IM INTERVIEW: KEN HU, INVESCO

"China will die Seidenstraße wieder aufleben lassen"

CIO: Direktinvestitionen aus dem Reich der Mitte lösen Rohstoffausfuhr als maßgebliches Kriterium für Schwellenländer-Investments ab

"China will die Seidenstraße wieder aufleben lassen"

China investiert gigantische Summen in seine Belt&Road-Initiative. Das hat enorme Folgen für Schwellenländer, ist Ken Hu überzeugt. Die Initiative erfordert auch ein Umdenken, was Emerging-Markets-Investments betrifft, so der Chief Investment Officer Fixed Income, Asia Pacific, von Invesco.- Herr Hu, Invesco hat einen auf die Belt&Road-Initiative Chinas fokussierten Anleihefonds aufgelegt. Was wird mit der Initiative bezweckt?Mit der kurz BRI genannten Initiative will China die Seidenstraße wieder aufleben lassen. Allerdings betrifft sie nicht nur Landwege, sondern auch Seerouten. Die Initiative wurde im Oktober 2017 in die Statuten der Kommunistischen Partei aufgenommen, was die hohe Priorität dieser langfristigen Strategie belegt. Die Regierung ist überzeugt, dass China sein Geschäftsmodell verändern muss. 1978 wurde das Land für das Ausland geöffnet. Die Wirtschaft ist seit vier Jahrzehnten exportorientiert. Rohstoffe werden über die Häfen an der Küste importiert und vorwiegend dort in Fabriken verarbeitet, deren Produkte dann über die Häfen exportiert werden. Die Entwicklung ging mit einer gravierenden Umweltverschmutzung einher, und es wurden in erheblichem Umfang Überkapazitäten aufgebaut. Das Modell hat lange gut funktioniert. Jetzt ist es aber überholt. Zudem schafft es soziale Probleme.- Welche wären das?China hat mittlerweile eine hoch entwickelte Küste, aber eben auch ein stark vernachlässigtes Binnenland. Das schafft Ungleichgewichte. Hinzu kommen starke Veränderungen. Die Bevölkerung altert. China ist jetzt reicher, als es jemals zuvor gewesen ist. Es verfügt über Währungsreserven von mehr als 3 Bill. Dollar, jedes Jahr gibt es zehn Millionen Universitätsabsolventen.- Wie wird die BRI vorangetrieben, welche Ziele verfolgt China im Einzelnen?China verwendet jetzt jährlich rund 5 % seiner Währungsreserven, also 150 bis 200 Mrd. Dollar, für Direktinvestitionen und Bauprojekte für die BRI. Für das Land ergeben sich mehrere Vorteile. So gewinnt es mehr politischen Einfluss in den Ländern entlang der Seidenstraße. Durch den Ausbau der Infrastruktur entsteht die Möglichkeit, mehr Rohstoffe in das chinesische Binnenland zu importieren. Damit wird der bisher zurückgebliebene Rest Chinas stärker entwickelt. Für die Baumaßnahmen können lokale Rohstoffe genutzt werden. Das spart Schifffahrtskosten und Zeit. Hinzu kommt mehr Sicherheit für die Energieeinfuhr. Derzeit wird Öl vor allem über die unsichere Meerenge von Singapur eingeführt. Nun kann diese umgangen werden. Vor 18 Monaten hat der Hafen im pakistanischen Gwadar den Betrieb aufgenommen. Nun wird zunehmend Öl aus dem Persischen Golf über diesen Hafen und eine Pipeline nach Xinjiang im Westen Chinas eingeführt.- Welche Implikationen hat die BRI aus Investmentsicht?Anlagen in den Schwellenländern wurden bislang von der Frage getrieben: Welches Land kann mehr Rohstoffe nach China exportieren? Das ist nun überholt. China wird in Zukunft immer weniger Rohstoffe etwa aus Lateinamerika, aber auch aus Australien einführen. Zunehmen werden dagegen die Rohstoffimporte aus der Mongolei, Zentralasien und Afrika. Diese Rohstoffe werden nicht an den internationalen Märkten beziehungsweise westlichen Börsen gehandelt. Vielmehr werden zunehmend bilaterale Handelsvereinbarungen geschlossen. Damit werden die Rohstoffpreise auch sinken.- Was löst Rohstoffausfuhren als Anlagekriterium ab?Mit unserem neuen Konzept setzen wir auf Länder, die überproportional chinesische Direktinvestitionen anziehen. Denn diese Länder werden outperformen. Wir investieren also nach wie vor in Schwellenländeranleihen. Jetzt stellen wir aber die Frage: Wer empfängt mehr Investitionen, und wer ist in der Lage, die Mittel produktiven Zwecken zuzuführen?- Einige Länder entlang der Seidenstraße sind aber politisch problematisch. Wie gehen Sie damit um?Korruption ist in einigen Ländern ein Problem. Denn sie behindert eine produktive Nutzung der aus China kommenden Gelder. Wir meiden daher Länder, die nicht auf ESG achten beziehungsweise einen schlechten ESG-Score haben. Der Fonds filtert die Länder und Unternehmen mit den schlechtesten ESG-Scores heraus. Und wir haben noch ein zweites Kriterium. Neben der Berücksichtigung von ESG-Scores bevorzugen wir Länder, die gute diplomatische Beziehungen zu China und den westlichen Staaten haben, wodurch sie mehr Kapitalquellen haben. Diese Länder sollten auch Verbesserungen in Governance und Transparenz vorweisen.- Was kommt aus dem Westen?Dass China nun mehr und mehr nach außen geht, hat einige westliche Mächte aufgeschreckt, nicht zuletzt die USA. Im August 2018 hat Trump die BRI für böse erklärt. Zwei Monate später wurden ihm vom Kongress 60 Mrd. Dollar für eine Agency genehmigt, die US-Unternehmen finanzielle Unterstützung gewähren soll, damit diese in Schwellenländer investieren. Sie sollen mit chinesischen Firmen in der BRI-Region konkurrieren. Für Trump, der vom Kongress keine 5 Mrd. Dollar für den Bau einer Mauer an der südlichen Grenze der USA zugestanden bekommen hat, ist das ein großer politischer Erfolg. Im September 2018 hat die EU-Kommission für den EU-Haushalt 60 Mrd. Euro für Investitionen vorgesehen, die die Verbindungen mit Asien fördern sollen.- Welche Länder sind für ein Investment interessant?Uns gefällt beispielsweise Ghana. Die Regierung und China Sinohydro haben im Juli 2018 eine Vereinbarung geschlossen, die 2 Mrd. Dollar für die Finanzierung von wichtigen Infrastrukturprojekten vorsieht. Chinesische Banken und Unternehmen haben Memorandums of Understanding und Kreditverträge mit Ghana im Volumen von 20 Mrd. Dollar vereinbart, was 47 % des Bruttoinlandsproduktes des Landes entspricht. Ebenfalls im Juli 2018 haben die USA 5,4 Mrd. Dollar bereitgestellt, um die Handelsbeziehungen mit vier afrikanischen Staaten, darunter Ghana, zu fördern. Das langfristige Rating des Landes wurde im September 2018 von Standard & Poor’s von “B-” auf “B” verbessert. Der Renditeaufschlag ghanaischer Anleihen ist von Anfang 2016 bis Ende Januar 2019 von 985 auf 589 Basispunkte gefallen.- Sie erwähnten vorhin die Mongolei beziehungsweise zunehmende Rohstoffexporte des Landes nach China. Finden Sie auch dieses Land interessant?Die Mongolei befindet sich in einem der Hauptkorridore der BRI. Die chinesischen Direktinvestitionen in die Infrastruktur und den Bergbau haben die Ausfuhren des Landes gesteigert und die Haushaltslage verbessert. Zudem haben die USA die Mongolei eingeladen, ihrer Indo-Pacific Alliance beizutreten, und einen 350 Mill. Dollar schweren Investitionsvertrag mit dem Land geschlossen, mit dem neue Wasserquellen erschlossen werden sollen. Fitch hat das Rating des Landes im Juli 2018 von “B-” auf “B” erhöht, der Renditeaufschlag mongolischer Anleihen ist innerhalb von drei Jahren bis Ende Januar 2019 von 742 auf 378 Basispunkte gesunken. Ebenso wie Ghana haben wir die Mongolei in unserem Portfolio.- Investieren Sie nur in Staaten oder auch in Unternehmensanleihen?Ganz grob machen Staatsanleihen, Anleihen staatsnaher Institutionen und Unternehmensanleihen jeweils ein Drittel am Fonds aus. Das Fondsengagement in Unternehmensanleihen umfasst einige westeuropäische Unternehmen, zum Beispiel deutsche Unternehmen, die von der BRI profitieren. Dazu zählen Firmen der Automobilbranche. Sie exportiert bereits Autoteile über die Eisenbahn nach China. Das dauert nur 14 Tage, während der Seeweg 42 Tage in Anspruch nimmt, und ist auch viel günstiger als Luftfracht. Durch die Zuflüsse aus China und konkurrierenden Ländern wie Japan steigen in Ländern wie Indonesien und Thailand die Immobilienpreise, was ebenfalls interessante Investmentgelegenheiten schafft. Außerdem wird der Tourismus etwa in Kambodscha und Vietnam in Schwung gebracht, so dass auch Tourismusunternehmen interessant werden. Entlang der Seidenstraße sind Unternehmen der Branchen Rohstoffe, Energie, Landwirtschaft und Telekommunikation interessant. Wie gesagt achten wir stets auf ESG-Kriterien, auch wenn dies manchmal mit Herausforderungen verbunden ist.- Können Sie ein Beispiel dafür nennen?In Indonesien hat der Aufschub des Baus der mit chinesischer Beteiligung geplanten Hochgeschwindigkeitszugstrecke zwischen den Großstädten Jakarta und Jogjakarta einen Rückschlag gebracht und für negative Schlagzeilen gesorgt. Für uns ist dies jedoch kein Problem. Im Gegenteil: Der Bau wurde verzögert, weil die Regierung sicherstellen wollte, dass die Bauern nicht über den Tisch gezogen werden und für ihr Land einen angemessenen Preis erhalten. Dass sich die Regierung auf diese Weise um ihre Leute kümmert, ist aus ESG-Sicht und damit für uns als langfristiger Investor sehr positiv.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.