IM INTERVIEW: MICHAEL HÜNSELER, ASSENAGON

"Bundesanleihen Verlierer des Jahres"

Geschäftsführer: Corporates und Cocos sollten ihre derzeitige Rendite im Gesamtjahr einspielen

"Bundesanleihen Verlierer des Jahres"

Nach einem sehr guten Anleihejahr 2019 müssen sich Anleger auf deutlich geringere Erträge einstellen, ist Michael Hünseler, Geschäftsführer und Head of Credit Portfolio Management von Assenagon Asset Management, überzeugt. Besonders für Bundesanleihen ist Hünseler skeptisch. Herr Hünseler, was können Investoren von den Rentenmärkten im neuen Jahr erwarten beziehungsweise was müssen sie befürchten?Wir haben den Eindruck, dass derzeit ein Umbruch stattfindet. 2019 war ein positives Ausnahmejahr für Anleihen. Vor allem die eigenkapitalnahen Nachranganleihen der Banken, auch Contingent Convertibles oder kurz Cocos genannt, haben mit einem Ertrag von mehr als 16 % sehr gut abgeschnitten. Trotz niedriger Renditen haben überraschenderweise aber selbst Staatsanleihen mit rund 7 % sehr gute Erträge eingefahren. Die zehnjährige Bundesanleihe lag im August ertragsmäßig 10 % vorne und war damit sogar mit dem Euro Stoxx 50 gleichauf. 2020 müssen sich die Investoren auf deutlich geringere Erträge einstellen. In unserem Ausblick sprechen wir vom Ende der Zinsillusion. Was meinen Sie damit?Unserer Meinung nach sind die Jahre, in denen Anleger mit Anleihen Erträge erzielen konnten, die den Nominalzins deutlich übertroffen haben, und sich nicht über die optische Renditearmut ärgern mussten, vorbei. Mit einer laufenden Verzinsung von -0,2 % ist die Ausgangslage für die zehnjährige Bundesanleihe so ungünstig wie noch nie. Es gibt nicht einmal einen Kuponertrag, Anleger haben eigentlich keine Chance mehr, damit einen halbwegs vernünftigen Ertrag zu erzielen. Mit einer Rendite von 3,85 % sind Cocos nach wie vor die Anleihen mit der höchsten laufenden Verzinsung. Dahinter folgen Hochzinsanleihen, die diesen Namen mit einer Rendite von 2,62 % kaum noch verdienen. Bei Investment-Grade-Unternehmensanleihen, die nur noch 0,52 % abwerfen, ist das Potenzial nach der breiten Erholung des zurückliegenden Jahres deutlich reduziert. Also raus aus Staatsanleihen?Ein gut diversifiziertes Portfolio wird angesichts der politischen Unsicherheiten – zu erwähnen ist hier etwa die brisante Lage im Nahen Osten – auch 2020 nicht ganz ohne Staatsanleihen auskommen. Denn Unsicherheiten können Aktien und Zinsen durchaus vorübergehend unter Druck setzen. Allerdings deuten Indikatoren wie der ZEW-Konjunkturerwartungsindex und die Konsumgüterproduktion auf eine konjunkturelle Verbesserung hin. Das hat bereits für einen Anstieg der langfristigen Zinsen gesorgt. Welchen Einfluss wird die Geldpolitik, speziell die der EZB haben?Von der EZB werden kaum noch positive Impulse für den Anleihemarkt ausgehen können. Im Unterschied zur amerikanischen Zentralbank ist ihr Spielraum mittlerweile sehr begrenzt. Weitere Zinssenkungen dürften sich außerdem negativ auf die Stabilität der Finanzbranche auswirken. Seit 2014 ist es jedoch die Aufgabe der Notenbank als alleiniger und zentraler Bankenaufsicht, die Stabilität des Bankensystems zu gewährleisten. Der neuen EZB-Präsidentin Christine Lagarde sind damit praktisch die Hände gebunden. Was sollen Investoren unter den gegebenen Voraussetzungen tun?Unserer Meinung nach kommt es im derzeit schwierigen Umfeld weniger auf den Kapitalmarkttrend als auf eine geeignete Investmentauswahl an. Bundesanleihen werden angesichts der zu erwartenden wirtschaftlichen Stabilisierung wahrscheinlich die Verlierer des Jahres sein. Dagegen sollten Cocos und Unternehmensanleihen ihre derzeitige Rendite im Gesamtjahr einspielen. Aufgrund starker Investorennachfrage sind bei diesen Schuldtiteln außerdem vorübergehende Kursgewinne möglich. Allerdings würden sich diese angesichts der bereits deutlich gesunkenen Risikoprämien kaum noch rechtfertigen lassen und mehr auf den Mangel an besseren Anlagealternativen zurückzuführen sein. Haben die Investment-Grade-Anleihen mit einer Rendite von rund 0,5 % nicht ein mit den Bundesanleihen vergleichbares Problem?In der Tat. Sie bieten ohne Absicherung des Zinsrisikos wenig Schutz, da bereits ein moderater Anstieg ausreicht, den laufenden Ertrag aufzuzehren. Risiken in der Assetklasse ergeben sich durch die Tatsache, dass die jahrelang niedrigen Zinsen Unternehmen am Leben erhalten haben, die unter normalen Umständen nicht überleben könnten. Insbesondere von den sogenannten Zombie-Firmen – das sind Unternehmen, deren Geschäftsmodell sich nicht einmal bei den derzeit extrem niedrigen Fremdkapitalkosten trägt, – droht Gefahr. Das hat die Insolvenz von Thomas Cook gezeigt. Wir gehen aber davon aus, dass die Ausfälle zwar zunehmen, die Insolvenzen jedoch auf einem im historischen Vergleich niedrigen Niveau bleiben werden. Cocos werfen, wie Sie ausgeführt haben, derzeit am meisten ab. Aber gibt es denn nicht gerade in der Bankenbranche, vor allem in Deutschland, erhebliche Probleme und Herausforderungen, Letzteres nicht zuletzt wegen der Fintechs als potenziell gefährlichen Konkurrenten?Die Nachrichten machen tatsächlich wenig Mut. Wir haben von einer geplatzten Fusion gehört und von Profitabilitätszielen, bei denen es kein Wunder ist, dass die Aktienkurse der deutschen Banken im Keller sind. Dennoch werden Cocos anders betrachtet als zuvor, als noch die Frage gestellt wurde, ob die Institute sich über Wasser halten können. Die Banken haben massiv Risiken abgebaut, Kapitalquoten erhöht und Liquidität angehäuft. Überdies halten wir die Furcht vor den neuen Herausforderern, den Fintechs, für zumindest teilweise übertrieben. Es gibt nicht besonders viele von ihnen, nur wenige sind erfolgreich, und sie sind zumeist auch nicht besonders innovativ. Sie führen den Banken vor allem vor, wie man mit Digitalisierung Papier und Arbeitszeit spart, sprich sie zeigen das Potenzial der Branche zur Kostenreduzierung und Ertragssteigerung auf. Halten Sie demnach Cocos für attraktiv?Unter den gegebenen Voraussetzungen sind Banken derzeit zum einen langweilig, weil sie risikobewusst handeln, zum anderen aber auch spannend, weil die Verwandlung des Kreditgeschäfts bereits in vollem Gange ist. Für die Halter von Cocos ist das die beste aller Welten. Denn bei diesen Nachrangprodukten droht der Totalverlust, wenn der Emittent in Schieflage gerät. Eben das ist derzeit aber kaum zu befürchten. Das Interview führte Christopher Kalbhenn.