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Chance auf Erneuerung in der Ukraine

Von Ronald Schneider *) Börsen-Zeitung, 4.6.2019 Vor fünfeinhalb Jahren herrschte in der Ukraine große politische Unsicherheit: Auf dem Maidan, dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz, hatten sich tausende Gegner des damaligen Präsidenten Viktor...

Chance auf Erneuerung in der Ukraine

Von Ronald Schneider *)Vor fünfeinhalb Jahren herrschte in der Ukraine große politische Unsicherheit: Auf dem Maidan, dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz, hatten sich tausende Gegner des damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch formiert, der das Assoziierungsabkommen mit der EU nicht unterzeichnen und sich stattdessen Russland zuwenden wollte. Am Ende dieser Proteste standen kurzgefasst: die Flucht Janukowitschs, der Anschluss der Krim an Russland sowie der Krieg im Donbass, der noch immer andauert. Dennoch hat sich die Lage für viele Ukrainer seither deutlich verbessert. Das gilt auch für die ukrainische Währung, die Hrywnja. Glaubwürdige NotenbankDie Ukraine hat nach Janukowitschs Sturz massive Turbulenzen und Veränderungen durchgemacht. Nach der Annexion der Krim und der Eskalation des Konflikts im Donbass brach das Wirtschaftswachstum ein, die Währung musste abgewertet, Auslandsschulden mussten umstrukturiert werden. Unter der Präsidentschaft des Unternehmers Petro Poroschenko (2014 bis 2019) und mit Hilfe internationaler Geldgeber – allen voran des Internationalen Währungsfonds – hat sich die Wirtschaftslage stabilisiert, einige der Schwächen konnten abgestellt werden.Die Notenbank hat einen nicht unbedeutenden Anteil daran: Sie verfolgt glaubwürdig eine solide Geldpolitik und hat für ein transparenteres Bankensystem gesorgt. Die Zusammenarbeit mit dem IWF funktioniert im Gegensatz zu früher grundsätzlich gut, auch wenn nicht alle geplanten Projekte und Strukturreformen realisiert wurden. Es ist der Regierung jedoch gelungen, das Budgetdefizit unter Kontrolle zu bringen und die Staatsverschuldung auf rund 60 % des BIP zu reduzieren. Dass nicht alles davon bei der Bevölkerung ankommt, ist einer der Gründe, weshalb Unzufriedenheit vorherrscht. Zwar ist das Land auf einen Wachstumskurs zurückgekehrt – so werden nach 3,3 % 2018 für heuer 2,5 % erwartet – doch ist das Einkommen pro Kopf noch immer sehr niedrig. Dies und die noch immer sehr hohe Korruption erklärt, warum der bisherige Präsident Petro Poroschenko im April abgewählt wurde. Der politische Quereinsteiger Wolodymyr Selenskyj, ein Kabarettist und Fernsehproduzent, erreichte in der Stichwahl 73 % der Stimmen.Ob mit dieser Wahl tatsächlich die Veränderung gewählt wurde, die sich die Bevölkerung erhoffte, ist allerdings noch unklar. Denn einerseits präsentiert sich Selenskyj als Reformer, andererseits wird ihm ein besonderes Naheverhältnis zu Ihor Kolomojskyj nachgesagt, einem Oligarchen, der auch Besitzer des Senders ist, auf dem Selenskyj mit der Serie “Diener des Volkes” seine Bekanntheit und Beliebtheit erreicht hat. Die bisherigen Besetzungen wichtiger Posten zeigen kein eindeutiges Bild, ob die Chance eines Reformneustarts ergriffen wird oder ob nur von einem Oligarchen zu einem anderen gewechselt wurde. Die Erwartungen sind jedenfalls hoch, aber auch die Herausforderungen für den politisch unerfahrenen Newcomer.Wichtig wird sein, gemeinsam mit der nächsten Regierung die Zusammenarbeit mit dem IWF und anderen Geldgebern fortzusetzen, um Strukturreformen wieder in Gang zu bringen. Diese betreffen den Handel von Agrarland ebenso wie die Privatisierung von Staatsbetrieben. Darüber hinaus muss die Rechtsstaatlichkeit verbessert werden. Das Stand-by-Hilfsprogramm des IWF wurde Ende Dezember 2018 in Hinblick auf die anstehenden Wahlen mit einer relativ kurzen Laufzeit von 14 Monaten abgeschlossen. Ein neues Programm zu verhandeln und abzuschließen, wird für die Ukraine essenziell sein. Das Land muss in den nächsten drei Jahren hohe Schulden zurückzahlen. Ohne die Hilfe internationaler Geldgeber wird das nicht möglich sein. Zudem braucht das Land die westliche Unterstützung, um dem Druck Russlands standzuhalten. Sollten strukturelle Reformen zustande kommen, dann wäre in der Ukraine mittelfristig ein Wachstum von 5 bis 7 % möglich.Dazu wären aber zusätzlich mehr Direktinvestitionen notwendig: Auch wenn sich das Investitionsklima merklich verbessert, gibt es noch viel Luft nach oben. Das Interesse ist da und könnte nach den Parlamentswahlen im Juli deutlich zunehmen, wenn sich die Unsicherheit im Markt etwas reduziert. Dieses wirtschaftliche Umfeld hat zuletzt auch zu höherer Stabilität der Währung geführt, doch es gibt noch viele Unsicherheitsfaktoren. So ist auch das Vertrauen seitens der Investoren in die Hrywnja noch verhalten und das Interesse an ukrainischen Anleihen hauptsächlich von den hohen Risikoprämien, die dafür bezahlt werden, gespeist. Korrelation mit StahlpreisZurückkehrendes Wachstum, ein moderates Budget sowie die zugesagte Unterstützung internationaler Geldgeber bilden in der Regel ein gutes Umfeld für die Wertentwicklung einer Währung, die Verluste hinnehmen musste – so auch für die Hrywnja. Auch sind die Zinsen mit 17 – 18 % für kurzfristige Anleihen sehr attraktiv. Doch das Rückschlagpotenzial ist hoch: Denn politische und wirtschaftliche Unsicherheit lassen sich nicht wegleugnen, und die ukrainische Währung ist – trotz aller Bemühungen der Notenbank, diese stabil zu halten, – volatil. Sie hängt sehr stark von der Preisentwicklung beim Stahl, dem wichtigsten Exportgut der Ukraine, und beim Gas, das wiederum importiert werden muss, ab.Für Investoren bietet die Ukraine sehr attraktive Möglichkeiten, die sich mit der beabsichtigten Öffnung des Lokalwährungsmarktes für internationale Investoren noch ausweiten könnten. Der Risiken muss man sich allerdings bewusst sein.*) Ronald Schneider ist Leiter Anleihen, CEE & Global Emerging Markets bei Raiffeisen Capital Management.