Chef der Warschauer Börse entlassen Sobolewski wird von Maciejewski abgelöst
Von Sebastian Becker, WarschauDie polnische Börse, einer der bedeutendsten Handelsplätze in Osteuropa, steht vor einer Zäsur: Die Hauptversammlung (HV) hat am Donnerstag den bisherigen Vorstandsvorsitzenden Ludwik Sobolewski erwartungsgemäß endgültig von seinen Aufgaben entbunden. Der Manager, der an der Veranstaltung nicht teilnahm, war bereits vor Weihnachten vom Aufsichtsrat beurlaubt worden. Der Grund: Der 47-Jährige hatte versucht, Unternehmen des Wachstumssegments New Connect zu überreden, in eine Filmproduktion zu investieren, in der auch seine Lebenspartnerin mitspielt, eine 28-jährige Schauspielerin. Seine Amtszeit hätte noch bis Mitte 2014 gedauert.Gleichzeitig inthronisierte die HV seinen bisherigen Stellvertreter Adam Maciejewski zum neuen Börsenchef, der bereits seit 1994 in unterschiedlichen Funktionen der Börse tätig war. “Ich werde mich nun mit dem Eigentümer zusammensetzen, um die weitere Zukunft zu planen”, sagte Maciejewski. Der Absolvent einer Warschauer Elite-Wirtschaftshochschule bat die zahlreichen Journalisten, von Fragen zur neuen Strategie Abstand zu nehmen, da diese noch gar nicht feststehe. Die schnelle Wahl eines neuen Vorstandschefs kam überraschend. Die polnische Presse hatte spekuliert, dass die Regierung zunächst die Stelle ausschreiben werde. Offenbar wollte sie aber eine längere Führungslosigkeit der Börse vermeiden.In den polnischen Medien – sogar in der Boulevardpresse – ist der Fall Sobolewski schon seit Längerem ein großes Thema. Schließlich ist die staatlich kontrollierte Börse ein politisches Prestigeunternehmen und Aushängeschild der Regierung.Ob die Affäre mit seiner Partnerin der tatsächliche Grund für Sobolewskis Rauswurf war oder nur ein Vorwand, ist nicht ganz klar. “Er hat seine Firma als Marktplatz für private Dinge benutzt”, ereiferten sich HV-Teilnehmer. Das habe es in dieser Form noch nie in der polnischen Geschichte gegeben.Polnische Medien nennen aber auch einen anderen Grund: So soll der Führungsstil Sobolewskis Hauptgrund für den Rauswurf gewesen sein. Es habe zunehmend Konflikte mit Vertretern der Regierung gegeben. Sobolewski habe sich wie ein Alleinherrscher aufgeführt, immer mehr Kompetenzen an sich gebunden und die Börse quasi als persönliches Eigentum behandelt, so der Ton der Medien. Jetzt sei eben das Fass überlaufen, hieß es.Viele hätten ihn hinter vorgehaltener Hand in Anlehnung an den französischen Sonnenkönig als “Ludwig XIV” verspottet, berichtet das Nachrichtenmagazin “Newsweek Polska”. “Der Markt hat über Jahre hinweg seinen schwierigen Charakter toleriert”, ist aus dem Umfeld des Börsenchefs zu hören. Beklagt haben sich viele über ihn, insbesondere die Maklerhäuser. Sobolewski habe autoritär die Verlängerung der Handelszeit durchgedrückt – eine Maßnahme, die für die Makler teuer war. Darüber hinaus habe es einen heftigen Streit über die Transaktionsgebühren gegeben.Jedenfalls steuert die Börse nun unsicheren Zeiten entgegen, weil sie sich neu aufstellen muss. Sobolewski stand wie kein anderer für den zunehmenden Erfolg des Handelsplatzes, der unter seiner Führung zum stärksten in der gesamten Region geworden war. Er genoss bei den Politikern sämtlicher Parteien hohes Ansehen und galt als einer derjenigen Polen der jüngeren Generation, die den Erfolg des Kapitalismus in dem Land symbolisieren. Sein Traum war es, einmal den direkten Konkurrenten aus der Region, die Wiener Börse, zu übernehmen. Sein medienfreundliches und eloquentes Auftreten garantierten ihm eine gute Presse.Zur Führungskrise kommen die zunehmenden geschäftlichen Probleme: Die Börse hatte nach den ersten neun Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einen Umsatzrückgang um 7 % auf 65 Mill. Zloty (15,8 Mill. Euro) zu beklagen. Der Gewinn schrumpfte um ein Drittel auf 25 Mill. Zloty (6,1 Mill. Euro). Gerade das Wachstumssegment New Connect hatte mit seinen Verlusten dazu beigetragen.