Bundrenditen verharren im Keller

US-Handelsstreit und Italiens Politik sorgen für Flucht in Qualität - Flache US-Zinskurve im Blick

Bundrenditen verharren im Keller

Die Käufe der EZB deckeln seit geraumer Zeit den Renditeauftrieb bei den Bundesanleihen. Aber auch der politische Faktor Italien und der US-Handelsstreit sorgen immer wieder für eine Flucht in Qualität, wovon Bundesanleihen profitieren. Somit bleiben die Renditen niedrig. Von Kai Johannsen, FrankfurtWer Anfang dieses Jahres auf den viel beschworenen Renditeaufwärtstrend bei den Bundesanleihen gesetzt hat, hat bis Stand heute eine herbe Enttäuschung erlebt. Denn aus diesem oft prognostizierten Trend ist nichts geworden. Die zehnjährige Bundrendite startete beim Stand von 0,43 % in das Jahr. Die Aussicht, dass die US-Notenbank bei ihrem Leitzinsanhebungsprozess am Drücker bleibt und dass die Europäische Zentralbank (EZB) im Laufe dieses Jahres dem Quantitative Easing wohl langsam Adieu sagen wird, hievte den Zehnjahressatz bis Anfang Februar auf rund 0,81 %. Das war das Ende der Fahnenstange, vorerst zumindest. Denn an diesem Punkt trat wieder verstärkt Nachfrage am Markt auf. Anleger sicherten sich also dieses vermeintlich hohe Renditeniveau, das sie schon lange nicht mehr gesehen hatten. Der Markt legte in der Folgezeit den Rückwärtsgang ein, die Renditen fielen wieder. Tiefpunkt im Mai erreichtDie italienische Politik hatte auf den Rückgang der Renditen einen nicht unerheblichen Einfluss gezeigt. Denn in dem Land bekamen die Eurokritiker Oberwasser, Unsicherheit machte sich an den Märkten breit, und das führt dann immer wieder dazu, dass die Anleger die sicheren Häfen ansteuern, wovon die Bundesanleihen besonders profitieren. Ende Mai loteten die zehnjährigen Bundesanleihen ihren diesjährigen Tiefstand aus, gemessen wurden 0,19 %, als die Märkte wegen der politischen Unsicherheiten in Italien in Turbulenzen stürzten. Seitdem haben sich die Bundrenditen aber vom Boden abgesetzt und bewegen sich im zehnjährigen Laufzeitenbereich in einer Bandbreite von knapp unter 0,30 % bis um die 0,50 %, diese Spanne liegt unterhalb der Bandbreite, die im ersten Quartal registriert wurde. Derzeit deutet auch nur sehr wenig darauf hin, dass die aktuelle Spanne deutlicher nach oben verlassen wird. Sollte es beim Gerangel um den italienischen Haushalt wieder zu Überwerfungen innerhalb der Politik und damit zu Marktunsicherheiten kommen, könnte auch schnell wieder die altbekannte Flucht in Sicherheit an den Märkten Realität werden. Dann sacken die Bundrenditen schnell erneut in den Keller. Die Regierungsmitglieder haben sich zwar auf einen Haushaltsrahmen geeinigt, aber an Überraschungen aus Italien sind Marktteilnehmer mittlerweile schon ein wenig gewöhnt. EZB ist treibende KraftEs wirkt nach wie vor aber auch noch die stärkste Kraft am Markt, die auch schon seit einigen Jahren wirkt, und das ist das Bondkaufprogramm der EZB. Die europäischen Währungshüter haben den Marktakteuren zwar in Aussicht gestellt, dass sie die Bondkäufe per Jahresultimo 2018 einstellen wollen, haben sich gleichzeitig aber auch noch die Tür offengehalten, das Programm – vielleicht mit vermindertem Tempo – fortzusetzen. Derzeit bremsen die EZB-Bondkäufe den Renditeauftrieb ab, der sich aus anderen Faktoren ergibt wie dem Druck, der aus den Leitzinsanhebungen der Fed resultiert. Aus den USA kommt aber nicht nur ein Aufwärtsdruck auf die Renditen hierzulande. Der Handelsstreit der USA mit China, aber auch mit der EU birgt die Gefahr, dass es ebenfalls hierüber zu einer enormen Fluchtbewegung in sichere Staatspapiere kommen könnte. Das würden die Bundrenditen heftig zu spüren bekommen, es geht dann wieder in Richtung Süden. Von der Seite der EZB-Leitzinsen ergibt sich derzeit und auch bis auf weiteres kein Anpassungsdruck nach oben bei den Bundrenditen. Die EZB hat klargemacht, dass die Leitzinsen im gemeinsamen Währungsgebiet über den Sommer 2019 hinaus nicht angetastet werden und damit auf dem gegenwärtigen Niveau bleiben werden. “Die erste Zinserhöhung seit 2011 könnte demnach frühestens im Oktober 2019 stattfinden. Dies spricht dafür, dass eine Zinswende – zumindest eine, die diese Bezeichnung auch verdient, – in den nächsten zwölf Monaten ausbleiben wird”, so die Zinsanalysten von M. M. Warburg. Etwas höhere Renditen beispielsweise für die Bundesanleihen seien aber dennoch wahrscheinlich, da sich die Nachfrage nach Staatsanleihen durch die Notenbank verringere, heißt es bei der Bank weiter. Doch auch wenn kein frisches Geld mehr für Staatsanleihen bereitgestellt werde und die EZB-Bilanz damit nicht mehr wachse, würden auslaufende Anleihen weiterhin ersetzt. Allein in den ersten sechs Monaten des kommenden Jahres betrage das durchschnittliche monatliche Wiederanlagevolumen rund 17 Mrd. Euro, womit die Analysten auf einen deutlichen Markteinfluss hinweisen. Denn dies dürfte ihrer Meinung nach einen deutlicheren Renditeanstieg verhindern. Sollten die Renditen dennoch stärker ansteigen, bliebe der EZB die Möglichkeit einer Operation Twist: Auslaufende Staatsanleihen könnten durch den vornehmlichen Kauf langer Laufzeiten ersetzt werden. “Die damit verbundene schlechte Nachricht für Zinsanleger ist aber, dass die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen sich auch weiterhin nur im Schneckentempo nach oben bewegen wird”, so M. M. Warburg.Abgemildert wird der Aufwärtsdruck auf die Bundrenditen aber noch durch einen weiteren Faktor, und der kommt ebenfalls aus den USA. Hier stellen sich Marktteilnehmer mehr und mehr darauf ein, dass es in den USA zu einer spürbaren Wachstumsabschwächung kommen wird. Ablesbar ist dies an der Zinsstrukturkurve in den USA, also den US-Staatspapieren. Im Laufzeitenband von zwei bis zehn Jahren verflacht die Kurve immer mehr, das heißt, der Renditeabstand zwischen den beiden Laufzeitenpunkten nimmt immer mehr ab. Derzeit befindet er sich auf dem geringsten Niveau seit mehr als einer Dekade. Eine flacher werdende Zinskurve sowie eine später invertierende Kurve war in der Vergangenheit ein zuverlässiger Signalgeber für die realwirtschaftlichen Entwicklungen. Eine flachere Kurve zeigte eine Wachstumsabschwächung an. Eine Inversion, bei der die langfristigen Marktzinsen (Anleiherenditen) unter den kurzfristigen Sätzen liegen, signalisierte, dass es zu einer Rezession kommen wird. Auf diese realwirtschaftlichen Entwicklungen muss die Zentralbank dann mit niedrigeren Zinsen reagieren, um der Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Diese in der langen Sicht wieder niedrigeren Zinsen zeigt der Bondmarkt vorab an. Verzerrtes BildIn der Vergangenheit folgte mit einem Abstand von sechs bis acht Quartalen eine Rezession auf die Inversion der Zinskurve. Heute wird von manchem Fed-Vertreter allerdings die Aussagekraft der Zinskurve hinterfragt, denn durch das Quantitative Easing – also die Aktionen der Zentralbank – seien Kurvenbewegungen im Vergleich zur Vergangenheit zumindest ein wenig verzerrt. Andere Experten sehen in den Zinserhöhungen der Fed aber auch einen Faktor, der die Wirtschaft selbst abschwächt. Die Fed könnte die Konjunktur abwürgen, weshalb mit weiteren stärkeren Zinserhöhungen in der Zukunft nicht mehr gerechnet werden sollte. Auch bei der Fed gibt es erste vorsichtige Stimmen, dass der Zinsanpassungsprozess womöglich schon sehr weit gediehen ist.