Berkshire Hathaway mit gewaltigen T-Bill-Positionen

Buffetts Drang nach Cash stützt die Treasury

Warren Buffett baut die Cash-Positionen von Berkshire Hathaway kräftig aus. Dass die Börsenlegende derzeit wenig attraktive Alternativen an den Märkten sieht, trübt die Stimmung für Aktien ein. Zugleich ist die kurzfristige Finanzierung des amerikanischen Staats zunehmend vom „Orakel von Omaha“ abhängig.

Buffetts Drang nach Cash stützt die Treasury

Buffetts Drang nach Cash stützt die Treasury

Berkshire Hathaway hält größere Bestände an T-Bills als die Fed – Nahender Führungswechsel bei US-Investmentholding treibt Anleger um

Warren Buffett baut die Cash-Positionen von Berkshire Hathaway kräftig aus. Dass die Börsenlegende derzeit wenig attraktive Alternativen an den Märkten sieht, trübt die Stimmung für Aktien ein. Zugleich ist die kurzfristige Finanzierung des amerikanischen Staats zunehmend vom „Orakel von Omaha“ abhängig.

xaw New York

Warren Buffett scheut im Alter von 93 Jahren das Risiko. Der Starinvestor hat die Cash-Bestände seiner Holding Berkshire Hathaway in den vergangenen Quartalen bedeutend aufgestockt und sich im Gegenzug im großen Stil von Aktien getrennt – das „Orakel von Omaha“, dessen Entscheidungen globale Anleger aufgrund seiner jahrzehntelangen Erfolgsbilanz genau verfolgen, trägt damit zu der gedämpften Stimmung für Dividendentitel bei.

Im Fokus stand rund um die Quartalsveröffentlichung des Investmentkonglomerats aus Nebraska Anfang August vor allem, dass Buffett die Beteiligung an Apple um nahezu die Hälfte auf 400 Millionen Aktien zusammengestrichen hat. Zudem verkaufte er im Juli an zwölf aufeinanderfolgenden Handelstagen Aktien von Bank of America im Gesamtwert von rund 3,8 Mrd. Dollar. Die Analysten des Finanzdienstleisters Edward Jones zeigen sich „besorgt über Buffetts Ausblick für die Märkte und die Gesamtwirtschaft“ – und verweisen auf das „unglaubliche“ Wachstum der Berkshire-Positionen bei Geldmarktpapieren.

Massiver Zukauf von T-Bills

In den ersten sechs Monaten 2024 hat das Konglomerat US-Staatsanleihen mit Fälligkeit von bis zu einem Jahr (T-Bills) und andere Fixed-Income-Instrumente im Volumen von 230 Mrd. Dollar zugekauft, in den vorangegangenen vier Jahren waren Werte um die 100 Mrd. Dollar üblich. Zugleich trennte sich Berkshire lediglich von Kurzläufern im Gegenwert von rund 15 Mrd. Dollar, während 120 Mrd. Dollar an Anleihen fällig wurden und reinvestierbares Cash einbrachten. Im ersten Halbjahr 2023 hatte Buffett sich noch aktiv von T-Bills und weiteren Festverzinslichen im Umfang von 40 Mrd. Dollar getrennt, 2022 summierten sich die Verkäufe im gleichen Zeitraum gar auf ungefähr 55 Mrd. Dollar.

Barmittel auf Rekordwert

Zum 30. Juni 2024 beliefen sich die Barmittel von Berkshire Hathaway auf einen Rekordwert von 277 Mrd. Dollar, der Großteil entfiel mit 234,6 Mrd. Dollar auf T-Bills. „Unter den aktuellen Bedingungen macht es mir überhaupt nichts aus, die Cash-Position weiter auszubauen“, betonte Buffett bereits auf der Hauptversammlung im Mai. „Wenn ich mir anschaue, was an den Aktienmärkten verfügbar ist und was in der Welt vor sich geht, halte ich Cash für ziemlich attraktiv.“

Unter den aktuellen Bedingungen macht es mir überhaupt nichts aus, die Cash-Position weiter auszubauen.

Warren Buffett auf der Hauptversammlung im Mai

Die Fixed-Income-Strategen von J.P. Morgan verweisen darauf, dass Berkshire Hathaway bereits zum Zeitpunkt der Hauptversammlung 3% des gesamten T-Bill-Marktes kontrollierte. Zuletzt übertraf die Position der Holding sogar die Beteiligung der Federal Reserve. Buffett ist damit ein Ankerinvestor des amerikanischen Staats, der diese Unterstützung angesichts eines explodierenden Haushaltsdefizits auch gebrauchen kann.

Die rekordhohen Staatsausgaben für Konjunkturprogramme wie den Inflation Reduction Act sind in weiten Teilen schuldenfinanziert, zudem ringt der Markt mit den Folgen des Haushaltsstreits im vergangenen Jahr. Weil die Staatskasse nach dem politischen Konflikt über die Schuldenobergrenze schon in der ersten Hälfte 2023 leergefegt war, bestand für die Treasury bei ihren Auktionen Nachholbedarf.

T-Bill-Markt bleibt aufnahmefähig

Eine Emissionsflut brach über die Märkte herein: Das Volumen ausstehender T-Bills schnellte laut dem Kapitalmarktverband SIFMA im laufenden Jahr auf über 6 Bill. Dollar, nachdem das Segment vor einem Jahr noch 4 Bill. Dollar und vor zehn Jahren weniger als 1,5 Bill. Dollar schwer war. Ende Juni waren T-Bills im Volumen von rund 5,8 Bill. Dollar im Umlauf, nahezu 30% mehr als im Vergleichsmonat aus dem Vorjahr.

In den vergangenen Monaten ging die Sorge um, dass das gewaltige Neuangebot die Marktteilnehmer überfordern würde. Doch während die Treasury zeitweise tatsächlich mit Unterdeckungen ihrer Langläufer-Auktionen rang und die als Primärhändler eingespannten Banken rekordhohe Anteile der begebenen Bonds auf die eigene Bilanz nehmen mussten, zeigte sich der T-Bill-Markt wiederholt stärker aufnahmefähig.

Geldmarktfonds als Prellbock

Die Federal Reserve übernahm infolge ihres Bilanzabbaus nicht mehr die Rolle als Hauptanker im Markt, Geldmarktfonds agierten als Prellbock. Sie hatten im Zuge der geldpolitischen Kontraktion ab 2022 hohe Cash-Bestände in den Übernachtfazilitäten der Notenbank geparkt, die sie darauf in Schatzwechsel-Auktionen pumpten. Doch das Liquiditätspolster in der sogenannten Overnight Reverse Repurchase Facility der Fed ist nach den massiven Staatsanleiheemissionen seit Mitte 2023 stark geschrumpft. Die Analysten der ING glauben, dass die Mittel im dritten Quartal gegen null tendieren.

J.P. Morgan sieht den Markt indes weiter aufnahmefähig, auch dank Buffetts Drang in Cash. Wenngleich die Verzinsungen ein-, drei- und sechsmonatiger Treasuries zuletzt zurückgegangen sind, fielen sie mit – Stand Dienstagabend – 5,311%, 5,202% und 4,942% im Vergleich zu jenen am langen Ende der Kurve aus Sicht vieler Investoren überproportional attraktiv aus. Die Marktteilnehmer griffen bei Schatzwechsel-Auktionen mit Gusto zu, weil sie sich vor der für September erwarteten Zinssenkung der Fed hohe Renditen sichern wollen. Berkshire Hathaway etwa befand sich zu den jüngsten Niveaus auf bestem Wege, auf ihre T-Bill-Positionen risikofreie Zinserträge von rund 12 Mrd. Dollar pro Jahr einzufahren.

Buffett setzte auf Rückkäufe

Für Analysten stellt sich die Frage, wie die Holding ihre Cash-Position nach der erwarteten Fed-Zinswende einsetzt – also ob diese „in neue Investitionen fließt, für Aktienrückkäufe genutzt wird oder als Sicherheit dient“, wie es Analyst Jean-Paul von Oudheusden von der Trading-Plattform Etoro formuliert. Über die vergangenen fünf Jahre hat Berkshire Hathaway durch Buybacks 10% der eigenen Anteile vom Markt genommen und die A-Aktie sowie die für eine breitere Investorenbasis zugängliche B-Aktie durch die Angebotsverknappung zusätzlich gestützt.

In der Vergangenheit betonte Buffett wiederholt, dass Rückkäufe zu adäquaten Kursniveaus für Unternehmen den besten Einsatz liquider Mittel darstellten.

Warren Buffett und der im vergangenen November verstorbene Charlie Munger galten über Jahrzehnte als unzertrennlich. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Nati Harnik.

Mit Blick auf die künftige Strategie von Berkshire Hathaway treibt Beobachter auch der näher rückende Führungswechsel bei der Holding um. Buffett wurde zum Ende der jüngsten Hauptversammlung bereits emotional und brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, beim nächsten Aktionärstreffen noch dabei zu sein – sein langjähriger Partner und Verwaltungsratsvize Charlie Munger starb im November mit 99 Jahren.

Der designierte neue starke Mann an der Berkshire-Spitze, Greg Abel, bringt nach Marktmeinung nicht die Strahlkraft des „Orakels von Omaha“ mit, soll die Kultur bei der Holding aber fortführen. Buffett sieht deren Aufstieg als eine typisch amerikanische Erfolgsgeschichte. Deshalb zeigt sich der bald 94-Jährige stolz, die Treasury nicht nur mit T-Bill-Investitionen, sondern auch mit milliardenschweren Steuerzahlungen auf den Apple-Aktienverkauf stützen zu können.