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Chinas Anleihemarkt - ein neuer sicherer Hafen?

Börsen-Zeitung, 28.7.2018 Als der chinesische Ministerpräsident Li Anfang Juli Deutschland besuchte, stand bei dem Treffen mit Bundeskanzlerin Merkel vor allem ein Thema im Fokus: der freie Welthandel. Beide Staatschefs pochten angesichts des...

Chinas Anleihemarkt - ein neuer sicherer Hafen?

Als der chinesische Ministerpräsident Li Anfang Juli Deutschland besuchte, stand bei dem Treffen mit Bundeskanzlerin Merkel vor allem ein Thema im Fokus: der freie Welthandel. Beide Staatschefs pochten angesichts des eskalierenden Streits mit den USA auf die Abschaffung von Handelsschranken und Sonderzöllen. In dieser Hinsicht hat die Volksrepublik in den vergangenen Jahren einiges getan – nicht nur beim Handel mit Gütern und Dienstleistungen, sondern auch an den eigenen Finanzmärkten. Lange Zeit war der chinesische Anleihenmarkt, mittlerweile der drittgrößte der Welt, für Offshore-Investoren weitgehend verschlossen. Seit einiger Zeit jedoch treibt China seine Liberalisierung voran. Ein entscheidender Schritt war die offizielle Eröffnung der Handelsplattform Bond Connect im Juli vergangenen Jahres. Mit Bond Connect bekommen Offshore-Investoren über Hongkong erstmals Zugang zum chinesischen Anleihemarkt. Offiziellen Angaben zufolge erreichte das über die Plattform abgewickelte Handelsvolumen allein am ersten Handelstag umgerechnet über 1 Mrd. US-Dollar. Japan bald überholtFür Anleger in Schuldtitel aus den Emerging Markets bedeutet der Kurs der chinesischen Regierung neue Investmentmöglichkeiten. Denn mit dem Zugang zum Anleihemarkt des Landes erweitert sich ihr Anlagekosmos beträchtlich. China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, verantwortlich für etwa 15 % der globalen Wirtschaftsleistung. Zudem hat sich der Markt für chinesische Staatsanleihen in den vergangenen Jahren rasant entwickelt. Derzeit ist er umgerechnet etwa 4 Bill. Dollar groß. Bei einem Anhalten der Dynamik dürfte Chinas Anleihemarkt schon bald Japan als Nummer 2 überholt haben. Und schließlich ist der Renminbi vom Internationalen Währungsfonds (IWF) als offizielle Reservewährung vorgesehen.Gleichzeitig eröffnet sich mit dem chinesischen Anleihemarkt für internationale Anleger möglicherweise ein neuer sicherer Hafen innerhalb der Schwellenländerwelt. Denn: Staatsanleihen aus dem Reich der Mitte bieten Anlegern die Aussicht auf höhere Erträge und zugleich eine Möglichkeit, das eigene Portfolio weiter zu diversifizieren. In den vergangenen fünf Jahren, Stand Ende Juni, haben Renminbi-Papiere Emerging-Markets-Anleihen in lokaler Währung outperformt – sowohl auf absoluter als auch auf risikoadjustierter Basis. Hinzu kommt, dass die Volatilität chinesischer Staatsanleihen vergleichsweise geringer ist und die Renditen weniger korreliert sind zu den anderen Schwellenländermärkten. Das wundert nicht, denn die Kreditqualität Chinas ist gut, zumindest besser als die vieler anderer Schwellenländer. Das straffe Währungsmanagement der Regierung und die starke Kontrolle der Wirtschaft tun ihr Übriges dazu. Zwar ist davon auszugehen, dass der Einfluss des Staates in Zukunft nachlassen wird, aber das Ausmaß der Abschwächung wird man abwarten müssen. Darüber hinaus sind chinesische Staatsanleihen eine attraktive Wette gegenüber ihren Pendants aus den entwickelten Staaten.Bislang haben internationale Bondinvestoren den chinesischen Markt wegen seiner Handelshemmnisse links liegen lassen. Doch das wird sich unweigerlich ändern, sobald chinesische Staatstitel in die bekannten Indizes für globale und Emerging-Markets-Anleihen aufgenommen werden. Die ersten Schritte in diese Richtung sind bereits gemacht. So hat der Indexanbieter Bloomberg seine Absicht bekannt gegeben, chinesische Staatsanleihen ab April 2019 in den Bloomberg-Barclays Global Aggregate Index einzubeziehen – vorausgesetzt, die chinesische Notenbank (PBoC) und das Finanzministerium werden bis dahin einige begleitende, bereits geplante Maßnahmen umsetzen. Andere Indexbetreiber dürften der Entscheidung von Bloomberg folgen. Lockerung notwendigDie Verantwortlichen in China sind sich bewusst, dass eine Lockerung des Kapitalverkehrs notwendig ist, um den Transformationsprozess innerhalb der eigenen Volkswirtschaft zu unterstützen und noch anstehende Reformvorhaben erfolgreich anzugehen. Die Liberalisierung des heimischen Bondmarktes zielt darauf ab, die globale Relevanz des Renminbi zu stärken und zusätzliches Auslandskapital anzuziehen, um so den Druck durch Kapitalabflüsse aus dem Inland zu mindern und die Zahlungsbilanz zu verbessern. Durch die Diversifizierung seiner Finanzierungsquellen kann das Land die systemischen Risiken innerhalb seines Bankensektors mindern. Zudem ist die Volksrepublik bei einer steigenden Nachfrage der Investoren aller Wahrscheinlichkeit nach in der Lage, auch langlaufende Anleihen auszugeben – langfristig gesehen sogar in Renminbi. Damit kann China eine solide Zinsstrukturkurve entwickeln, in deren Ableitung sich die Risikoprämien lokaler Unternehmensanleihen zukünftig besser bepreisen lassen. Die Emittenten dort können sich dann zukünftig stärker über den Kapitalmarkt als über inländische Banken finanzieren. In der Vergangenheit hat die chinesische Notenbank wiederholt ihr Interesse an einer solchen Entwicklung geäußert, um die Risiken innerhalb des Bankensektors zu mindern. Auf diesem Weg ist China bislang einigermaßen gut vorangekommen. So hat sich der Anteil ausländischer Investoren an den ausstehenden Anleihen der Volksrepublik seit Ende 2015 verdoppelt. Allerdings liegt er mit rund 5 % immer noch deutlich unter dem Wert von Ländern wie Malaysia oder Indonesien, wo der Anteil zwischen 30 und 40 % liegt. Zuflüsse von 350 Mrd. EuroWenn China jedoch seine Restriktionen weiter abbaut und das Land auf der Landkarte der Betreiber von Benchmarks im Anleiheuniversum auftaucht, ist zu erwarten, dass der Einfluss ausländischer Anleger steigen wird. Wir gehen davon aus, dass China mit der Aufnahme seiner Staatspapiere in die einschlägigen Fixed-Income-Indizes rund 350 Mrd. Euro zufließen werden, das entspricht rund 8 % des derzeit ausstehenden Anleihevolumens. Gut möglich, dass die Summe anfangs geringer ausfällt, weil sich der Prozess der Indexaufnahme über einen langen Zeitraum hinzieht und einige Investoren zu vergleichbaren Indizes “ex-China” wechseln werden. Dennoch sollte das Momentum der derzeitigen Entwicklung nicht übersehen werden. Bei allen Chancen, die chinesische Staatsanleihen bieten, sollten Investoren die Risiken nicht aus dem Blick verlieren. Dazu gehört der starke Einfluss des Staates auf das Wirtschaftsgeschehen. Chinas Bondmärkte und die Währungskursentwicklung sind extrem von der Politik getrieben. Gleichzeitig ist die Wirtschaftspolitik wenig transparent. Die Verantwortlichen kommunizieren ihre Entscheidungen nur wenig an den Märkten, was chinesische Staatsanleihen anfällig für politische Fehlentscheidungen macht. Hinzu kommt, dass die Qualität vieler makroökonomischer Daten undurchsichtig ist und bleibt und Investoren dies immer wieder hinterfragen. Gefahren drohen außerdem von Währungsturbulenzen und dem möglichen Platzen einer Kreditblase. Darüber hinaus sollte nicht vergessen werden, dass die Öffnung des heimischen Kapitalmarktes ein zweischneidiges Schwert ist. Ein stärkerer Einfluss ausländischer Investoren macht das System anfällig für globale Risiken und Kapitalabflüsse. Aus unserer Sicht können es sich internationale Bondinvestoren auf lange Sicht gar nicht erlauben, auf chinesische Staatsanleihen zu verzichten. Sie tun jedoch gut daran, einen Einstieg sorgfältig vorzubereiten und sich dazu eingehend mit den aktuellen Entwicklungen in China zu beschäftigen. —-Denise Simon, Expertin für Schwellenländeranleihen bei Lazard Asset Management