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China plant heimische IPO-Bühne für Tech-Unternehmen

Von Norbert Hellmann, Schanghai Börsen-Zeitung, 7.3.2019 Wenn der Mai gekommen ist, dann sollen auch in der chinesischen Börsenlandschaft neue Triebe ausschlagen. Auf dem chinesischen Volkskongress ist der im Frühjahr anstehende Start eines neuen...

China plant heimische IPO-Bühne für Tech-Unternehmen

Von Norbert Hellmann, SchanghaiWenn der Mai gekommen ist, dann sollen auch in der chinesischen Börsenlandschaft neue Triebe ausschlagen. Auf dem chinesischen Volkskongress ist der im Frühjahr anstehende Start eines neuen Börsensegments, des Technology Innovation Board an der Börse Schanghai, das heiße Thema für die Finanzmarktplaner und Wertpapier-Regulatoren. Es geht um die Schaffung einer Plattform, die Chinas aufstrebenden Technologieunternehmen eine heimische Bühne für Börsengänge bietet, anstatt sie wie üblich an die New Yorker Börsen oder nach Hongkong ziehen zu lassen.Chinas führende Internet- und Tech-Unternehmen wie Alibaba, Baidu und Tencent sowie zahlreiche weitere Sektorplayer sind entweder an der New York Stock Exchange oder Nasdaq gelistet oder wie im Falle von Tencent und den Neuankömmlingen Xiaomi (Smartphones) und Meituan Dianping (Online-Dienste), an der Hong Kong Exchanges notiert. Diesen Unternehmen ist gemeinsam, dass der Löwenanteil ihres Geschäfts – und damit auch der Gewinne – in China anfällt, während sie ihr Kapital im Ausland einsammeln.Für chinesische Anleger bedeutet dies, dass sie allein schon wegen Kapitalverkehrsbeschränkungen keine Chance auf ein Engagement in diesen Aktien und eine Partizipation an den Kapitalgewinnen haben. Während sich die Hongkonger Börse dank des Zulaufs einer Reihe von großen chinesischen Tech-Unternehmen im vergangenen Jahr noch vor den New Yorker Börsen wieder an die Spitze der weltweiten Rangliste für Initial Public Offerings (IPO) setzen konnte (siehe Grafik), zeigen sich die Börsen in Schanghai und Shenzhen im Emissionsranking deutlich schwächer aufgestellt. Tatsächlich ist im vergangenen Jahr knapp 70 % des insgesamt von chinesischen Börsenneulingen aufgenommenen Kapitals in Hongkong und New York eingesammelt worden. Im SchlusssprintDas genaue Datum für den Start des Technology Innovation Board ist auf dem Volkskongress noch nicht bekannt gegeben worden, beim Börsenbetreiber Shanghai Stock Exchange (SSE) heißt es aber, man befinde sich in der Phase des Schlusssprints. Während die Emissions- und Listing-Systeme und der Regelkatalog für die Börsenankömmlinge aus dem Technologiesektor bereitstehen, sollen bis Anfang Mai weitere technische Vorbereitungen abgeschlossen sein.Dem Projekt wird allein schon deshalb besondere Bedeutung beigemessen, weil es von Chinas Staatspräsident Xi Jinping höchstpersönlich im November als wichtige Facette der Förderung des chinesischen Aktienmarktwesens und der Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Schanghai annonciert wurde. Es geht aber auch darum, eine alte Scharte auszuwetzen, nämlich die Unfähigkeit, dem vom staatlichen und regulatorischen Einwirken überformten Listing-Prozedere an Chinas Festlandbörsen einen Anstrich zu geben, der modernen Kapitalmarkterfordernissen entspricht.Um die Anziehungsfähigkeit der Festlandbörsen für IPOs insbesondere im Tech-Sektor zu fördern, will man auf das sogenannte Registrierungsverfahren für IPOs zurückgreifen. Diese in westlichen Märkten und in Hongkong gängige Praxis erlaubt es Börsenkandidaten, den Emissionszeitpunkt und die Konditionen für ein IPO selbst zu bestimmen. Auf Chinas Festlandbörsen dagegen nimmt die Wertpapieraufsichtsbehörde China Securities Regulatory Commission (CSRC) entscheidenden Einfluss auf Timing, Umfang und Preiskonditionen eines IPO.Für die Reformbestrebungen hin zu einem Registrierungsverfahren für IPOs sind zwar die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen worden, doch sind Chinas Regulatoren seit einer ersten Offensive im Jahr 2013 nicht entscheidend weitergekommen. Bislang lassen sie aus Kleinanlegerschutzerwägungen heraus nur Unternehmen mit einer etablierten Gewinnhistorie im Main Board an den Börsen in Schanghai und Shenzhen zu und erlauben keine Aktienklassen mit Mehrfachstimmrechten, wie sie von gründerdominierten Tech-Unternehmen favorisiert werden. Mit dem Technology and Innovation Board aber kann nun so etwas wie ein gordischer Knoten durchschlagen werden.Die neue Plattform soll unterschiedliche Anforderungen für Profitabilität, Gewinnhistorie und Eigentümerverhältnisse von Listing-Kandidaten aufweisen und diesen die im Westen gewohnten Freiheiten bei Timing und Bewertungsmodalitäten eines IPO geben. Wie der im Februar als neuer CSRC-Chairman angetretene frühere Spitzenbanker Yi Huiman in einem Auftritt am Rande des Volkskongresses betonte, wird das Shanghai Tech Board nun auch offiziell als ein Pilotprojekt angegangen, um das IPO-Registrierungsverfahren letztlich auch im gesamten chinesischen Markt für A-Aktien einzuführen. Es geht also darum, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, nämlich die heimischen Börsen zum Tummelplatz für chinesische Technologieunternehmen zu machen, und gleichzeitig die Initialzündung für die längst überfällige breitere Reform des IPO-Marktes zu geben.