China: Aktien und Volatilität steigen nach Stimulus parallel
China nutzt das ganze Spektrum der geld- und wirtschaftspolitischen Möglichkeiten: Die Zinsen sinken, der Mindestreservesatz für Banken wird reduziert, Banken dürfen sich auf Kapitalspritzen freuen, am Immobilienmarkt wird die Mindestanzahlung beim Kauf von Zweitwohnungen abgesenkt und der Staat investiert. Politische Führung und Notenbank lassen keinen Zweifel aufkommen, dass sie die aktuelle Krise am Immobilienmarkt endlich überwinden und die schwächelnde Wirtschaft beleben wollen.
Party an den Börsen
Die Börsen haben die neuen Stimulus-Maßnahmen mit einer extrem euphorischen Party gefeiert. Ob diese neue Euphorie Angst machen sollte, dazu kommen wir später. Starten wir mit den Fakten. Der Shanghai Shenzhen CSI 300 Index hat seit Mitte September 28% zugelegt, allein in der vergangenen Handelswoche betrug das Plus 15,7%. Damit war die letzte Woche die drittbeste in der bis 2002 zurückgehenden Indexhistorie. Noch größere Wochengewinne gab es ausschließlich während der Finanzkrise im Jahr 2008. Damals gingen den Rekordgewinnen jedoch negative Wochen voraus.
Der größte ETF auf den chinesischen Aktienmarkt, der iShares Large-Cap ETF, musste zuletzt 15 Wochen am Stück Kapital-Abflüsse hinnehmen. Das ist gleichbedeutend mit der längsten Negativ-Serie in der bis 2004 zurückgehenden Index-Historie. Jetzt wurde dieser ETF erstmals wieder gekauft.
Wie massiv Anlegerinnen und Anleger Aktien gekauft haben, wird auch am Hang Seng Index sichtbar: Dort wurde in der vergangenen Woche das zweithöchste Handelsvolumen in der bis 1993 zurückgehenden Historie erreicht.
Aus technischer Sicht sind die Aktienindizes in China und Hong Kong nach dem rasanten Kursanstieg überkauft: Der 14-Tages-Relative-Stärke-Index des Hang Seng China Enterprise Index liegt bei 88. Bereits Werte oberhalb von 70 gelten als überkauft.
Aktien und Volatilität steigen parallel
Neben massiven Kursanstiegen und hohen Umsätzen ist allerdings ein weiteres Phänomen zu beobachten: Aktienindizes und implizite Volatilität steigen parallel an. Das ist äußerst selten: Haben Aktien- und Volatilitätsindizes doch normalerweise einen inversen Zusammenhang. Doch jetzt ist der Volatilitätsindex des Hang Seng China Enterprise Index in einer Woche um 63% angestiegen. Das ist der größte Volatilitätsanstieg aller Zeiten im Umfeld steigender Aktienmärkte. Noch größere Volatilitätsanstiege gab es bislang ausschließlich im Umfeld fallender Aktienkurse.
Parallelen zu 2015
Erfahrene Börsianer fühlen sich spätestens jetzt an das Jahr 2015 erinnert. Damals drohte das Wirtschaftswachstum auf unter 7% zu fallen. Die Peoples Bank of China steuerte mit Zinssenkungen und einer Reduzierung des Mindestreservesatzes gegen. Auch damals sollten staatliche Ausgabenprogramme die lahmende Wirtschaft ankurbeln. Der Hang Seng China Enterprise Index stieg damals zügig um knapp 30% an. Und mit dem Aktienindex kletterte auch damals der Volatilitätsindex nach oben. Es war der bis zu diesem Zeitpunkt stärkste Volatilitäts-Anstieg im Umfeld steigender Aktienkurse.
Auf dem Höhepunkt des Kursanstiegs stand der 14-Tages-Relative-Stärke-Index ebenfalls bei 88.
Auf den Kursanstieg folgte damals die Ernüchterung. Das Wirtschaftswachstum zog nicht wie erhofft an. Der Aktienmarkt drehte steil nach unten. Innerhalb von gut einem halben Jahr fielen die Kurse um fast 50%.
Ausblick
Wie wird es diesmal sein? Werden die Stimulus-Maßnahmen ausreichen, um die Wirtschaft nachhaltig zu beleben? Geschichte muss sich nicht wiederholen. Aber sie darf zum Nachdenken anregen.