IM BLICKFELD

BVB-Aktie findet nach 20 Jahren an der Börse keine Ruhe

Von Alex Wehnert, Frankfurt Börsen-Zeitung, 30.10.2020 Der 31. Oktober ist ein besonderes Datum in der Geschichte von Borussia Dortmund. Denn am Samstag jährt sich das Handelsdebüt des einzigen börsennotierten Bundesligaclubs zum 19. Mal - und in...

BVB-Aktie findet nach 20 Jahren an der Börse keine Ruhe

Von Alex Wehnert, FrankfurtDer 31. Oktober ist ein besonderes Datum in der Geschichte von Borussia Dortmund. Denn am Samstag jährt sich das Handelsdebüt des einzigen börsennotierten Bundesligaclubs zum 19. Mal – und in den vergangenen 20 Jahren hat sich die BVB-Aktie ähnlich turbulent entwickelt wie das sportliche Geschick des achtmaligen deutschen Meisters.Los ging es mit großen Ambitionen: Die Dortmunder Führung um den damaligen Präsidenten Gerd Niebaum wollte Weltclubs wie Manchester United nacheifern, die bereits an der Börse waren. Doch das Dortmunder IPO stieß schon im Vorfeld auf verhaltene Reaktionen von Analysten. Mit dem ersten Handelstag kam der erste Kursrücksetzer, die Aktie schloss mit einem Minus von 10 % gegenüber dem Ausgabepreis von 11 Euro. Diesem Rückschlag sollten viele weitere folgen. Zwischen dem Börsengang und Handelsschluss gestern hat die Aktie um über 60 % nachgegeben. Und die Corona-Pandemie birgt auch für die zukünftige Entwicklung große Risiken.Denn in anderen Ländern, allen voran Italien, denkt die Politik angesichts der steigenden Infektionszahlen bereits laut über einen Abbruch der gerade erst begonnenen neuen Saison nach. Spiele ohne Zuschauer, tun zwar weh, sind für den BVB aber verkraftbar. Schließlich machen die Ticket-Einnahmen nur mehr 10 % des Umsatzes aus. Doch sollten infolge der Pandemie wieder Spielpausen anstehen, droht der Wegfall von Fernseh-, Werbe- und Sponsorengeldern – und diese bringen mehr als die Hälfte der Erlöse ein. Die Furcht davor, dass diese Mittel längerfristig ausbleiben, kann die Kurse heftig belasten, wie der Einbruch der BVB-Aktie im Frühjahr gezeigt hat. Dauergast in EuropaDabei war Borussia Dortmund an der Börse in den vergangenen Jahren auf einem guten Weg, zwischen Ende 2009 und Ende 2019 hatte sich der Wert der Aktie mehr als verachtfacht. An der Entwicklung zeigt sich, wie stark die Performance von Fußballaktien vom sportlichen Erfolg abhängig ist – dieser war in den vergangenen Jahren durchaus vorhanden. Schließlich sind die Schwarz-Gelben Dauergast im Reichmacher Champions League: Allein für die Teilnahme an der Gruppenphase winken 15,25 Mill. Euro. Wer den Wettbewerb gewinnt, kann bis zu 82,45 Mill. Euro an Preisgeldern einspielen. Darüber, ob eine Mannschaft sich für den Wettbewerb qualifiziert oder die nächste Runde erreicht, können einzelne Tore entscheiden – diese Abhängigkeit macht Fußballaktien zu einer äußerst volatilen Anlage.Die BVB-Aktionäre haben mit der sprunghaften Natur ihrer Investition leidvolle Erfahrung. Die jahrelange Abwärtsspirale, in die der Kurs nach dem Börsengang geriet, resultierte aus der anhaltenden Unruhe um den Verein. Den Emissionserlös von 131 Mill. Euro brauchte die Vereinsführung auf, um Finanzlöcher zu stopfen – und zugleich unverhältnismäßig teure Stars zu verpflichten. Der Brasilianer Márcio Amoroso etwa wurde im Sommer 2001 mit 25,5 Mill. Euro zum Rekordtransfer der Bundesliga.Bis auf die erst am letzten Spieltag errungene Meisterschaft 2002 hielt sich der Erfolg aber in engen Grenzen, und auch abseits der Transferpolitik tat sich das Management der Borussen mit einer beispiellosen Misswirtschaft hervor. So verkaufte der BVB zum Jahreswechsel 2002/2003 seine Beteiligung an der Westfalenstadion KG für 75,4 Mill. Euro. Der Deal sollte den für die Ausrichtung eines Halbfinalspiels bei der Weltmeisterschaft 2006 nötigen Ausbau der Spielstätte ermöglichen. Allerdings musste die Borussia in der Folge jährlich 17 Mill. Euro an Stadionmiete berappen – Ausgaben, die schon bald nicht mehr tragbar waren. Vor allem nachdem die Mannschaft 2003 die Qualifikation zur Champions League verpasste.Im Februar 2005 vermeldete der BVB dann eine existenzbedrohende Ertrags- und Finanzsituation, die Aktie war zu diesem Zeitpunkt in den Pennystock-Bereich abgerutscht. Der bis heute amtierende Vorstandschef Hans-Joachim Watzke übernahm daraufhin das Ruder und steuerte die Borussia aus der Krise. Entscheidende Schritte waren der Rückerwerb des Stadions und der Verkauf der Namensrechte der Spielstätte an die Signal-Iduna-Gruppe – sowie auch die Verpflichtung von Meistertrainer Jürgen Klopp. Im November 2014 hatte der BVB nach sportlich erfolgreichen Jahren die einst immense Schuldenlast abgebaut, und auch die Aktie befand sich längst wieder auf einem besseren Weg.Tatsächlich ist der BVB bei Analysten auch nach dem Corona-Einbruch beliebter als die meisten anderen börsennotierten Clubs. Grund dafür ist vor allem die geringere Abhängigkeit von einzelnen Leistungsträgern. “Der BVB investiert keine hohen Summen in fertige Stars, sondern setzt seit Jahren darauf, junge und talentierte Spieler weiterzuentwickeln”, sagte Finanzvorstand Treß dieses Jahr im Interview mit rendite, dem Anlagemagazin der Börsen-Zeitung. Für diese Talente streicht der Verein regelmäßig hohe Ablösen ein. Auch für die jungen Offensivspieler Jadon Sancho und Erling Haaland dürften in den kommenden Jahren gewaltige Summen fällig werden – Einnahmen, die der Aktie in unruhigen Zeiten sicher wohltun würden.