Neue Pflicht zur zentralen Verrechnung

Clearing-Reform droht Treasury-Handelskosten explodieren zu lassen

Der hohe Anteil bilateral geclearter Treasury-Trades ist Regulatoren ein Dorn im Auge. Die SEC will mit einer Reform systemische Risiken reduzieren. Doch fürchten Marktteilnehmer in der Folge steigende Margin-Kosten und eine abnehmende Handelsaktivität. Die Debatte läuft vor der Neuregulierung 2025 heiß.

Clearing-Reform droht Treasury-Handelskosten explodieren zu lassen

Explosion der Treasury-Handelskosten droht

Clearing-Reform der US-Börsenaufsicht SEC treibt Investoren um – Dealer fürchten durch Pflicht zur zentralen Verrechnung abnehmende Trading-Aktivität

Der hohe Anteil bilateral geclearter Treasury-Trades ist Regulatoren ein Dorn im Auge, die SEC will mit einer Reform systemische Risiken reduzieren. Doch fürchten Marktteilnehmer in der Folge steigende Margin-Kosten und eine abnehmende Handelsaktivität. Die Debatte läuft vor der Neuregulierung 2025 heiß.

xaw New York

Eine tiefgreifende Reform im Sekundärmarkt für US-Staatsanleihen treibt Analysten und Anbieter von Finanzinfrastruktur um. Denn ab Ende nächsten Jahres gilt für den Großteil der Treasury-Transaktionen in Cash eine Verpflichtung zum zentralen Clearing, ab dem 30. Juni 2026 greift dies auch für Repo-Geschäfte – spätestens dann befürchten Marktteilnehmer einen Sprung der Handelskosten und Druck auf die Trading-Aktivität im 26 Bill. Dollar schweren US-Staatsanleihesegment, von dessen Liquidität und Tiefe die Finanzmärkte rund um den Globus abhängig sind.

Bisher wird die weit überwiegende Zahl der Treasury-Trades direkt zwischen den involvierten Parteien abgerechnet. Von den Transaktionen im Volumen von durchschnittlich 531 Mrd. Dollar pro Tag wurden laut der US-Börsenaufsicht SEC im vergangenen Jahr 54,3% bilateral gecleart. Hinzu kamen 13,6%, bei denen zwar ein Inter-Dealer Broker involviert ist, aber kein zentrales Clearinghaus, das Forderungen und Verbindlichkeiten durch Verrechnung ausgleicht.

Nur eine zentrale Institution

Weitere 19,4% werden „hybrid“ gecleart. Sie laufen also über die Plattform eines Inter-Dealer Brokers ab, wobei ein Kontrahent seine Transaktion zum zentralen Clearing einreicht und der andere den Trade bilateral mit dem Finanzvermittler verrechnet. Dies bedeutet: Weniger als 13% aller Cash-Transaktionen am Treasury-Sekundärmarkt werden vollständig zentral gecleart – und mit der Fixed Income Clearing Corporation (FICC) steht dafür in den Vereinigten Staaten auch nur eine Institution zur Verfügung, die von Großbanken um J.P. Morgan und Goldman Sachs und spezialisierten Finanzvermittlern getragen wird. Dies stellt einen Kontrast zur Situation in anderen Märkten wie Europa dar.

Bei der SEC wirft der Status quo Sorgen um die Finanzmarktstabilität auf. „Dass ein so hoher Anteil des Treasury-Marktes ungecleart ist, erhöht systemweite Risiken“, betonte Behördenchef Gary Gensler anlässlich der Vorstellung der Reform im Dezember 2023 und hob die Intransparenz des aktuellen Systems hervor. Die Aufsicht befürchtet, dass der Ausfall einer Partei, die lediglich am bilateralen Clearing teilnimmt, schnell Ansteckungseffekte und eine Kollapswelle unter Dealern und Tradern nach sich ziehen könnte.

Wenige Trades ausgenommen

Daher verpflichtet die SEC die Mitglieder der FICC, ihre Aktivitäten auszuweiten. Vom zentralen Clearing ausgenommen sein soll lediglich eine enge Gruppe an Transaktionen, bei denen eine Zentralbank, ein Nationalstaat oder eine internationale Finanzorganisation auf der Gegenseite steht. Auch will der Regulator die FICC-Häuser anhalten, notwendige Besicherungen präziser zu berechnen und konsequenter einzusammeln. Zudem müssen sie sicherstellen, dass sie Marktteilnehmern jederzeit Zugang zu ihren Plattformen bieten können.

Der Branchenverband Securities Industry and Financial Markets Association spricht mit Blick auf die Regeländerungen von „wesentlichen Auswirkungen auf Broker-Dealer, institutionelle Investoren, Inter-Dealer Broker, Trading-Firmen und Clearinghäuser“. Im Sektor bestehe zwar die Hoffnung, dass die SEC die Fristen für die Umstellung auf die zentrale Verrechnung von Treasury-Transaktionen noch verlängere – allerdings, betont der Analysedienstleister Coalition Greenwich, „ist Hoffnung keine Strategie“.

Gemäß einer Umfrage des Datenanbieters unter einflussreichen Institutionen – darunter vier der fünf nach Umsatz größten Treasury-Dealer – rechnen 72% der Teilnehmer damit, dass die Handelskosten binnen zwei Jahren nach Einführung der Clearing-Pflicht anziehen werden. Zudem erwarten 80% steigende Margin-Anforderungen. Eine solche Entwicklung geben wiederum 86% als Hauptgrund dafür an, dass sie ihre Aktivität im Sekundärmarkt reduzieren könnten. Mehr als die Hälfte der Befragten geht davon aus, dass die Zahl der Marktteilnehmer nach der Reform abnehmen wird.

Laut Jo Burnham, beim Derivate-Analysedienst Open Gamma für Risikomanagement und Margining zuständig, „tickt die Uhr" vor dem Fristablauf im kommenden Jahr. Finanzinstitute seien hinsichtlich höherer Margin-Kosten zurecht besorgt und müssten nun mit Hochdruck daran arbeiten, ihre Besicherungen im Treasury-Handel zu optimieren.

„Es sind automatisierte Tools für das Management von Liquiditätsanforderungen verfügbar, doch Fonds mit hohem Leverage nutzen diese bisher in weit größerem Ausmaß als andere Marktteilnehmer“, betont Burnham. Die Berechnung von Margin-Anforderungen in einem volatilen Marktumfeld sei hochkomplex, das dafür nötige Verständnis gehe im zentralen Clearing weit über das in den bisherigen Standardverfahren gebräuchliche Niveau hinaus. Deshalb müssten sich viele Marktteilnehmer künftig externe Expertise einkaufen – laut anderen Stimmen ein weiterer Kostentreiber.

Effizientere Prozesse gefordert

Tucker Dona, Leiter Geschäftsentwicklung beim Post-Trade-Dienstleister Baton Systems, sieht effizientere Prozesse rund um die Hinterlegung von Margin-Anforderungen als Schlüssel, um den Markt aufrecht zu erhalten. „Handelsfirmen müssen die Systeme, über die sie ihre Treasury-Trading-Bücher und -Aufzeichnungen führen, direkt an die Clearing-Häuser anschließen“, betont der ehemalige J.P.-Morgan-Banker. Zudem müssten die Marktteilnehmer jederzeit in der Lage sein, die Anforderungen ihrer zentralen Kontrahenten sowie die Verfügbarkeit hinterlegter Assets einzustufen sowie fällige Gebühren abzurufen.

Auf den Markt rollen damit technologisch komplexe Aufgaben zu, die sich laut Dona aber zu bewältigen lohnen. Denn durch stromlinienförmige Prozesse ließen sich zwar nicht die Margin-Anforderungen selbst reduzieren, wohl aber verbundene operative Belastungen und sonstige Kosten für die Finanzierung von Trades. Darüber ließen sich höhere Aufwendungen für die Besicherung zumindest teilweise ausgleichen.

Versuche, Margin-Anforderungen und damit das Liquiditätsmanagement manuell zu betreiben, seien zum Scheitern verurteilt. Schließlich verringere dies die Effizienz und führe zu höheren Betriebskosten. Große, im Triparty-Repo-Markt aktive Banken wie J.P. Morgan stellten ihren Kunden indes bereits Systeme für das Margin-Management zur Verfügung, die ihnen automatisch mitteilten, welche Anforderungen an verschiedenen Handelsplätzen gälten und welche Assets als Sicherheiten infrage kämen.

Triparty-Repo gewinnt Bedeutung

Tatsächlich haben Drittparteien im Repo-Markt stark an Bedeutung gewonnen. In dem Segment interagieren Eigner großer Wertpapierbestände mit Investoren wie Geldmarktfonds, um sich kurzfristig Liquidität zu sichern. Dabei verkaufen sie zumeist festverzinsliche Titel und erwerben sie am nächsten Tag zu einem geringfügig höheren Preis zurück; die Differenz streichen die Investoren als Zinsertrag ein. Bei Triparty-Repo-Transaktionen kümmern sich Clearing-Banken als Intermediäre zwischen Wertpapier-Käufern und -Verkäufern um die Verwahrung der Sicherheiten und sollen Kontrahentenrisiken reduzieren.

Das monatliche Volumen der Triparty-Repo-Transaktionen hat in den vergangenen Jahren deutlich zugelegt. Belief es sich gemäß der Federal Reserve von New York Anfang 2011 noch auf etwas mehr als 1,6 Bill. Dollar, stieg es 2023 auf über 4,8 Bill. Dollar. Zuletzt fiel es mit nahezu 4 Bill. Dollar noch immer rund doppelt so hoch aus wie im Durchschnitt des vergangenen Jahrzehnts. Die meisten Transaktionen lassen sich dabei über Fedwire, das elektronische Settlement-System der US-Notenbank, abwickeln. Ein weitaus geringerer Teil, bei dem unter anderem Unternehmensanleihen und hypothekenbesicherte Wertpapiere zum Einsatz kommen, läuft außerhalb von Fedwire ab.

Allerdings sind Triparty-Repo-Banken keine echten zentralen Kontrahenten, da sie die Risiken der an Trades beteiligten Parteien nicht absorbieren. „Diese Organisationen verfügen aber über die Größe und Skalierungsmöglichkeiten, um ihre Angebote auf das verpflichtende zentrale Clearing von Treasuries auszuweiten“, betont Dona allerdings.

Dienstleister wittern Chance

Auch andere Finanzdienstleister wittern die Clearing-Reform als Chance: Die Intercontinental Exchange als Mutter der New York Stock Exchange hat im Juni angekündigt, einen neuen Service für die zentrale Verrechnung von Treasury-Transaktionen und Repo-Geschäften zu lancieren. Auch kleinere Broker erwägen, ihre Dienstleistungen auf das Clearing auszuweiten. Allerdings hat es laut Dona einen Grund, dass das Clearing-Segment von einer kleinen Zahl äußerst stark kapitalisierter Institutionen dominiert wird.

Auf diese kommt nun viel Arbeit zu. Die britische Großbank Barclays schätzte bereits im vergangenen Jahr, dass sich die Aktivität auf den Systemen der FICC infolge der Reform trotz steigender Margin-Kosten kurzfristig mehr als verdoppeln könnte. Dies könne zu einem Flaschenhals bei der Verrechnung und schließlich auch bei der Abwicklung der Trades führen, den das zentrale Clearing eigentlich verhindern soll. Langfristig drohen resultierende Verwerfungen laut Analysten, weitere Teilnehmer aus dem Treasury-Handel zu drängen.

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