IM PORTRÄT

Computer braucht Mensch

Goldman Sachs setzt auf Technik. Manager sollen aber unentbehrlich bleiben.

Computer braucht Mensch

Von Jan SchraderDem Computer sind kaum Grenzen gesetzt. Für die Fondsmanager von Goldman Sachs erhebt die Maschine Daten für 13 000 Aktien, durchkämmt etliche tausend Patentschreiben und zehntausende Medien- und auch Analystenberichte. Dem Menschen sind die Maschinen bei der Datenauswertung längst überlegen – ersetzen können sie die Fondsmanager aus Fleisch und Blut jedoch nicht, wie Javier Rodriguez-Alarcon sagt, der für die Assetmanagement-Einheit der US-Investmentbank die computerbasierten “Core”-Fonds betreut. So bleibe es Aufgabe des Menschen, die Daten zu interpretieren. “Etliche Millionen Datenpunkte haben keine Bedeutung, wenn sie nicht in einen Kontext gesetzt werden”, sagt er. “Die Art und Weise, Daten wahrzunehmen, ändert die Schlussfolgerung.”Das Kürzel “Core” steht für “Computer Optimized & Research Enhanced”, also die computergestützte Bewertung von Wertpapieren. Der Computer sei dabei nicht viel mehr als ein Werkzeug, das im Dienste des Menschen stehe. Und somit beschäftigte sich auch sein Team bei der US-Gesellschaft eben mit jenen Fragen, mit denen sich ein Fondsmanager typischerweise herumschlägt: Wie sind die Unternehmenszahlen zu bewerten? Hat die Gesellschaft eine Zukunftsperspektive? Wie ist die Stimmung der Anleger am Markt? Der Fondsmanager sei also weiterhin der Ideengeber, doch könne er nun seine Entscheidung besser untermauern. “Wir können die existierende Lücke zwischen der Masse an Daten einerseits und der ökonomischen Intuition andererseits schließen”, sagt Rodriguez-Alarcon. Die Automatisierung von anspruchsvoller Arbeit wird immer wieder als Grund dafür genannt, weshalb Computer insgesamt viele Arbeitsplätze vernichten könnten. Schon in den zurückliegenden Jahren sind nach Einschätzung von Ökonomen etliche Berufe in mittleren Einkommenssegmenten unter Druck geraten, etwa Kassierer und Buchhalter. Da Computerprogramme immer besser und ausgeklügelter werden, könnten in den kommenden Jahrzehnten auch Berufsbilder wackeln, die bislang als weitgehend immun galten. Leicht automatisierbarIn der Finanzindustrie sind etwa Aufgaben wie die Vermittlung von Versicherungen und Immobilien oder Analyse von Kreditrisiken sehr leicht automatisierbar, wie die Oxford-Forscher Carl Benedikt Frey und Michael Osborne in einer Studie ermittelt haben (The Future of Employment: How susceptible are Jobs to Computerisation?”). Persönliche Finanzberater sind demnach mit einer Wahrscheinlichkeit von 58 % ersetzbar, Finanzanalysten zu 23 %. Das weit gefasst Berufsbild des Finanzmanagers erzielt mit 7 % einen geringen Wert. Aber können sich Fondsmanager wirklich darauf verlassen, dass sie nicht zumindest teilweise vom Computer ersetzt werden?Das sieht Rodriguez-Alarcon offenbar nicht so. Weil das Datenvolumen immer und immer weiter steige, müsse sich das Fondsmanagement anpassen und die Auswertung der Daten stetig verfeinern. Goldman Sachs Asset Management rekrutiere für diese Aufgabe nicht nur Finanzspezialisten, sondern auch technikaffine Quereinsteiger, sagt er. Das Berufsbild des Fondsmanagers habe sich dadurch verändert. Die Teams durchstöbern etwa Medienberichte nach bestimmten Schlagworten und anderen Hinweisen, die auf die Stimmung hindeuten, oder sie setzen den Wert von Erfindungen einer Aktiengesellschaft zu anderen, schon vorhandenen Ideen ins Verhältnis, indem sie Patente automatisch lesen lassen. Eine Reihe an “Core”-Fonds – für die gesamte Welt, Europa, USA und Schwellenländer – funktioniert nach diesem Prinzip. Fondsmanagement ist eine KunstWohin automatische Anlagestrategien in Zukunft steuern, ist noch nicht ausgemacht. Grob aufteilen lassen sich die Techniken im Fondsmanagement bekanntlich in zwei Kategorien. Auf der einen Seite steht das aktive Fondsmanagement, das einen Mehrwert zu der breiten Marktentwicklung bieten will, typischerweise eine zusätzliche Rendite, wie sie auch das Team von Rodriguez-Alarcon anstrebt. Manche Fondsmanager sprechen daher von einer Kunst, die es zu beherrschen gelte. Eine einzelne Strategie für alle Anleger kann es im aktiven Fondsmanagement nicht geben, denn dann würde sich das Verfahren nicht mehr von der breiten Masse abheben. Weitgehend einheitliche Produkte von der Stange sind indes passive Vehikel, vorneweg börsengehandelte Indexfonds (ETF). Wer ein solches Produkt kauft, setzt auf geringe Kosten und erwartet keine Mehrleistung gegenüber einer üblichen Marktbewegung. Anders als bei einer ganz bestimmten aktiven Strategie gibt es bei einem passiven Ansatz kein Limit für die Verbreitung. Vielmehr führen große Stückzahlen wie bei Industrieprodukten zu sinkenden Kosten, was in dieser Produktefamilie ein entscheidendes Kriterium darstellt.Auf welche Seite gehören nun Fonds, die eine automatische Auswertung großer Datenmengen in Aussicht stellen? Fondsanbieter distanzieren sich jedenfalls von der Vorstellung, bloß ein Massenprodukt zu sein. Die Deutsche Asset & Wealth Management, die zur Deutschen Bank gehört, wertet zum Beispiel für die “Croci”-Fonds (Cash Return on Capital Invested) per Computer Unternehmenszahlen aus und erstellt dabei etwa angepasste Kurs-Gewinn-Verhältnisse, die besser miteinander vergleichbar sein sollten. Bereits vor zwei Jahren sprach das Unternehmen von einer “Passive Enhanced”-Strategie, also einem weiterentwickelten passiven Ansatz, der mit anderen Produkten der Kategorie nur noch wenig gemeinsam habe. Rodriguez-Alarcon zieht diese Linie noch deutlicher und sieht Goldman Sachs Asset Management mit den “Core”-Fonds auf der Seite der aktiv gemanagten Fonds. Das globale Produkt “Global Core Equity Portfolio” (LU0203365449) bewegt sich mit laufenden Kosten von 1,5 % auch preislich im Rahmen aktiv verwalteter Fonds. Hier kommt es also darauf an, dass das Team von Rodriguez-Alarcon tatsächlich den Mehrertrag liefert, den es verspricht.Genügend Möglichkeiten dafür gebe es weiterhin, sagt er. Es werde nicht dazu kommen, dass Investoren mithilfe automatischer Strategien alle vorhandenen Informationen immer besser auswerten können – und der Preis der Aktien immer stärker den tatsächlichen Firmenwert widerspiegelt. Käme es so, bliebe wenig Spielraum für aktive Manager, die schließlich unterbewertete Titel suchen oder – sofern sie nach Trends im Marktgeschehen suchen – die Psychologie anderer Anleger berücksichtigen. Weil es laufend immer neue Informationen gebe, bleibe auch immer Raum, neue Verfahren anzuwenden und so andere Investoren abzuhängen, sagt er. Vielmehr sei die Herausforderung, mit der technischen Neuerung Schritt zu halten. Der Manager spricht von einem “Rennen gegen die Zeit”. Welche Kategorien Goldman Sachs dabei im Einzelnen abklappert, lässt eine zugehörige Präsentation offen. Bislang sei jedenfalls nur ein Bruchteil der Daten schon ausgewertet, sagt der Manager. Lediglich die Spitze des Eisberges sei bereits bekannt. “Es gibt weitaus mehr, was wir noch tun könnten.”——7 Prozent beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass die Aufgaben von Finanzmanagern in Zukunft durch Computer ersetzbar sind. Dies schätzen die Oxford-Ökonomen Carl Benedikt Frey und Michael Osborne. Damit zeigen sich Finanzmanager im Vergleich zu anderen Berufsbildern weitgehend unempfindlich gegen den technischen Fortschritt, auch wenn die Digitalisierung den Beruf bereits heute verändert hat.