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Bund-Renditeanstieg steht bevor

Von Thomas Meißner *) Börsen-Zeitung, 30.1.2014 Die Renditeprognosen der verschiedenen Bank- und Forschungsinstitute für Deutschland liegen dieser Tage so eng beieinander wie zuletzt vor mehr als anderthalb Jahrzehnten. Auf Basis verschiedener...

Bund-Renditeanstieg steht bevor

Von Thomas Meißner *)Die Renditeprognosen der verschiedenen Bank- und Forschungsinstitute für Deutschland liegen dieser Tage so eng beieinander wie zuletzt vor mehr als anderthalb Jahrzehnten. Auf Basis verschiedener Umfragen vom vergangenen Dezember werden die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen bis zum Jahresende 2014 allerhöchstens, so die höchste abgegebene Schätzung, auf 2,7 % steigen. Als niedrigste Prognose sind 1,8 % genannt worden. Im Ergebnis tut sich eine Prognosespanne von lediglich 90 Basispunkten (BP) auf. Dabei kam es in den zurückliegenden 25 Jahren überhaupt nur viermal vor, dass die Spanne der Prognosen für die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen von Jahresende zu Jahresende 100 BP oder weniger betrug. Im neuen Jahr sind die Konturen dieses Bildes noch schärfer als zuvor zutage getreten. Für Januar 2015 melden die Umfragen zu den zehnjährigen Bund-Renditen eine Spanne zwischen 1,9 und 2,75 %. Vertrauen erschüttertNoch gut in Erinnerung ist der Dezember 2008. Das zweite Jahr der Weltfinanzkrise neigte sich damals seinem Ende zu. Im September zuvor hatte die Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers das Urvertrauen vieler Finanzmarktakteure erschüttert. Nicht von ungefähr gingen die Propheten mit einem breit gefächerten Angebot an Zukunftsszenarien in das bevorstehende Jahr. Die Spanne der Prognosen für die zehnjährigen Bund-Renditen lag zu jenem Zeitpunkt bei im historischen Vergleich hohen 230 BP. Gemessen hieran, erscheint es mehr als berechtigt, davon zu sprechen, dass sich gegenwärtig die Bund-Prognosen nur sehr wenig unterscheiden.Die Prognosebilder der verschiedenen Bank- und Forschungsinstitute sind momentan stark geprägt von der Notenbankpolitik. Dies knüpft an die Diskussion an, wie sie generell zum Auftakt des noch jungen Jahres 2014 am Rentenmarkt geführt wird. Die US-Notenbank hat den Ausstieg aus ihren krisenbedingt ergriffenen, quantitativen Maßnahmen begonnen. Dies mag – so die erste zweier zentraler, weit verbreiteter Annahmen – die Kapitalmarktrenditen rund um den Globus in den kommenden Monaten in die Höhe treiben. Dem steht als zweite weithin akzeptierte Grundannahme eine EZB gegenüber, die mit Leitzinsen nahe null und mit einer Forward Guidance versucht, den Euroraum von diesem Renditeanstieg abzuschirmen, so gut es geht. Als Fazit sehen die professionellen Auguren einen Anstieg der zehnjährigen Bund-Rendite auf im Mittel gut 2,25 % oder – gerechnet vom Jahresende 2013 – um nahezu 35 BP.Die geringe Spannweite der Zehnjahres-Bund-Renditeprognosen im Moment ist sicherlich zum einen dem absolut niedrigen Renditeniveau geschuldet, das aktuell vorherrscht. In Zeiten, in denen am langen Ende des Kapitalmarktes ein Ertrag von gerade einmal 1,65 % zu erwirtschaften ist, schwankt das allgemeine Renditeniveau naturgemäß weniger ausgeprägt als in Zeiten eines Ertrags von beispielsweise 9 %. Insofern erscheint es plausibel, wenn die Prognostiker gegenwärtig die Möglichkeit als nur sehr beschränkt ansehen, dass sich die Renditen bei den Langläufern in überschaubarem Zeitraum drastisch verändern. Dennoch gab es auch in den neunziger Jahren, als noch Langläuferrenditen jenseits von 5 % an der Tagesordnung waren, Zeiten, in denen sich die Prognosen auf Sicht von zwölf Monaten nur geringfügig unterschieden. In Basispunkten gerechnet, kam es zwischen 1990 und 1999 insgesamt viermal vor, dass zum Zeitpunkt der Erstellung der hier betrachteten Prognosen bei diesen eine Spannweite von 100 BP oder weniger zu beobachten war. Die vergangenen 25 Jahre insgesamt in den Blick genommen, fiel das Gros bei der Prognosespannweite in den Bereich oberhalb von 110 BP. Geringe SpanneEine niedrige Prognosespanne im Vorhinein ist im zurückliegenden Vierteljahrhundert tendenziell mit einer hohen mittleren Prognoseabweichung im Nachhinein verknüpft gewesen. So gesehen steigt bei einer solch geringen Variation der Prognosen untereinander wie derzeit die Wahrscheinlichkeit dafür, dass viele Prognostiker falsch liegen. Drei der vier niedrigsten Prognosespannen a priori gingen bis 1989 mit mittleren Prognoseabweichungen jenseits von 150 Basispunkten einher. Anders formuliert: Immer dann, wenn die Prognosespanne so niedrig liegt wie aktuell, droht die Prognostikerzunft um im Mittel mindestens (!) 1,5 Prozentpunkte bei den zehnjährigen Renditen der Bundesanleihen danebenzuliegen.Auf Basis der Vergangenheitsdaten ist es vorderhand nicht zu entscheiden, in welche Richtung die Zehnjahres-Bund-Renditen die Prognosen verfehlen werden. Die Präzedenzfälle liefern Beispiele für beide möglichen Varianten. Im Dezember 1992 lag das Mittel der Prognosen für den Zeitpunkt zwölf Monate später bei 7,14 %; zum Jahresende 1993 realisierte sich indes ein Wert von 5,53 %. Zu diesem Zeitpunkt dann sahen die damaligen Prognostiker auf Jahressicht eine Zehnjahres-Bund-Rendite von im Mittel 5,87 % voraus; tatsächlich endete das Jahr 1994 bei 7,62 %, geschuldet im Wesentlichen einem drastischen Leitzinsanhebungszyklus der US-Notenbank. Im Dezember 1997 dann prognostizierten die Experten für Ende 1998 eine Rendite am langen Ende der Bund-Kurve von 6,09 %. Der Wert lag wiederum deutlich darunter. Zum Jahresende 1998 lag die Zeitreihe der Zehnjahres-Bund-Rendite bei 3,87 %. Verantwortlich hierfür waren nicht zuletzt ein kurzfristiger, letztlich gering ausgeprägter Wachstumseinbruch und eine nachlassende Kapitalnachfrage durch die öffentliche Hand im späteren Euroraum vor der Euro-Einführung. Zyklisches HochDer Januar 2014 hat die Rentenmarktinvestoren mehrheitlich positiv gestimmt. Der erste Handelstag des neuen Jahres sah ein zyklisches Renditehoch bei 1,97 % für die Langläufer unter den deutschen Bundesanleihen. Seither ist es im Trend abwärtsgegangen. Spiegelbildlich hierzu hat der Bund-Future haussiert. Es erscheint erheblich verfrüht, diese Bewegungen als Omen für die Rentenmarktentwicklung der noch verbleibenden Monate dieses Jahres zu nehmen. Aber zumindest dies erscheint gerechtfertigt: Mit Überraschungen am Rentenmarkt des Euroraums ist zu rechnen.Die aktuelle DZ Bank-Prognose zu den Renditen zehnjähriger Bundesanleihen basiert zu großen Teilen auf dem Bild, dass sich für die Eurozone die gesamtwirtschaftlichen Aussichten jüngst zwar etwas aufgehellt haben, sie aber insgesamt trüb bleiben. Inflation dürfte auch in den kommenden Monaten kein Thema am Markt sein. Die EZB hat damit alle Argumente auf ihrer Seite, um ihre Leitzinsen wie versprochen dauerhaft niedrig zu halten. Die zehnjährigen Bund-Renditen sollten vor diesem Hintergrund auf Sicht von zwölf Monaten bei 2,30 % liegen. Der wichtigste Impuls für diesen Schub dürfte aus den Vereinigten Staaten kommen, nicht aus dem Euroraum.—-*) Thomas Meißner leitet das Zinsresearch der DZ Bank.