDie sich häufenden Turbulenzen an den Kapitalmärkten und der Rückgang der Risikobudgets von institutionellen Anlegern haben zu einem wachsenden Interesse an alternativen Indexkonzepten geführt. Bei den klassischen marktkapitalisierten Indizes – so die Kritiker – sei die Gewichtung nach dem Börsenwert vergangenheitsorientiert. Doch die besonders hoch gewichteten “Gewinner der Vergangenheit” haben ihre Aufstiegsphase schon hinter sich. Das schmerzhafte Ende der Dotcom-Spekulationsblase hat zu einem Umdenken geführt. Indexlösungen, die das Abwärtsrisiko senken, Dividendenstrategien verfolgen oder besondere Sektoren abbilden, sind keine wirklich neue Erfindung. Die Croci-Indizes (Cash Return on Capital Invested) der Deutschen Bank werden seit 1996 berechnet, die Rafi-Indizes von Research Affiliates seit 2002.Kurz nach dem Platz der Dotcom-Spekulationsblase brachte Standard & Poor’s 2003 mit dem S & P Equal Weight Index erstmalig eine Variante des US-Leitbarometers S & P 500 auf den Markt. In diesem gleich gewichteten Index konnten Anleger über einen parallel gestarteten börsengehandelten Indexfonds investieren. Dieser Exchange Traded Fund (ETF) war dann auch der Startschuss für eine wachsende Verbreitung neuer Indexkonzepte, die sich zum Teil deutlich von den klassischen marktkapitalisierten Marktbarometern unterscheiden.Die als Smart Beta bezeichneten Varianten wurden in den vergangenen Jahren sukzessiv durch Zertifikate und ETF handelbar gemacht. Der Smart-Beta-Sektor gehört heute vor allem in den USA zu einem sehr beliebten Bereich innerhalb des ETF-Angebots, der Milliardenbeträge anzieht. Smart Beta gilt als Brücke zwischen dem aktiven und passiven Asset Management. Ein Fünftel aller Anlegergelder fließt derzeit in die Strategieprodukte. Von den 1 667 in den USA gelisteten ETF verfolgen 430 erweiterte ETF-Strategien. Sie weisen Assets under Management von 212 Mrd. Dollar aus. Trend steht am AnfangNach Ansicht von Robert Ross von Invesco PowerShares ETF legen immer mehr Pensionsfonds, Stiftungen und Vermögensverwalter Wert auf Transparenz, Liquidität und einfache Nutzung. Daher entscheidet sich eine wachsende Zahl von institutionellen Entscheidungsträgern für die Nutzung von ETF beim taktischen Einsatz sowie für Core-Satellite-Strategien. In Europa steht dieser Trend erst am Anfang. Nach Einschätzung von Ted Hood, CEO von Source, wird aber die Beliebtheit auch in Europa in den kommenden Jahren stark zunehmen. Mehrere große aktive Vermögensverwalter sollen derzeit eine Nutzung von ETF prüfen. Für 2015 prognostiziert er, dass sich neben den aktiv gemanagten ETF auch das verwaltete Vermögen von Produkten, die alternative Indexkonzepte abbilden, verdreifachen wird.Experten erwarten, dass sich das Angebot an Smart-Beta-Produkten in den kommenden Monaten wegen der hohen Nachfrage nach alternativen Konzepten deutlich erweitern wird. Einen neuen Fundamentalindex wird Ossiam mit einem ETF investierbar machen. Grundlage ist der von dem Investmenthaus Barclays zusammen mit dem Nobelpreisträger Robert Shiller entwickelte Shiller Barclays Cape Europe Sector Value Index, dessen Komponenten auf Basis der entwickelten Bewertungsgrößen von Shiller ausgewählt werden. Shiller wurde 2013 zusammen mit Eugene Fama und Lars Peter Hansen für ihre empirische Analyse von Kapitalmarktpreisen der Nobelpreis der schwedischen Reichsbank für Wirtschaftswissenschaften verliehen.Der von Shiller und den Indexspezialisten des Investmenthauses entwickelte Index verfolgt eine Sektor-Rotationsstrategie. Dabei wird das konjunkturbereinigte Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) Cape (Cyclically Adjusted Price Earnings) herangezogen. Diese auch “Shiller-KGV” genannte Bewertungsgröße berücksichtigt die Gewinnhistorie der zurückliegenden zehn Jahre. Sie soll damit eine bessere Aussagekraft haben als das “normale” KGV. Für langfristige InvestorenDie Fundamentalstrategie geht dabei von einem Anlageuniversum von zehn Sektoren aus, bei der vier unterbewertete Sektoren mit der größten positiven Dynamik über einen Zeitraum von zwölf Monaten identifiziert werden. Das erfolgt in einem monatlichen Rhythmus. Der Index geht dann eine gleich gewichtete Long-Position in jedem korrespondierenden Sektorindex ein. Die Shiller-Barclays-Cape-Europe-Indexfamilie wird durch das Barclays Risk Analytics and Index Solutions Limited (Brais) Team berechnet und veröffentlicht, die zum globalen Researchteam von Barclays gehören. Obwohl die Indexfamilie schon im September 2013 aufgelegt wurde, wird dieses Marktbarometer in Europa erst in den kommenden Wochen durch einen ETF investierbar gemacht. Der Shiller-Indexfonds wird sich in erster Linie an Buy-and-Hold-Investoren mit mehrjährigem Anlagehorizont richten.Es handelt sich nicht um ein gänzlich neues Konzept. Bereits im Oktober 2012 hat Barclays eine Exchange Traded Note (ETN) auf den Shiller Cape Index aufgelegt, der unterbewertete US-Aktiensektoren abbildet, die zusätzlich ein relativ starkes Kursmomentum aufweisen. Aktuell sind es die Sektoren Industrie, Basiskonsumgüter, Gesundheit und Technologie. Dieser Strategie-ETN von Barclays hat seit dem Start vor etwas mehr als 28 Monaten jährlich eine Rendite von 11,4 % erzielen können, während der S & P 500 nur auf einen Ertrag von 9,8 % p.a. kam. ETN werden allerdings in Form einer Schuldverschreibung aufgelegt und sind daher einem Zertifikat vergleichbar. Das Anlagekapital der Notes ist zudem nicht durch die Hinterlegung von Anleihen oder anderen Assets gesichert. Das ist eine wichtige Unterscheidung zu dem Sondervermögen eines Indexfonds. Die Gesamtkosten liegen bei diesem ETN bei 0,45 % jährlich.Der neue Shiller-ETF ist nicht der erste Indexfonds, der Fundamentalindizes abbildet. Das Ossiam-Produkt konkurriert mit ETF, welche die vom Amerikaner Robert Arnott entwickelten Rafi-Indizes (Research Affiliates Fundamental Index) wiedergeben. Arnott gewichtet die Unternehmen in seinen Indizes entsprechend ihrem ökonomischen Fußabdruck. Bei seiner Methode steht die Gewichtung von Fundamentalfaktoren wie Dividende, Cash-flow, Umsatz und Buchwert im Vordergrund.Die Indizes werden kontinuierlich angepasst, sodass die Indizes von den Überbewertungen und den Abschlägen zum inneren Wert profitieren können. Es werden Ranglisten der Unternehmen entsprechend ihren durchschnittlichen Umsätze über die zurückliegenden fünf Jahre erstellt. Bewertet werden dabei der durchschnittliche Cash-flow der vorherigen fünf Jahre, der Buchwert des Unternehmens im Betrachtungszeitraum sowie die durchschnittliche Dividendenzahlung über diese Periode. Diese Daten werden auf eine vergleichbare numerische Basis gestellt, und so wird ein Firmenwert ermittelt. Dabei gehen die vier untersuchten Merkmale gleich gewichtet in das Ergebnis ein. Anhand der so entwickelten Rangfolge werden dann Indizes zusammengestellt. Die Indexgewichtung ergibt sich aus dem durch die Fundamentalanalyse ermittelten Firmenwert. ETF machen dieses Indexkonzept für den Anleger investierbar. Langfristig den Markt schlagenDer ETF von Lyxor auf den FTSE Rafi US 1000 (FR0010400804) demonstriert, dass regelbasierte passive Konzepte auch den Markt langfristig schlagen können. Der im Januar 2007 aufgelegte Lyxor-ETF erreichte in den zurückliegenden fünf Jahren eine Rendite von 17,2 % jährlich. Damit konnte der ETF den recht breiten S & P 500 um 0,5 Prozentpunkte jährlich schlagen. Es gibt keinen Unterschied in der Volatilität.Über den Dreijahreszeitraum bietet sich ein ähnliches Bild. Der Anleger konnte mit dem Lyxor-ETF 20,6 % jährlich verdienen, was einen geringfügigen Aufschlag von 0,7 Prozentpunkten gegenüber einem Direktinvestment im S & P 500 bedeutet. Die Sharpe Ratio des FTSE Rafi US 1000 ETF liegt bei 2,34. Die Kosten liegen bei diesem Produkt bei 0,6 % jährlich.Von der Invesco-Tochter Powershares wird mit dem FTSE Rafi Europe Ucits ETF (IE00B23D8X81) eine Strategie auf europäische Aktien angeboten. Über fünf Jahre kommt er auf einen Ertrag von rund 6 % jährlich. Die Rendite liegt also deutlich unter der Wertentwicklung des Produkts auf den US-Markt. Tatsächlich zeigt sich hier, dass mit den Fundamentalindizes nicht der Stein der Weisen gefunden wurde. Die Rafi-Indizes litten während der Finanzkrise unter der hohen Gewichtung der Finanztitel. So musste der FTSE Rafi 1000 Index ETF 2008 Einbußen von rund 28,6 % hinnehmen. Verluste konnte der ETF also letztlich nicht verhindern. Allerdings betrugen sie deutlich weniger als der Gesamtmarkt. Gemessen an dem MSCI Europe Value in Euro lag die Outperformance bei 17,9 Prozentpunkten. Die längere Historie zeigt also, dass Fundamentalindizes ein asymmetrisches Chance-Risiko-Profil aufbauen können, mit dem der Anleger die Volatilität im Portfolio senken kann.Smart-Beta-Produkte wie der FTSE Rafi Europe Ucits ETF rufen immer wieder Kritik hervor, da die Fokussierung auf spezifische Faktoren wie Value oder Small Caps alter Wein in neuen Schläuchen sei. “Eine der Beanstandungen, die am häufigsten zu hören ist, erinnert an einen Ausspruch des biblischen Königs Salomon: ‘Es gibt nichts Neues unter der Sonne'”, sagt Tim Gardener, Global Head der Institutional Client Group von AXA Investment Managers. Tatsächlich würden die meisten Anbieter von Beta-Produkten gar nicht damit prahlen, faktorbestimmte Strategien erfunden zu haben, verteidigt Gardener die Gesellschaften. “Mit den heute verfügbaren Smart-Beta-Produkten haben Investoren zum ersten Mal die Möglichkeit, diese Strategien auf kostengünstige und transparente Weise zu nutzen. Immer mehr Anleger erkennen, dass die Fondsbranche es zumindest in einem Bereich geschafft hat, Beta-Harvesting-Strategien zu angemessenen Preisen anzubieten”, resümiert Gardner.—— Anleger setzen auf Smart BetaImmer mehr US-Pensionsfonds, Vermögensverwalter und Stiftungen versprechen sich von intelligenten Indexkonzepten bessere Anlageergebnisse. Ein Fünftel aller Gelder fließt derzeit in die Strategieprodukte. Von den 1 667 in den USA gelisteten Indexfonds verfolgen 430 erweiterte ETF-Strategien. Die Gesellschaften verwalten bereits 212 Mrd. Dollar in den Smart-Beta-Produkten.——