GASTBEITRAG

Cocos sind für risikobewusste Anleger attraktiv

Börsen-Zeitung, 16.3.2016 Banken haben es nicht leicht. Als Verursacher und später dann Opfer der Finanzkrise kostete die Rettung einiger Kreditinstitute den Steuerzahler Milliarden. Seitdem haben die Regulatoren die Mindestkapitalvorschriften...

Cocos sind für risikobewusste Anleger attraktiv

Banken haben es nicht leicht. Als Verursacher und später dann Opfer der Finanzkrise kostete die Rettung einiger Kreditinstitute den Steuerzahler Milliarden. Seitdem haben die Regulatoren die Mindestkapitalvorschriften erheblich verschärft. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat in ihrer neuen Funktion als sogenannter Single Supervisor die Qualität der Aktiva der Kreditinstitute in der Eurozone geprüft und danach deren Widerstandsfähigkeit einem Stresstest unterzogen.Dennoch ließ der Jahresauftakt Erinnerungen an die dunkle Zeit des Banken-Crashs in der Finanzkrise wach werden. In wenigen Wochen brachen die Aktienkurse von etablierten Geldhäusern wie der Credit Suisse, der Deutschen Bank oder der italienischen Unicredit um mehr als 40 % ein. Auch die eigenkapitalnahen Contingent Convertibles, bekannt als Cocos, erlitten herbe Kursverluste. Über 100 Mrd. Euro emittiertDiese Form der Nachranganleihen, die nach den Vorgaben von Basel III bis zu 1,5 % der Kapitalquote für Ergänzungskapital und bis zu 2 % der nächsten Rangstufe (Tier 2) der Kreditinstitute ausmachen können, trugen neben der Ausgabe neuer Aktien und dem Abbau der Risikoaktiva in nennenswertem Maße zur Rekapitalisierung der Banken bei. Aktuell haben die 35 größten europäischen Banken Cocos mit einem Volumen von mehr als 100 Mrd. Euro ausstehend.Cocos sollen im Stressfall dem Erhalt des ausstellenden Finanzinstituts dienen und können daher bei Unterschreiten vordefinierter Kapitalquoten in Aktien konvertiert oder abgeschrieben werden. Darüber hinaus setzt die Zahlung eines Kupons der Cocos voraus, dass die emittierenden Banken die spezifischen Mindestkapitalvorschriften erfüllen. Andernfalls müssen sie der Aufsicht nachweisen, dass sie über genügend ausschüttbare Erträge verfügen, um den Kupon, Dividenden oder ihren Angestellten Boni bezahlen zu können.Cocos eröffnen den Regulatoren und den Regierungen so die Möglichkeit, die Kapitalbasis angeschlagener Finanzinstitute zu stärken, indem Erträge einbehalten oder die Verbindlichkeiten durch Abschreibung beziehungsweise durch Wandlung verkürzt werden, ohne dass dies eine formale Insolvenz zur Folge hätte. Auf diese Weise soll bedrängten Banken der Zugang zu den Kapitalmärkten erhalten bleiben, um nicht erneut auf den Steuerzahler zur Rettung zurückgreifen zu müssen. Aufgrund der Nähe zum Eigenkapital, ihrer besonderen Ausstattung und den damit verbundenen Risiken boten Cocos eine im Vergleich hohe Nominalverzinsung bei Ausgabe von durchschnittlich 6,75 %.Das jüngste Marktgeschehen, das aufgrund der Kursverluste die Renditen einer erheblichen Zahl von Cocos auf über 8 % und in einigen Fällen bis auf 12 % hochschnellen ließ, kann daher nicht primär auf Zweifel an der Solvenz der Aussteller zurückgeführt werden. Vielmehr spielten hier die zuletzt enttäuschenden Quartalsergebnisse der Banken sowie die Aussicht auf längerfristig negative Zinsen, welche die Ertragslage der Kreditinstitute weiter und stärker belasten, eine große Rolle. Befürchtungen hinsichtlich möglicher Kreditausfälle in der Rohstoffbranche, der unverändert erdrückende Berg notleidender Kredit in Italien sowie die verhaltenen Konjunkturaussichten mögen ebenso ihren Teil zur Misere beigetragen haben.Besonders erschwerend kam jedoch hinzu, dass sich die EZB der Auffassung der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) anschloss, bei der Bemessung der für die Kuponzahlung eines Cocos ausschlaggebenden Mindestkapitalisierung institutsspezifische Aufschläge einzubeziehen und so die Messlatte höher zu legen. In der Folge kamen Bedenken auf, ob etwa die Deutsche Bank nach ihrem Rekordjahresverlust in der Lage wäre, den Kupon-Verpflichtungen nachzukommen.Zur Beruhigung der Anleger und Geschäftspartner nahm die Bank hierzu Stellung und kaufte zur Untermauerung ihrer soliden Liquiditätssituation am Markt erstrangige Anleihen zurück. Trotz der zuletzt zunehmenden Anzahl der Sorgenfaktoren wirkt die Marktreaktion überzogen, hat aber weitreichende Implikationen. Denn bei Coco-Renditen nahe den kalkulatorischen Eigenkapitalkosten von 10 % bis 12 % liegen Pläne wie etwa der Deutschen Bank oder der spanischen Großbank Santander, bis 2018 die maximal mögliche Quote von 1,5 % des Kapitals durch Ausgabe weiterer Cocos im Gegenwert von bis zu 4,3 Mrd. Euro zu begeben, vorerst auf Eis.Angesichts der überwiegend vorherrschenden niedrigen Kurs-Buchwert-Verhältnisse, die eine Eigenkapitalerhöhung ausschließen, bleibt den Banken daher zur Verbesserung ihrer Kapitalquote vor allem der Abbau weiterer Risikoaktiva. Die mögliche Folge eines Rückgangs der Kreditvergabetätigkeit könnte die geldpolitischen Anstrengungen der EZB dabei spürbar konterkarieren. Auch die weitere Absenkung der Einlagenzinsen, die von den Banken nicht an den Einleger weitergegeben werden kann, ohne einen flächenweiten Entzug des umlaufenden Geldes aus dem Kreislauf zu riskieren, ist geldpolitisch zumindest fragwürdig und stellt die EZB unmittelbar vor einen Interessenskonflikt in ihrer Rolle als Bankenaufsicht und Zentralbank. Ende der ToleranzDie harsche Marktreaktion der letzten Wochen sowohl bei Bankaktien als auch Cocos zeigt nachdrücklich, dass die Toleranz der Investoren hinsichtlich expliziter Enteignungen wie im Fall der Novo Banco oder implizit wie in der willkürlichen Verschärfung der Regeln zur Kuponzahlung bei Cocos ihre Grenzen gefunden hat. Mehr Transparenz und Kontinuität hinsichtlich der für Investoren maßgeblichen Kapitalvorschriften sind dringend erforderlich.Auch würde die Klarstellung, dass Gewinne grundsätzlich entsprechend der Anspruchsrangfolge zunächst an Gläubiger und dann erst an Aktionäre oder in Form von Boni an Angestellte ausgeschüttet werden dürfen, Handlungssicherheit bringen. Die zu erwartende Einsicht der EZB sowie die derzeit zumeist recht komfortablen Kapitalpuffer der Emittenten in Verbindung mit Renditen von durchschnittlich etwa 8,5 % lassen die Contingent Convertibles für erfahrene und risikobewusste Anleger daher attraktiv erscheinen.—-Michael Hünseler, Leiter Credit Portfolio Management bei Assenagon