IM BLICKFELD

Chinas Ruhekissen fühlt sich immer unbequemer an

Von Norbert Hellmann, Schanghai Börsen-Zeitung, 27.2.2014 Chinas Devisenreserven haben wieder einen Zahn zugelegt und sind zum Jahresende 2013 auf die Weltrekordsumme von 3,82 Bill. Dollar gewachsen (siehe Grafik). Sie gelten als Ruhekissen und...

Chinas Ruhekissen fühlt sich immer unbequemer an

Von Norbert Hellmann, SchanghaiChinas Devisenreserven haben wieder einen Zahn zugelegt und sind zum Jahresende 2013 auf die Weltrekordsumme von 3,82 Bill. Dollar gewachsen (siehe Grafik). Sie gelten als Ruhekissen und Bürde zugleich. In einigen asiatischen Schwellenländern setzt das Heulen und Zähneklappern über destabilisierende Währungseffekte des sogenannten Fed Tapering, des graduellen Rückspulens des gigantischen Anleihekaufprogramms der US-Zentralbank Federal Reserve (Fed) ein. Das Reich der Mitte hingegen wähnt man im Luxus, auf einem riesigen Devisenpuffer weich gebettet zu sein. Ein paar Billionen sollten schließlich ausreichen, um erratische Kapitalströme abzufedern. Ganz so einfach liegen die Dinge allerdings nicht. Wertsicherung hat VorrangIn der zurückliegenden Dekade, da sich China zur Weltfabrik mauserte, wurde im Zuge wachsender Handelsüberschüsse und reichlicher Devisenmarktinterventionen zur Bremsung einer allzu flotten Aufwertung des Yuan ein immer größerer Fremdwährungsschatz angehäuft. Die Devisenreserven werden in einer chinaweit populären und etwas romantisierten Darstellung gerne als ein mit Schweiß und Tränen eines fleißigen Volkes erwirtschafteter Hort angesehen. Das kostbare Gut zu erhalten und sichern gilt damit als nationale Aufgabe. Das ist freilich einfacher gesagt als getan. Der Zwang zur Anlage von Überschüssen in möglichst liquiden Wertpapieren hat China zum größten Investor in US-Staatsanleihen gemacht. Damit ist man gegenüber den Irrungen und Wirrungen der US-Geldpolitik wie auch der zusehends verzwickten Budgetlage in den Vereinigten Staaten stark exponiert. In den Fängen der US-PolitikEs gilt die einfache Logik, dass bei ausstehenden Mammutbeträgen eher der Gläubiger als der Schuldner ein Problem hat: Im Hintergrund lauert noch immer das Schreckgespenst eines Default auf US-Staatsanleihen, wegen des latenten Budgetstreits und politischen Machtkampfes in Washington. Der Supertanker lässt sich nicht so einfach herumreißen. Ein forcierter Ausstieg aus US-Treasuries würde ihrem potenziellen Wertverfall nur Vorschub leisten. Über die tatsächliche Verwendung der chinesischen Fremdwährungsreserven gibt die der Zentralbank angegliederte State Administration of Foreign Exchange (Safe) nur sehr beschränkt Auskunft.Aus den Angaben der US-Treasury geht hervor, dass die offiziell dem China-Portefeuille zurechenbaren Staatsanleihen zum Ende des vergangenen Jahres 1,27 Bill. Dollar betrugen, rechnet man jedoch die mit den Staatstiteln eng korrelierte sogenannte Agency Debt anderer US-Institutionen hinzu, ist etwa die Hälfte der chinesischen Devisenreserven dem Washingtoner Klumpenrisiko ausgesetzt. Im Zuge des Fed-Tapering und seiner Auswirkungen auf das Renditegefüge von US-Staatstiteln gibt es sicherlich technischen Anpassungsbedarf etwa auf Ebene der Duration des Portefeuilles. Zuletzt war zu beobachten, dass die chinesischen Reservemanager zu einer Höhergewichtung von mittel- und längerfristigen US-Bonds neigen.Was aber einen immer wieder thematisierten verstärkten Ausstieg aus Treasuries angeht, bleibt es bei der ernüchternden Erkenntnis, dass es an geeigneten Alternativen mangelt. Die europäische Schuldenkrise hat das vormals sehr breite Spektrum an sicher gewähnten Staatsschuldtiteln in der europäischen Währung stark reduziert.Beim dritten großen, liquiden und für Reservemanager geeigneten Anleihemarkt, im japanischen Yen, sind die Dinge aus chinesischer Sicht erst recht vertrackt. Zum einen haben die ernsten politischen Spannungen rund um einen Territorialkonflikt vielversprechende Ansätze einer gegenseitigen Verzahnung der Anleihenmärkte abgewürgt. Zum anderen wirft die von der japanischen Regierung unter Premier Shinzo Abe forcierte Stimulierungspolitik neue Fragen zur Nachhaltigkeit der japanischen Budget- und Fiskalpolitik auf und setzt den Yen auf einen Abwertungskurs, der japanische Regierungsanleihen für ausländische Reservemanager weniger schmackhaft macht.Da Devisenreserven eine wichtige Funktion als eine Art “Ballast” haben, der in Zeiten volatiler Devisenmärkte und erratischer Kapitalströme leicht mobilisierbar sein soll, um zur Stabilisierung der heimischen Währung eingesetzt werden zu können, bleibt man in Sachen Liquidität und unmittelbarer Verfügbarkeit so wieso auf den US-Markt angewiesen. Die große Frage ist damit weniger, wie es China gelingen mag, sich aus dem Treasury-Markt verstärkt zurückzuziehen, sondern wie einem weiteren raschen Aufbau der mittlerweile auch als Belastung angesehenen Devisenreserven entgegengewirkt werden kann.Der Schlüssel liegt hier in einer stärker marktgetriebenen Bildung heimischer Zinsen wie auch des Wechselkurses. Erst wenn China, wie von der Zentralbank bekundet, dazu übergeht, von permanenten Deviseninterventionen abzusehen, und es zulässt, dass die nach China fließenden Dollarströme sich in einer flexibleren Wechselkursbildung niederschlagen, wird man einen Unterschied spüren.Der interventionsbedingte Ankauf von Fremdwährung durch die Zentralbank hat zu expansiven monetären Rahmenbedingungen geführt, die es vor dem Hintergrund wachsender Finanzstabilitätsgefahren zurückzudrehen gilt. Die Zentralbank vertritt längst selber die Meinung, dass der Devisenschatz ein vernünftiges Maß überschritten hat, sorgt aber dennoch mit ihrem Währungsmanagement für eine zusätzliche Aufblähung. Um das Luxusproblem mit ineffizienten und kaum noch sinnvoll anzulegenden Reserven anzugehen, muss sich China zu einer flexibleren Währung durchringen.