Chinas Finanzmärkte stehen vor einem heißen Ritt
Chinas Märkte stehen vor einem heißen Ritt
Wackelige Perspektiven an der Börse – Nur Goldman Sachs gibt sich „bullish“ – Staatsbondrenditen sacken immer weiter ab – Yuan im Stützungsmodus
An Chinas Finanzmärkten regiert verstärkte Nervosität. Konjunktursorgen verhageln den Jahresauftakt an der Börse. Die langfristigen Bondrenditen loten immer neue Rekordtiefen aus, ein Signal für latenten Konjunkturpessimismus. Damit verstärkt sich auch der Druck auf den Yuan, der weiter an Boden zum Dollar verliert.
Von Norbert Hellmann, Shanghai
Demnächst zieht Donald Trump ins Weiße Haus ein und könnte je nach Wahrmachung seiner Strafzollandrohungen jede Menge Sand in Chinas gut geöltes Exportgetriebe streuen. Kontinuierliche Stimulierungsversprechen der chinesischen Regierung warten noch auf ihre Erfüllung. Die Entwicklung der Industriegewinne ist mäßig und Deflationsgefahren sind unverkennbar. Kein Wunder vielleicht, dass die Perspektiven für Chinas Aktienmarkt im Jahr 2025 trotz attraktiver Bewertungsrelationen etwas wacklig wirken.
Harter Einstieg
Bei führenden Investmentbanken traut man China-Aktien auf Jahressicht zwar weitere Avancen zu, insbesondere das erste Quartals aber dürfte allein schon wegen des Faktors Trump mit beträchtlicher Volatilität einhergehen. Einen kleinen Vorgeschmack haben die Anleger gleich am ersten Handelstag des neuen Jahres erfahren dürfen. Der Blue-Chip-Index für die Festlandbörsen CSI 300 rutschte um 2,9% ab und verbuchte damit den schlechtesten Jahresstart seit 2016. Eine Gegenbewegung ist bislang Fehlanzeige. Nach den ersten fünf Handelstagen im neuen Jahr liegen der CSI 300 und auch der Hongkonger Leitindex Hang Seng jeweils knapp 4% zurück.
Wachstumsschwund
Für eine klare Aufwärtstendenz bedarf es vor allem konkreterer Anzeichen für eine konjunkturelle Stabilisierung. Nächster Orientierungspunkt sind die Wachstumsdaten für das Schlussquartal 2024 am 17. Januar. Die Parteiführung verbreitet Optimismus bezüglich der Erfüllung des offiziellen Wachstumsziel von „etwa 5%“. Aller Voraussicht wird Peking beim Volkskongress im März auch für 2025 die 5-Prozent-Marke als Wachstumsziel hochhalten. Dies Prognosen der China-Ökonomen gehen jedoch in Richtung Entschleunigung. Derzeit gelten 4,5% Wachstum als realistisch.
Achtung Handelsstreit
Kommt es jedoch zu einem scharfen Handelskrieg zwischen China und USA mit weiterführenden Lieferkettenstörungen, muss Peking erst recht mit neuen Stimuli in die Vorlage gehen. Die Frage ist, ob sich die in der Regel sehr stark auf monetäre Impulse fixierten chinesischen Kleinanaleger von bereits angedeuteten kommenden Lockerungsmaßnahmen der People's Bank of China (PBOC) erneut verführen lassen werden. Im Herbst 2024 hatte das Spiel hervorragend geklappt. Eine überraschende Zinssenkung der Zentralbank gepaart mit einer Salve von Versprechungen zu fiskalischer Anregung zündete eine so gewaltige Hausse, dass Chinas Aktienmärkte binnen einer Woche eine über drei Jahre anhaltende Baissephase vergessen machen konnten.
Hang Seng wirkt ausgereizt
Bereits zur Oktobermitte ging die Reise zwar wieder abwärts, doch wurden die Avancen nicht verfrühstückt. Für den CSI 300 verblieb mit einem Jahresendstand von 3.935 Punkten ein Anstieg um 14,8% für das Kalenderjahr. Der Hang Seng wiederum kam im Schlussspurt noch knapp über die Marke von 20.000 Punkten und verbuchte damit eine Performance von 18%, und das erste Kalenderjahrplus seit 2019. Bei Morgan Stanley glaubt man nicht daran, dass der Hang Seng im neuen Jahr noch einmal einen draufsetzen kann und verortet eine Seitwärtstendenz mit einem Schlussstand von knapp unter 20.000 Punkten. Allerdings traut man dem CSI 300 einen Zuwachs um 7%.
Was die für globale Fonds richtungsweisende Benchmark MSCI China Index angeht, sieht man bei Morgan Stanley praktisch kein Aufwärtspotenzial. In der kurzen Herbsthausse war der MSCI China von 58 auf 76 Punkte katapultiert worden, fiel aber dann wieder auf unter 65 Punkte zurück. Durchgehend „bullish“ gestimmt zeigen sich indes die China-Analysten bei Goldman Sachs. Sie machen eine kräftige Erholung der Unternehmensgewinne und höhere Bewertungsrelationen als treibende Faktoren für eine nochmals kräftige Jahresperformance von etwa 13% beim CSI 300 geltend. Dem MSCI China traut Goldman sogar ein Plus von 15% zu.
Bondrenditen als Hingucker
J.P. Morgan Asset Management und UBS Wealth raten ihrer Klientel zur Vorsicht und empfehlen einen Fokus auf Aktien mit hoher Dividendenrendite von 6% und mehr. Die Empfehlung gilt insbesondere mit dem Seitenblick auf die aufsehenerregende Entwicklung an Chinas Staatsanleihenmarkt, wo die Renditen schier unaufhaltsam immer weiter nach unten ausbrechen. Ein Abstand von mindestens 4 Prozentpunkten zu langfristigen Regierungsanleihen wird bei UBS Wealth als attraktive Risikokompensation für Value-Investoren am Aktienmarkt gewertet.
Riesenabstand zu USA
Parallel zum schwachen Jahresstart an den Börsen zeigt sich die Bondrally in Hochform. Zur Wochenmitte sind die Renditen für Langläufer auf historische Tiefstände von 1,87% in der 30jährigen und 1,6% in der 10jährigen Frist gedrückt. Das bedeutet gleichzeitig ein rekordhohes Renditegefälle zu vergleichbaren US-Treasury-Anleihen, der Abstand bei 10jährigen Titeln hat nun sogar die Marke von 300 Basispunkten leicht überschritten.
Druck auf den Yuan
An der Währungsfront bedeutet dies verstärkten Abwertungsdruck für den Yuan, dem die PBOC mit aggressivem Fixing des täglichen Referenzkurses zum Dollar nun energischer entgegenstemmt. Zuletzt hielt sich die Devise bei 7,33 Yuan je Dollar im Schanghaier Handel. Analysten rechnen aber mit verstärktem Druck in Richtung der Marke von 7,4 Yuan zum Dollar. Mit Blick auf Kapitalabwanderungsgefahr dürfte die PBOC nicht so schnell locker lassen. Erst bei einer drastischen Verschärfung von Handelsspannungen dürfte Peking einer weitergehende Abwertung des Yuan als Unterstützungsbeitrag für die Exportwirtschaft erwägen.