Chinas Schnapsgigant Moutai hält den Kurs
Von Norbert Hellmann, SchanghaiIn einem kleinen Dorf in den Bergen der strukturschwachen chinesischen Provinz Guizhou schreibt ein staatskontrolliertes Unternehmen namens Kweichow Moutai Co. seit Jahrzehnten Geschichte und wärmt mit einem besonderen Produkt die Herzen der Verbraucher wie auch der Anleger. Mit dem Namen Moutai verbindet sich eine besonders hochwertige und hochpreisige Version des chinesischen Getreideschnapses Baijiu. Unter besonderen lokalen Bedingungen erhält er eine Reife und Geschmacksnote, die einen ganz besonderen Artikel für Fest- und Geschenkanlässe abgibt. Dies gereicht zu einer Sonderstellung im weltgrößten Verbrauchermarkt, die Moutai zu einem äußerst umsatz- und gewinnstarken Branchenriesen macht.Trotz der Verankerung im Premiumsegment kommt Moutai auf einen gewaltigen Produktionsausstoß von rund 60 Mill. Litern im Jahr und ist von der Marktkapitalisierung her die weltweite Nummer 1 im Spirituosenmarkt noch vor den europäischen Branchenriesen Diageo und Pernod Ricard. Auch an der Börse Schanghai gehört Moutai zu den Elefanten. Mit einer Börsenkapitalisierung von zuletzt umgerechnet rund 151 Mrd. Euro zählt man Kopf an Kopf mit der Großbank Agricultural Bank of China und dem Erdölriesen Petrochina zu den sechs größten Werten. Platzhalter für KonsumwerteMoutai wird eine wichtige Signalfunktion für die Stimmung an der chinesischen Konsumfront zugeschrieben. Das Unternehmen gilt als eine Art Messlatte für die Robustheit des Konsums in der gehobenen Mittelstandsschicht und im Luxusgütersegment im Reich der Mitte. Angesichts hochsolider Fundamentaldaten mit zuverlässig hohen Gewinnmargen und zweistelligem Wachstum sowie einer geringen Anfälligkeit gegenüber Konjunkturschwankungen steht die Gesellschaft im Ruf, praktisch nie zu enttäuschen.Moutai ist als Platzhalter für chinesische Konsumwerte insbesondere auch in internationalen Portfolios breit vertreten und hat in diesen besonders Freude gemacht. Im bisherigen Jahresverlauf kommt die Moutai-Aktie 63 % zulegen und zählt damit zu den Highflyern im Schanghaier Blue-Chip-Index CSI 300 (+21 %). Moutai konnte die imposante Hausse an Chinas Börsen in den ersten Monaten des Jahres voll mitnehmen, ohne von den Rückschlägen der Leitindizes im Zuge der stetigen Verschärfungen des Handelsstreits zwischen China und den USA erfasst zu werden.Das Moutai-Geschäft wird ausschließlich von der Inlandsnachfrage bestimmt, und die Aktie sind von globalen Markttendenzen relativ wenig berührt, was sie für chinafixierte Anleger besonders attraktiv macht. Allerdings sieht sich die Moutai-Aktie seit Jahresmitte einer andersartigen Belastungsprobe ausgesetzt. Die Anleger beginnen sich die Frage zu stellen, ob sich der Kurs von einer fundamental angemessenen Bewertung zu lösen beginnt und der Aktie die Luft nach oben auszugehen droht. Dies lässt sich an einer besonders prägnanten Zahl, an der Kursmarke von 1 000 Yuan, festmachen. Ende Juni kletterten Moutai intraday erstmals über 1 000 Yuan. Am 2. Juli schlossen die Titel auf dem Rekordniveau von 1 025 Yuan.Damit hat erstmals überhaupt ein Dividendenpapier an Chinas Festlandbörsen eine vierstellige Kursziffer erreicht. Weitere Kandidaten sind nicht in Sicht. Möglich gemacht hat dies ein Kursanstieg von über 14 000 % seit dem Börsenstart im Jahr 2001. In den 18 Jahren kommt Moutai eine durchschnittliche Jahresperformance von gut 33 %, während der breite Leitindex Shanghai Composite im Mittel um 2,7 % zulegte.Mit den 1 000 Yuan wurde aber zunächst einmal eine psychologische Grenze erreicht. Seit Juli tendiert die Aktie seitwärts in einem engen Band um rund 950 Yuan. Die jüngste Ergebnisvorlage hat die Erwartungen nicht ganz erfüllt. In der ersten Jahreshälfte 2019 kletterte der Konzernumsatz um knapp 17 % auf 41,2 Mrd. Yuan (rund 5,3 Mrd. Euro), während man im erste Dreimonatsabschnitt noch bei einem Plus von gut 24 % gelegen hatte. Auch das Gewinnwachstum hat sich mit einem Plus um 27 % auf 20 Mrd. Yuan nach zuvor 32 % leicht abgeschwächt.Die Anleger werden empfindlicher für Anzeichen, dass das Moutai auch nur ein wenig Schwung einbüßen könnte, zumal die chinesische Konjunktur unter weiterem Abkühlungsverdacht steht. Andererseits sind Aussichten für den Luxusgütermarkt weiterhin stabil, und an der seit Jahren bestehenden hohen Nachfrage für die Moutai-Spitzenprodukte mit Preisen von umgerechnet 200 bis 400 Euro je Halbliterflasche dürfte sich wenig ändern. Champion in PrognosenMoutai steht im Ruf, Wachstumsprognosen praktisch immer überzuerfüllen. Das für 2019 abgesteckte Ziel eines Umsatzplusses von 14 % gilt nicht ernsthaft in Gefahr, zumal sich das Ergebnis im dritten Quartal aufgrund von Basiseffekten freundlich darstellen dürfte. Die Angebots- und Nachfragestrukturen bei Moutai werden sich nicht wesentlich ändern, so dass quartalsweise Fluktuationen nicht sonderlich ins Gewicht fallen werden, urteilen die Analysten des Brokers Great Wall Securities.Fragezeichen gibt es aber zu den Bewertungsrelationen. Bei Kursen um 1 000 Yuan wird das 30-Fache des prognostizierten Gewinns erreicht, was als kritische Grenze nicht zuletzt bei ausländischen Portfoliomanagern gilt. Bei den Analysten hat sich die positive Grundstimmung für die Aktie freilich nicht geändert. Verkaufssignale für Moutai sind quasi ein Tabu in der Branche. Unter den 34 Wertpapierhäusern sieht man gegenwärtig gerade einmal eine Adresse, die sich nur zu einem Halten hinreißen kann, ansonsten empfiehlt die Hälfte den Kauf oder aber erwartet aber eine Outperformance. Die Kursziele liegen im Mittel bei etwa 1 100 Yuan. Besonders bullish sind die Analysten von China International Capital gestimmt. Deren Sektoranalysten trauen der Moutai-Aktie bis Jahresende einen Anstieg auf 1 250 Yuan zu.