Carry Trades stabilisieren den Euro
sts Frankfurt – Die extrem niedrigen Zinsen in der Eurozone führen zu unerwarteten Kursbewegungen bei der Gemeinschaftswährung: Obwohl sich am Mittwoch im Verlauf des europäischen Handels noch keine Entscheidung über weitere Hilfen und die Zukunft Griechenlands in der Eurozone abzeichnete, hielt sich der Euro. Am Abend handelte er 0,2 % fester mit 1,1194 Dollar. Zu Yen, Pfund und Franken lagen die Kursgewinne sogar etwas höher.Diese auf den ersten Blick unlogische Kursreaktion – schließlich wäre mit einem Grexit eine Fragmentierung der Währungsunion auf der Tagesordnung – hat nach Ansicht von Analysten seine Ursache im extrem niedrigen Zinsniveau der Eurozone. Dies macht, wie bereits seit einigen Monaten zu beobachten, den Euro zunehmend attraktiv für sogenannte Carry Trades. Dabei leihen sich vornehmlich spekulativ orientierte Anleger Geld extrem billig in Euro und investieren dies in höher verzinsten Währungen. Dies kann in Osteuropa, in asiatischen Schwellenländern, Australien oder auch in den USA sein, wo die Renditen deutlich höher liegen. Zehnjährige australische Staatsanleihen rentieren derzeit rund 2,2 Prozentpunkte höher als Bundesanleihen. Der Renditevorsprung der USA beträgt in dieser Laufzeit 1,6 Prozentpunkte.Da Carry Trades jedoch als riskante Sache gelten, werden sie abgewickelt, sobald die Risikobereitschaft an den Märkten sinkt – beziehungsweise die Märkte reagieren mit Kursveränderung auf die Erwartung einer Abwicklung dieser Geschäfte. Dies erklärt laut Forex.com auch die scheinbar gegen die Intuition gerichtete Reaktion des Euro-Kurses auf den Verhandlungsstand zwischen Griechenland und seinen Geldgebern. “Wenn es zuletzt so aussah, als ob Griechenland und seine Kreditgeber Fortschritte für eine Einigung erzielen, so haben Händler ihre Euro-Verkäufe zurückgefahren”, erläutert Matt Weller, Analyst bei dem Devisenbroker. Den Euro zu verkaufen – oder auf ihn short zu gehen – bedeutet einen Carry Trade einzugehen, der die Finanzierungswährung schwächt. “Wenn im Gegenteil die Verhandlung einen Rückschlag erleiden, so haben wir wiederholt in den vergangenen Wochen immer wieder eine Rally des Euro gesehen.”Sollte es jedoch tatsächlich zu einer Staatspleite Griechenlands oder gar einem Grexit kommen, wird nach Einschätzung der DZ Bank der Euro “zumindest kurzfristig auf breiter Front unter Abgabedruck geraten”. “Das ,unbekannte Terrain` einer ungeordneten Insolvenz innerhalb des gemeinsamen Währungsraums, die ,Vorbildfunktion`, die Griechenland für andere klamme Euro-Länder übernehmen kann, und sogar die Frage nach dem langfristigen Fortbestand der Eurozone spielen hierbei eine bedeutende Rolle”, betont Analyst Sören Hettler. “Die hohen Verluste der Zentralbanken des Eurosystems könnten darüber hinaus die Reputation der hiesigen Geldpolitik belasten.” Hettler bezieht sich dabei auf die Forderungen des Eurosystems aus dem Zahlungssystem Target2 gegenüber Griechenland, die aktuell fast 120 Mrd. Euro betragen und damit fast wieder das Niveau vom Sommer 2012 erreicht haben. Als weiteren Risikofaktor wertet Hettler, dass ein Grexit die Konjunkturerholung abwürgen könnte.