DEVISENWOCHE

Chinas Währungspolitik: Alles ist relativ

Von Dorothea Huttanus *) Börsen-Zeitung, 19.7.2016 Alles ist relativ - offenbar auch das Verständnis von Wechselkursstabilität. Chinas Währung hat im zweiten Quartal das größte Minus der Geschichte erlitten, und dennoch betonen Chinas Währungshüter...

Chinas Währungspolitik: Alles ist relativ

Von Dorothea Huttanus *)Alles ist relativ – offenbar auch das Verständnis von Wechselkursstabilität. Chinas Währung hat im zweiten Quartal das größte Minus der Geschichte erlitten, und dennoch betonen Chinas Währungshüter unbeirrt, dass der Yuan “grundsätzlich” stabil auf einem vernünftigen und ausgewogenen Niveau gehalten werde. Unsere Vorstellung von “Stabilität” ist eine andere, insofern bleibt für uns bei Chinas Wechselkurspolitik ein unübersehbarer Widerspruch zwischen Worten und Taten.Stabil oder nicht, es sind dennoch mehrere Aspekte bemerkenswert: Zunächst ist die gegenwärtige Yuan-Abwertung nicht etwa das Spiegelbild eines erstarkenden Dollar wie im Schlussquartal 2015. Insofern lassen wir uns auch nicht vertrösten, dass der Blick auf den handelsgewichteten Yuan-Index (statt auf den bilateralen Dollar-Yuan-Kurs) die plakatierte Stabilität aufweisen könnte. Ganz im Gegenteil: Chinas Yuan hat sich im laufenden Jahr handelsgewichtet um gut 6 % abgeschwächt verglichen mit “nur” 3 % zum US-Dollar. Natürlich spielt dabei der globale Höhenflug des Yen, der die drittwichtigste Währung im CFETS-RMB-Index ist, eine wichtige Rolle. Doch auch darüber hinaus ist die im internationalen Vergleich gering anmutende Abwertung für den traditionell eigentlich eher schwankungsarmen Yuan eine bemerkenswert starke Bewegung. Insofern ist es bei der aktuellen Entwicklung umso erwähnenswerter, dass sie – glücklicherweise, und wir wollen es auch nicht beschreien – nicht von globaler Panik begleitet ist. Dabei müssten sich die Finanzmärkte angesichts von Brexit-Votum, EU-Sinnkrise oder Sorgen um Italiens Bankensektor derzeit durchaus in Alarmbereitschaft befinden und nicht in einer robusten Verfassung, aus der heraus mögliche Ansteckungseffekte aus China locker abgeschüttelt werden könnten. Homöopathische DosisEin wesentlicher Schlüssel zu dieser Ruhe, die sich hoffentlich nicht als Ruhe vor dem Sturm erweisen wird, ist die Stetigkeit, mit der die Abwertung diesmal in kleinsten, geradezu homöopathischen Schritten zugelassen wird, im Unterschied zu dem diskretionären Schock vom August 2015. Dieser hatte das Dollar-Yuan-Gefüge um gerade einmal 3 % verschoben, also sogar weniger als die aktuelle Kursbewegung seit Mai, und dennoch schien die Finanzwelt damals aus den Angeln gehoben. China hat der Weltöffentlichkeit aber seitdem bewiesen, dass es nicht den aggressiven Abwertungswettlauf im Sinn hat, den man ihm immer wieder gerne unterstellt. Sowohl im August 2015 als auch bei der Panikwelle im Januar 2016 wurde alles darangesetzt, um die marktseitig gespielten Abwertungsfantasien nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. Interventionen in dreistelliger Milliardenhöhe, aber auch die graduelle Verschärfung von Quasi-Kapitalverkehrsbeschränkungen haben sich hier als probates Mittel erwiesen. Kontrolle über AbwertungNicht, dass man in China etwas gegen eine moderate Yuan-Abschwächung hätte, ganz im Gegenteil. Aber über Ausmaß und Timing möchte man dann doch bitteschön selber entscheiden. Chinas Finanzaufsicht dürfte daher auch weiterhin alles daransetzen, Spekulationen auf eine Yuan-Abwertung möglichst teuer zu machen. Ein Beispiel hierfür ist die Erweiterung einer Regel, die bereits seit 2015 für inländische Banken gilt: Mit Wirkung zum 15. August sind ausländische Banken in China verpflichtet, 20 % bestimmter Forward-Positionen mit Reserven zu unterlegen. Interventionen zur Marktpflege dürften ohnehin auf absehbare Zeit treue Begleiter bleiben. Der Reserveanstieg vom Juni um 13 Mrd. US-Dollar ist übrigens keineswegs ein Beweis für Interventionen in die andere Richtung, also zur aktiven Förderung der Abwertung (Verkauf Yuan, Ankauf Fremdwährung). Vielmehr dürften Bewertungseffekte hier ausschlaggebend gewesen sein, die sich aus der Yen-Aufwertung sowie den Kursgewinnen der US-Treasuries und anderer Staatsanleihen ergeben haben.Alles in allem signalisieren derzeit viele Indikatoren (Risk Reversals, implizite Volatilität, Konsens-Erwartungen, Spread zwischen Onshore- und Offshore-Yuan), dass die Devisenmarktteilnehmer zwar eine Fortsetzung der moderaten Yuan-Schwäche erwarten, allerdings von Panik keine Spur ist. Um die Verankerung der Markterwartungen auch künftig sicherzustellen, möchten wir Chinas Währungsoffiziellen die Einführung eines Wechselkurskorridors für den handelsgewichteten Yuan ans Herz legen, so wie es für Dollar-Yuan inklusive täglich zulässiger Schwankungsbreite seit Längerem gebräuchlich war. Das wäre die konsequente Umsetzung des Regimewechsels vom Dezember 2015, seit dem der währungspolitische Fokus weniger auf das Yuan-Verhältnis zum US-Dollar und mehr auf die handelsgewichtete Entwicklung gelegt wird. Sehr wohl sehen wir den Kollisionskurs mit der übergeordneten Reformpolitik, auf den uns ein solcher (Rück-)Schritt bringen würde. Schließlich steht die Liberalisierung der chinesischen Finanzmärkte unter dem Motto “mehr Markt” und nicht “mehr Vorgaben für den Wechselkurs”. Dennoch bewerten wir den Reputationsgewinn und die stabilisierenden Effekte als hinreichend überzeugend. Offizielle Handelsbandbreiten für den RMB-Index würden die Transparenz und damit potenziell das Vertrauen der Märkte erhöhen. Dies wiederum könnte es China ermöglichen, eine fundamental fraglos adäquate Fortsetzung der Yuan-Abwertung zuzulassen, ohne die internationale Finanzdiplomatie auf die Barrikaden zu bringen.—-*) Dorothea Huttanus ist Senior-Analystin für Devisenmärkte bei der DZ Bank.